Kunst-Highlights im Dezember 2021

Ein intensives und interessantes Jahr liegt fast hinter uns. Die pandemische Lage ist unüberschaubar und wenn dieser Blogpost online geht ist unklar, was in den kommenden Wochen auf uns zu kommt. Mein Tipp für kleine Alltagsfluchten: Ab in die Kunst und neue Horizonte öffnen. Hier unsere Highlights aus Berlin, Bonn, Düsseldorf, Neuss und Stuttgart.

written by Gastautorin Juliane Rohr 21. November 2021

1. Berlin

Gropius Bau – The Cool & the Cold

Kunst-Krieg in Berlin

Gleich am Anfang begrüßen mich Elvis Presley und Lenin. Zwei ungleiche Gestalten und ihre Gemälde könnten nicht unterschiedlicher sein. Schwupps schon bin ich mittendrin in der Ausstellung. The Cool und the Cold zeigt Werke amerikanischer und sowjetischer Künstler im Dialog. Genauer Malerei aus den USA und der UdSSR 1960 – 1990 aus der Sammlung Ludwig in Köln. Die Großmächte testeten im Kalten Krieg immer wieder Grenzen aus. Wie interessant, dass das Kölner Sammlerpaar Irene und Peter Ludwig in dieser Zeit Kunst aus beiden Ländern gesammelt hat. Nun werden die Bilder im Berliner Gropius Bau in einer konzentrierten Schau gezeigt.

Miteinander, nebeneinander als Gegenüberstellung und im Dialog. Anhand der Werke von 1960 bis 1990 zeigt sich, dass die Kunst aus West und Ost sich immer wieder aufeinander bezog. So ganz, anders als auf der politischen Bühne auf der beide Weltmächte erbittert gegeneinander kämpften, wenn auch am Ende nur mit Worten.

USA meets UdSSR

Im Gropius Bau treffen knallige Pop Art von Andy Warhol oder Roy Lichtenstein auf riesige russische Porträts, Kriegsgemälde, aber auch melancholische, naturalistische Malerei. Interessant, dass sich immer wieder Gemeinsamkeiten finden. Wie zum Beispiel in der abstrakten Malerei, die Lenin eigentlich verabscheute. 125 Werke von 80 Künstler:innen stellen mein Kunstverständnis auf den Kopf. Ich entdecke Unbekanntes, Bekanntes  und vergleiche andauernd.

Die uns weniger bekannten russischen Maler halten dem Vergleich der amerikanische Stars stand.

Die Schau ist chronologisch in Themen wie Freizeit, Arbeit, Die Eroberung der Straße oder Raumfahrt unterteilt.  Verblüffend, wie optimistisch das Leben in Zeiten des Eisernen Vorhangs dargestellt wurde. Cool auf der einen Seite, cold auf der anderen. Wobei das doch wohl eher ein angestaubtes Klischee ist?! Was für eine interessante Ausstellung – jetzt 30 Jahre nach dem Mauerfall.

Kunst kocht – Stay tuned!

Am 26. November startet im Gropius Bau noch eine Ausstellung, die ich empfehlen möchte: Zanele Muholi. Natali und mir sind ihre eindrücklichen Porträts bereits bei der Biennale 2019 in Venedig begegnet. Es ist ihre erste umfassende Einzelausstellung in Deutschland. Ich freue mich auf ein Wiedersehen mit ihren phantastischen Arbeiten.

Der Gropius Bau ist für mich eines der spannendsten Museen in Berlin. Natali und ich haben für die Reihe Kunst kocht über das Museum ein paar Gedanken hier im Blog geteilt. Im Januar ist dann die nächste Folge und die Neue Nationalgalerie dran. Der Mies van der Rohe Bau wurde nach sieben Jahren Renovierungsarbeiten im Spätsommer wieder geöffnet und erstrahlt in vertrautem, neuen Glanz. Natali und ich werden das Museum demnächst gemeinsam besuchen, um die dritte Folge von Kunst kocht zu verbloggen. Versprochen!

2. Bonn

Bundeskunsthalle – Werke aus der Sammlung Hoffmann

Ein kleines bisschen Wehmut…

Eine Kunstsammlung aus Berlin ist in Bonn zu Gast bevor die Kunstwerke dann final nach Dresden wandern. Verwirrung pur! Nein, ich möchte mich an dieser Stelle nicht über die verpassten Chancen der Berliner Kulturpolitik auslassen. Aber ein bisschen traurig bin ich doch, wenn ich die tollen Werke aus der Sammlung Hoffmann in der großen Halle der  Bundeskunsthalle in Bonn betrachte.

Wissend, dass die meine Heimatstadt ein weiteres Mal die Chance verdaddelt hat, künftig eine großartige Privatsammlung moderner und zeitgenössischer Kunst im Bestand zu haben. Nun denn! Fakt ist, dass die Sammlung Hoffmann, die in Berlin beheimatet ist, endgültig nach Dresden geht und dort auch bleibt. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden werden die Werke dann präsentieren können. Das sei der sächsischen Stadt sehr gegönnt. Die Fahrt nach Dresden zu aufregender Kunst quer durch die Jahrhunderte bis in die Jetztzeit lohnt dann einmal mehr.

Toll in Szene gesetzt die Schenkung der Sammlung Hoffmann

Gesellschaftlich relevante Kunst

Doch zurück nach Bonn: Adam Eva und die Schlange, was für ein seltsamer Titel für eine Sammlungspräsentation. Die Sammlung Hoffmann zeigt hier großartige Werke von Andy Warhol, Heinz Mack über Felix Gonzales-Torres und Christian Boltanski bis zu Yayoi Kusama und Monica Bonvicini. Die Liste ist lang. 150 hochkarätige Werke – Malerei, Fotografie. Zeichnung, Skulptur, Installation und Videokunst – geben einen tollen Einblick in diese bedeutende Privatsammlung.

Erika und Rolf Hoffmann haben in den 60er Jahren im Rheinland ihre ersten Kunstentdeckungen gemacht und fingen bald an zu kaufen. Dabei waren ihnen immer gesellschaftliche und politische Fragestellungen wichtig.

In Berlin gefundene Fenster ergeben das Kunstwerk Inside Outside von Chiharu Shiota

Immer im Dialog

1997 zog die in Köln entstandene Sammlung mitsamt ihren Besitzern nach Berlin um. In einer umgebauten Fabrik in den Sophie -Gips-Höfen konnte sich jeder zu bestimmten Zeiten durch die Sammlung führen lassen. Dialog, Austausch und neue Gedankenverbindungen waren dem Sammlerpaar wichtig. Dieses dialogische Prinzip nimmt diese Ausstellung in Bonn wieder auf.

Den Rahmen setzen vier Schwerpunkte – Körperlichkeit, Transparenz, Kommunikation und Interaktion. Gekonnt, fast intim, in dieser neun Meter hohen Halle in Szene gesetzt. Und kurz vor dem Ausgang des Parcours stoße ich auf Adam, Eva und die Schlange: Zwei mit einem roten Bad umwickelte Stühle. An einer Stelle untrennbar zum Dialog verdammt. Eine Skulptur der New Yorker Künstlerin Gretchen Faust von 1991. Herrlich!

3. Düsseldorf

K 20 – Lynette Yiadom-Boakye

Fliegen im Verbund der Nacht – der Titel dieser sehenswerten Ausstellung im Düsseldorfer K 20 am Grabbeplatz ist so geheimnisvoll wie die Bilder von Lynette Yiadom-Boakye. Ihre Malerei kommt so unnachahmlich elegant daher. Großformatige, manchmal kleine, quadratische Bilder von Menschen, die

wie aus der Zeit gefallen

wirken. Meist auf dunkel gehaltenem Grund, kann ich keine Zeit verorten in der sie gezeigt werden. Fast bin ich enttäuscht, wenn ich lese, dass alle Figuren aus ihrer Fantasie entspringen. Die in London geborene Künstlerin mit ghanaischen Wurzeln hat weder Freunde noch Familie gemalt. Und doch strahlen diese Porträts das Gefühl von Vertrautheit aus. Fiktive Menschen zu malen gibt ihr das Gefühl von Freiheit, wie sie anlässlich ihrer Retrospektive in der Londoner Tate Modern erzählte. Diese Ausstellung ist jetzt in Düsseldorf zu Gast.

Lynette Yiadom-Boakye bedient sich im weltweiten Netz, in der Kunstgeschichte, zitiert keine Stereotypen, denn das Narrativ der Mann/Frau-Dynamik ist für sie aus erzählt. Ihre Menschen strahlen Kraft, Selbstbewusstsein und Eleganz aus – gleich welches Geschlecht sie haben. Sie sind immer schwarz, in Öl, Kohle und Pastellstift gemalt. Rätselhaft schöne Porträtmalerei.

4. Neuss

Langen Foundation – Daniel Spoerri

Daniel Spoerri ist eigentlich d e r Künstler für den Blog. Der inzwischen 91jährige gründete 1968 in der Düsseldorfer Altstadt das Restaurant Spoerri und die Eat Art Gallery. Künstlerfreunde waren immer da und Stammgast Joseph Beuys stand gelegentlich am Herd. Die zelebrierten Gelage fixierte der Schweizer mit Konservierungsstoffen und Leim auf Tischplatten. So wurde der banale Vorgang des Essens zu einem künstlerischen Akt. Die kunstvollen Objekte hängen in vielen Sammlungen und Museen. Daniel Spoerri träumte immer von einem Museum der Unordnung und das ist ihm jetzt in der Langen Foundation auf der Museumsinsel Hombroich ermöglicht worden.

Ordentlich im Museum der Unordnung

Kopf-Futter

Aber es geht nicht nur ums Essen. In einem dunkel gestrichenen Raum sind Kinderstühle, afrikanische Masken, Spazierstöcke und Schmuck wie in einer Wunderkammer arrangiert. Er sammelt wie besessen. Alle Erinnerungsstücke längst vergangener Tage, die er auf Flohmärkten findet, wandelt er teilweise sehr humorvoll in Kunst.

Durch gut 150 Werke komme ich Daniel Spoerri und seiner Sammelwut näher. Und ich schwelge in diesen ordentlich arrangierten und zugleich unordentlichen Wandgemälden und Tafeln. Sie wirken so appetitlich, solange man nicht genau hinschaut, denn auch die Essensreste hat Spoerri (geruchsneutral!) konserviert. Beinahe höre ich Tischgespräche, an denen ich doch gar nicht teilgenommen habe. Wunderbares Futter für den Kopf.

Besser Tafeln mit Daniel Spoerri

5. Stuttgart

Kunstmuseum – 50 Jahre Sammlung LBBW

Eine kleine Tour durch die Kunstgeschichte ab dem beginnenden 20. Jahrhundert bis in die Gegenwart ist derzeit im Kunstmuseum in Stuttgart möglich. Jetzt oder Nie, so der Titel für die Ausstellung in der 50 Jahre Kunst aus der Sammlung der LBBW (Landesbank Baden-Württemberg) gezeigt werden. Im ersten Teil finde ich bedrückende Kriegsbilder von Otto Dix, Abstraktes von E.W. Nay und die Leichtigkeit der Zero-Künstler wie Günther Uecker und Heinz Mack.

Ich treffe auf Malerei von Georg Baselitz und Dieter Krieg, wegweisende Fotografie von Cindy Sherman und Teppichcollagen von Nevin Aldag. Am Ende lande ich bei computergenerierter Kunst von Tim Berresheim, die auf einer riesigen Holzplatte prangt, und bei hochaktuellen Videoarbeiten. Spannend zusammengestellt.

Ein am Computer entstandenes Kunstwerk von Tim Berresheim

Infos:

Bitte unbedingt vor dem Besuch die verlinkten Museumsseiten besuchen, um zu checken, welche Corona-Hygieneregeln.  gelten.

 Gropius Bau

  • The Cool and the Cold bis zum 9. Januar in Berlin

Bundeskunsthalle

  • Adam, Eva und die Schlange bis zum 13. Februar in Bonn

K 20 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen

  • Lynette Yiadom-Boakye bis zum 13. Februar in Düsseldorf

Langen Foundation

  • Daniel Spoerri bis zum 13. März auf der Museumsinsel Hombroich bei Neuss

Kunstmuseum

  • Jetzt oder Nie – 50 Jahre Sammlung LBBW bis zum 20. Februar in Stuttgart

 

 

 

 

 

 

 

 

Das könnte Dich auch interessieren

Leave a Comment