Kleine Gebrauchsanweisung für diesen Post
Ich tanze mit ganz viel Kunst aus dem April heraus in den Mai. Zum 18. Mal versammelt das Gallery Weekend vom 29. April bis zum 1. Mai internationale Kunst-Aficionados in Berlin. Und dieses mal ist wieder alles möglich, nichts hybrid oder Pandemie bedingt verschoben! 52 Galerien sind im offiziellen Programm dabei, zeigen 80 aufstrebende und etablierte Positionen.
Kleine Neuerung: Meine Tipps mit den Highlights gibt es dieses Mal vorab, ohne dass ich alles gesehen habe.
Natali und ich reisen gemeinsam zur 59. Biennale nach Venedig – wie zuletzt 2019. Wir wollen vor Ort Kunst & Kulinarik für den Blog erkunden und in unserem Airbnb gemeinsam venezianisch kochen. Unser Plan kollidiert ein bisschen mit den Preview-Tagen des Gallery Weekends, an denen ich daher nicht teilnehmen kann.
So findet sich hier für das Gallery Weekend eine Vorab-Liste mit meinen ganz persönlichen must-dos.
Am Gallery Weekend Wochenende stürze ich mich dann sehr gespannt selbst ins Berliner Kunst-Getümmel. Die Highlights für den Blog werde ich hier stückweise aktualisieren.
1. Museen
Neue Nationalgalerie
Barbara Kruger – Bitte Lachen / please cry
Schrift, meist schwarz auf weißem Grund mit roten Elementen, ist Barbara Krugers Signatur. Zum Gallery Weekend zeigt die amerikanische Künstlerin erstmals eine für die Neue Nationalgalerie entwickelte Installation. Mit dem Werk Bitte Lächeln/ please cry setzt sich Brabara Kruger mit den Auswirkungen von social media auf unsere Gesellschaft auseinandersetzen. Eine zeitgemäße Intervention in dieser ikonischen Mies van der Rohe Architektur.
Berlinische Galerie
Nina Canell – Tectonic Tender
Die schwedische Künstlerin Nina Canell macht Energieflüsse wahrnehmbar und Material lebendig. Wie das geht? Ich bin gespannt. Für ihre ortsspezifische Installation Tectonic Tender in der Berlinischen Galerie mischt sie Schnürsenkel, Unterseekabel, Muscheln, mit Sauerstoff, Wasser und Elektrizität. Neugierig? Die Vernissage ist am 29. April ab 19 Uhr.
Natürlich locken auch andere, faszinierende Schauen in Museen wie dem Gropius-Bau.
2. Galerien
Es gibt drei spannende, neue Orte für die Kunst
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Die Blüten von Berlin – Chert Lüdde
Nach 13 Jahren in Kreuzberg ist die Galerie Chert Lüdde nach Schöneberg gezogen. In das Party- und Kostümgeschäft Deko Behrendt, das nach 69 Jahren schließen musste. Opulente Parties und Kostümfeste sind in Pandemiezeiten wenig nachgefragt. Chert Lüdde übernimmt die Räume und liefert als erstes eine Hommage an das Traditionsgeschäft.
Die erste Ausstellung heißt Die Blüten von Berlin. In ihr bezieht sich das Künstlerduo Halilaj & Urbano auf die alten Ladenbesitzer. Während der Renovierungsarbeiten haben sie Schicht um Schicht der Originaltapeten von Deko Behrendt konserviert und daraus abstrakte Bilder geschaffen.
Außerdem erinnern riesige Blüten an Dekoartikel,
die hier vormals verkauft wurden. Ausgestellt werden zudem Fotografien von Annette Fricke. Sie zeigen Dragqueens und Momentaufnahmen. Die Federboas, Pailetten- und Glitzerteilchen haben sie vermutlich bei Deko Behrendt gekauft. Ach, was für ein herrlicher Ort!
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Vater und Sohn Levy an einem Standort
Und noch eine Galerie an einem neuen Ort: Die Galerie alexander levy zieht nach zehn Jahren in Kreuzberg in neue Räume in Moabit.
Das besondere: Vater & Sohn zeigen gemeinsam Unterschiedliches
Der Vater von Alexander Levy ist ebenfalls Galerist mit Standorten in Hamburg, Paris und Madrid. Während der Sohn eher konzeptionelle, zeitgenössische Kunst zeigt, konzentriert sich der Vater auf Surrealismus, Nouveau Réalisme und Pop Art.
Zum Gallery Weekend gibt es bei alexander levy den Künstler Egor Kraft zu sehen, der in Zeiten wie diesen besonders aktuell ist. Der aus Russland stammende Künstler untersucht die technischen Möglichkeiten zur Bekämpfung der Verbreitung von Falschinformation und Propaganda, die im Mittelpunkt des anhaltenden Krieges in der Ukraine stehen.
LEVY zeigt mit einer Gruppenausstellung die engen Verbindungslinien von Meret Oppenheim, Man Ray und Daniel Spoerri. Die Adresse Alt-Moabit 110 steht ganz oben auf meiner Liste.
Und wer nochmal in die alten Räume von alexander levy in der Rudi.-Dutschke-Straße 26 vorbeischauen möchte, sollte das tun. Bis zum 1. Mai zeigt dort Julius von Bismarck sein Whole Earth Archive. Der Künstler arbeitet an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technologie. In seiner Installation hier sieht er das Universum als Träger aller Informationen und schaut mit ihr auf die Vergangenheit der Erde. Sehr cool.
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Mehdi Chouakri in den Wilhelm Hallen
Nach 25 Jahren schlägt die renommierte Berliner Galerie ein neues Kapitel in der ehemaligen Gießerei auf – und das gleich auf 1000 Quadratmetern! Hier findet sich künftig das Archiv Charlotte Posenenske (1930 – 1985). In einem Kabinett gibt es dauerhaft Objekte und Skulpturen der minimalistisch arbeitenden Malerin und Bildhauerin zu sehen.
Zudem wird es einige neue Arbeiten von John M Armleder geben. So viel sei verraten: eine großflächige Wandmalerei dreht sich um Bier‘s 195, die bekannte Currywurstbude am Ku‘damm.
PS: Der Standort von Mehdi Chouakri am Fasanenplatz bleibt erhalten!
3. Gallery-Hopping zum Gallery-Weekend
Meine Galerien-Touren
Der Einfachheit halber folgend die Galerien und Künstler:innen, die ich unbedingt am Wochenende anschauen möchte.
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In Charlottenburg & Schöneberg
Contemporary Fine Arts zeigt zum ersten Mal eine Soloshow der in New York lebenden Künstlerin Francesca Facciola. Es wird psychedelisch.
Die Kopffüssler von Horst Antes sind eine große Passion von Natali, ein paar hängen bei ihr zuhause. Vielleicht gibt es einige mehr in der Galerie Friese bei der Schau 7 Häuser zu sehen? Das sind sieben monumentale, teils mehrteilige Bilder, die so ganz ohne Menschen auskommen. Der Künstler zeigt in der wunderbaren Location am Fasanenplatz in seiner selbst kuratierten Ausstellung zudem neu entstandene Arbeiten. Must-do. Und, liebe Natali: Aktuell ist die Genese des Kopffüsslers im Franz Marc Museum in Kochel am See zu bestaunen. Da sollten wir auch gemeinsam hin.
Max Hetzler hat drei Standorte und zeigt drei Positionen: Die Bilder des Fotografen Thomas Struth in der Bleibtreustraße sind schon zu sehen. Malerei von Günther Förg gibt es in der riesigen Halle in den Mercatorhöfen und Jérémy Demester bespielt den Standort in der Goethestraße.
Toll auch die Fotogalerie Kicken, die von der Linienstraße in den Kaiserdamm 118, umgezogen sind. Sie zeigt Arbeiten von Klaus Rinke. Allein die hochherrschaftliche Wohnung, in der die Kunst gezeigt wird, ist einen Besuch wert. UND: In der Fahrbereitschaft in Lichtenberg gibt es noch mehr von dem 82-jährigen Künstler zu sehen. Nicht verpassen!
Neu dabei ist die Galerie Heidi in der Kurfürstenstraße 145. In dem ehemaligen Möbelgeschäft werden Arbeiten von Gavin Brown und der Videokunst-Ikone Joan Jonas gezeigt. Spannende Kombination.
Bei Judin leuchtet die Kunst. Sie kommt von Philipp Fürhofer. Ich hatte eine kleine Vorschau in seinem Atelier. I like!
Esther Schipper zeigt David Claerbout, in seinen Videoarbeiten geht es um Zyklen der Natur, den Ideen von Behutsamkeit und Zeit. Top aktuell.
Société zeigt Conny Maier. Deren farbenfrohen, figurativen Werke waren zuletzt im Palais Populaire zu bewundern.
Wentrup präsentiert abstrakte Kunst von Gerold Miller, der auch gerade in Nürnberg im Neuen Museum zu sehen ist. Zur Besprechung hier entlang. Und im Haus Lemke, dem Mies van der rohe Haus in Hohenschönhausen, sind einige seiner Arbeiten ausgestellt. Alles top.
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In Kreuzberg & Mitte
carlier I gebauer zeigt eine tolle Gruppenausstellung und Nina Sinnokrot. Cool, die Show ist schon zu sehen.
Dittrich Schlechtriem wird Jonas Wendelin eingeladen eine Schau zu kuratieren. Die wurde Anfang April auf der Art Düsseldorf gezeigt und hat viel Lob bekommen (mit Werken von Albrecht Dürer, Goya und Yalta Afsah). Nicht verpassen!
Bei Ebensperger im Krematorium zeigt Lea Draeger ihre scheinbar endlose Serie Ökonomische Päpste und Päpstinnen und stellt zudem ihr lesenswertes Buch „Wenn ich Euch verraten könnte“ vor. On top gibt es Performance Painitings von Otto Muehl. Echter Gesprächsstoff.
Konrad Fischer im alten Umspannwerk lockt mich mit Bruce Naumann. Ein sehenswerter Klassiker.
Neugeriemschneider wird mit einer Kombination aus Bayrle, Ai Weiwei, Joseph Kosuth und Michel Majerus sicher ganz besonders.
Galerie Thomas Schulte zeigt serielle Arbeiten von Allan McCollum, die an Mosaike, Kacheln oder Mauerwerk erinnern, sind aber aus Stoff. Von Matt Mullican wartet ein Würfelspiel auf die Besucher. Dabei kommen repetitives Handeln und zufällige Ereignisse zusammen. Beide Künstlern oszillieren zwischen Spezifischem und Allgemeinen. Spannend. Läuft schon.
Spürth Magers zeigt Sterling Ruby, ein Alleskönner in Sachen Kunst aus den USA.
Barbara Wien zeigt die südkoreanische Installationskünstlerin Haegue Yang. Super!
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Die Privatsammlungen
Galerien zeigen das gesamte Wochenende ihre neuesten Schauen, Museen sowieso, aber auch diverse Privatsammlungen öffnen wieder ihre Türen.
Wie immer lohnt sich ein Blick sehr.
Bei Markus Hannebauer im Fluentum an der Clayallee 174 wird eine neue raumgreifende Videoarbeit von Anja Kirschner gezeigt. Die Künstlerin und Filmemacherin will mit UNICA Spuren von Katastrophen in historisch simulierten und inneren Welten aufdecken. Ab dem 27. April on show.
In der Kienzle Art Foundation gibt es zum 31. Mal Kunst zu sehen: The Fiction of Property versammelt Malerei aus New York seit den 70er Jahren. Mit dabei Louise Fishman, Jack Witten oder Michael Venezia – und ist bereits geöffnet.
Immer auf meine Liste auch die Miettinen Collection I Salon Dahlmann. In der Wohnung des Sammlers ist gespickt mit zeitgenössischen Arbeiten in wunderbarem Interieur.
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Die Boros Kollektion
Bei Boros gibt es passend zum Gallery Weekend die vierte Sammlung-Präsentation. In dem alten Reichsbahn-, Bananen und Technobunker produzierte schon mal eine Popcornmaschine von Michael Sailsdorfer ein Dauerschleife den Maissnack. Plopp mischte sich mit dem typischen Popcorn-Geruch. Ai Weiwei hatte seine Baumwurzel 2011 passgenau in einen Raum gebeamt. Zuletzt waren mehr Bilder als Skulpturen zu sehen. Die Sammlung des Paares Karen und Christian Boris umfasst 700 Werke und man kann gespannt sein, welche jetzt auf den 3000 Quadratmetern gezeigt werden.
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Die Paper Positions
Werke aus Papier stehen hier im Mittelpunkt: Die Paper Position lädt zum sechsten mal in die Deutsche Telekom Hauptstadtrepräsentanz. 52 internationale Galerien sind mit dabei und zeigen, wie ihre Künstler:innen mit dem Medium umgehen. Nur für die Zeit des Gallery Weekends!
Zeichnungen moderner und zeitgenössischer Kunst aber auch Arbeiten, die die Fragilität des Papiers unterstreichen sind zu sehen. Besonders schön ist die Salon-Atmosphäre auf dieser kleinen, feinen Messe. Vorbeischauen lohnt immer.
Infos
1. Museen
Barbara Kruger – Bitte lachen/Please cry
Neue Nationalgalerie, bis zum 28. August 2022
Nina Canell – Tectonic Tender
Berlinische Galerie, bis zum 22. August 2022
2. Neue Galerie-Standorte
ChertLüdde Hauptstraße 18, Berlin Schöneberg, bis zum 21. Mai
alexander levy & LEVY, Alt-Moabit 110, 10969 Berlin, ab dem 29. April
Mehdi Chouakri, Kopenhagenerstr. 60-72, 13407 Berlin
3. Gallery Weekend – Galerie-Touren
Alle Informationen zum 18. Gallery Weekend bitt einfach hier klicken. Da finden sich auch die Adressen der aufgelisteten Galerien unserer Touren. Dort finden sich auch die Adressen der geöffneten Privatsammlungen, einige haben nur am Gallery-Weekend geöffnet.
4. Boros Foundation, Reinhardtstraße 20, 10117 Berlin
5. Paper Positions alle Informationen – Achtung: nur vom 28. April bis 1. Mai geöffnet.
Und wie immer gilt: Keine FOMO, also Angst etwas zu verpassen, die Galerien (und die Museen) haben über das Gallery Weekend hinaus ihre Türen geöffnet.