Hey 2024! Wie vertreibt man graue Januartage? Treue Blogleser wissen es längst, gute Kunst hilft! Unsere Euphorisierungs-Spitzen gegen den Winterblues finden sich dieses Mal in Hamburg, München und Berlin mit ikonischen Klassikern und spannenden Überraschungen.
Hamburg: Caspar David Friedrich – Hamburger Kunsthalle
Es ist still in seinen Bilder. Ich stehe und lausche, freue mich auf viele Begegnungen. An Caspar David Friedrich kommt man in diesem Jahr nicht vorbei. Den 250. Geburtstag des Erfinders der Romantik feiern deutschlandweit viele Museen. Seine handlungsarmen und zumeist menschenleeren Landschaften, Wolken und Seestücke ziehen mich immer wieder fast rauschhaft in den Bann.
Den Auftakt hat Mitte Dezember die Hamburger Kunsthalle gemacht. „Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit“ heißt die Schau, die streng genommen zwei Teile hat.
Herrlich melancholisch
Im ersten Teil werden 60 Gemälde und 100 Zeichnungen des beliebten Malers (1774 – 1840) mit ausgewählten Arbeiten seiner Künstlerfreunde kombiniert. Bislang waren 100 000 Besucher im Friedrich-Fieber und auch am Silvestertag, als ich die Ausstellung besucht habe, war es sehr voll.
Man muss etwas Geduld mitbringen, wenn man alles, was in den kleinen Kabinetten hängt, sehen möchte. Aber es lohnt sich zu warten. Für mich ist wenig herrlicher, als mich von den melancholischen Bildern verführen zu lassen auf der Suche nach Stille und Emotionen. Und ein Wiedersehen mit ikonischen Schlüsselwerke zu feiern. Ich entfliehe so der überfordernden Gleichzeitigkeit unserer Gegenwart.
Friedrichs Einfluss im Jetzt
Im zweiten Teil gibt es 20 zeitgenössische Positionen zu sehen, sie Caspar David Friedrichs Werk assozieren. Das gelingt mal besser, mal weniger gut. Da ist der Farbkreis von Olafur Eliasson, der sich aus den Pigmenten der Farben zusammensetzt, die Friedrichs für sein Gemälde das „Eismeer“ benutzt hat.
Weniger abstrakt kommen die beiden Gemälde von Kehinde Wiley daher, die im Altbau und unübersehbar in den Markartsaal gepflanzt sind. Der Weg lohnt sich unbedingt. Whiley hat zwar die Copypaste Taste gedrückt, aber die Arbeiten riesig aufgebläht. Er besetzt die stimmungsvollen Szenen der Rügener Kreidefelsen und dem Nebelmeer mit schwarzen Menschen.
So reflektiert der US-amerikanische Maler, der auch Barack Obama porträtiert hat, kritisch den weiß besetzten westlichen Kunstkanon. Umgeben von der Salonmalerei des 19. Jahrhunderts wirken seine Arbeiten hier besonders auf den Punkt.
Buch-Tipp
Noch mehr Lust auf CDF, wie er so schön abgekürzt wird? Dann empfehle ich sehr das Buch „Zauber der Stille“ von Florian Illies, seit Wochen Platz eins der Spiegel-Bestellerlist, Zur Besprechung hier.
München:Zwei Mal Haus der Kunst
In anderen Räumen – Environments von Künstlerinnen 1956 – 1976
Durch Farbtunnel schreiten, laufen, schlendern, in Federn baden oder auf rutschigen Teppichen über Wellen kriechen – all das ist Kunst zum Erleben, Interagieren und derzeit im Haus der Kunst machbar. Ein großer immersiver Spaß ist die Ausstellung „In anderen Räumen. Environments von Künstlerinnen 1956 – 1976.“
Elf Frauen zeigen was sie unter experimentellen Kunstwerken verstanden, ein
cooler Mix aus Kunst, Design und Architektur.
Eigentlich sind diese Installationen ephemer, flüchtig, sie wurden daher für die Münchner Schau rekonstruiert. Der künstlerische Kanon wird von den Kuraoren, Andrea Lissoni und Marina Pugliese, bewusst auf den Kopf gestelllt, in dem sie die Rolle von Künstlerinnen bei der Entwicklung von Environments hervorheben.
Bitte unbedingt einen Slot buchen, es hat sich in München rumgesprochen, wie toll die Räume bespielt sind. Großartige Kunst von Judith Chicago und anderen starken Frauen.
Meredith Monk – Calling
Etwas leerer ist es im ersten Stock. Wieder geht es um eine Frau. Meredith Monk gilt als eine der außergewöhnlichsten und einflussreichsten Künstlerinnen unserer Zeit ist zugleich eine anerkannte Komponistin.
Kunst hat Meredith Monk immer als Berufung empfunden, so passt es sehr, das die Retrospektive, die ihr das Münchner Haus der Kunst widmet, auch „Calling“ heißt. Was für eine grandiose Schau, der es gelingt selbst ortsspezifische Performances einzufangen. Monopol Chefradakteurin Elke Buhr schreibt passend:
„Man schaut, hört und fühlt.“
Es geht um Monks persönliche Biograhie, Buddhismus, Lust, den weiblichen Körper, Menschsein, Altern und immer wieder Umweltthemen. Der Gesang betört schon im Treppenhaus. Sie verbindet Tanz, Theater, Musik und Film in Performances und Videoarbeiten. In einem Raum gleitet das Publikum in ihr New Yorker Loft und ich habe mich gern in allerlei persönlichen Gegenständen, Fotos und Büchern vertieft. Sehr poetisch, eindringlich – verzaubernd.
William Turner – Lenbachhaus
Noch ein Meister des Lichts und der Farbe: Er gilt als Erneuerer der Landschaftsmalerei: der englische Maler Joseph Mallord William Turner (1775 – 1851). Wer noch nicht in „Three Horizons“ im Kunstbau des Münchner Lenbachhauses war, es lohnt sich. Er lebte zur gleichen Zeit wie Friedrich, reiste im Gegensatz zu dem Greifswalder Maler, viel und schuf in seinen Bildern viele abstrakte Momente.
Die Reduktion auf Licht, Atmosphäre und Landschaft ist faszinierend.
Fast habe ich das Gefühl bei seinen Wolkenaquarellen hindurch schauen zu können. Die enstanden meistens im Freien, später betrug er die Skizzen in unglaublich lichte, fast abstrakt wirkende Ölgemälde. Die grundierte er weiß, damit dunkle Farben heller strahlen. Die Atmosphäre die er in Form und Farbe bannte ist spektakulär und so ganz anders als bei Caspar David Friedrich. Nicht verpassen, zumal selten soviel Turner Gemälde aus aller Welt an einem Ort zu sehen sind.
Auch zu der Turner Schau gibt es ein Buch, das im Blog besprochen wurde. Reinlesen? Bitte hier.
Berlin:Josephine Baker – Neue Nationalgalerie
Eine kleine Videoarbeit auf der Kunst-Biennale 2022 in Venedig, faszinierte Klaus Biesenbach, den Direktor der Neuen Nationalgalerie, dermaßen, dass er unbedingt eine Ausstellung über Josephine Baker machen wollte. Jetzt wird sie in der Neuen Nationalgalerie mit der Schau „Josephine Baker – Icon in Motion“ gewürdigt.
Sie war ein Gesamtkunstwerk –
Tänzerin, Künstlerin, Sängerin, Widerstandskämpferin, transformative Kulturfigur und so vieles mehr, aber eben kein Objekt, wie Biesenbach betont.
Was für ein intensives Leben
1906 in St. Louis geboren, erlebte sie elf Jahre später, das das 72 Stunden wütende rassistische Massaker in ihrer East St. Louis mit, 100 Menschen starben. Das hinterließ Spuren. In die Herzen der Berliner tanzte sie sich schon 1995 mit nur 19 Jahren. Im Zweiten Weltkrieg war sie Widerstandskämpferin in Frankreich, konvertierte zum Judentum.
Ab den 1960er Jahren war sie als Bürgerrechtlern unterwegs. Hier in Berlin in ihr Leben jenseits des Tanzen im „Bananenrock“ einzutauchen, lohnt. Die amerikanische Künstlerin Kandice Williams wurde von Biesenbach eingeladen die Schau zu kurieren. Die beiden wirken dem oberflächlichen Baker-Image gekonnt entgegen.
Besonders schön sind Videoausschnitte, Interviewpassagen und die Kombination mit Arbeiten von Künstlerinnen und Künstlern, die von ihr inspiriert waren und bis heute sind. Henri Matisse, Alexander Calder, aber auch der Star der bereits erwähnten BiennaleSimone Leigh sind in dieser kleinen, intensiven Ausstellung versammelt.
Nach dem Besuch, habe ich noch mal in Bakers Musik reingehört… und mich schon mal auf die kommende Biennale in Venedig mit Natali und Freundinnen Ende April gefreut. Das kleine Video von Baker hatte uns übrigens auch beeindruckt.
Zwischen zwei Orten – Kunst Haus Mitte
Künstlerpaare gibt es viele – diese hier zeigen gemeinsam in Berlin ihre Kunst. Artist Couple Elín Jakobsdóttir and Mark Sadler leben gemeinsam und pendeln zwischen Berlin und Glasgow, machen aber jeder für sich und sehr unterschiedliche Kunst.
Den Ort kannte ich zugegebenermaßen nicht. Wer noch nicht im Kunst Haus Mitte direkt hinter dem Hamburger Bahnhof war, dem sei dieser spannende Ort dringend ans Herz gelegt. Und die Kunst ist auch richtig gut. Nur noch bis zum 4. Februar.
Info
Caspar David Friedrich. Kunst für eine neue Zeit
Bis 1. April Timeslot empfehlenswert,
Montags gechlossen, Di bis So 10 – 18 Uhr, Do bis 21 Ur
Mit Leidenschaft in die Kunst ist Julianes Credo. Das Empfinden ist dabei subjektiv – das macht es spannend. Kunst ist vielfältig, je mehr man sieht, um so kritischer wird man als Betrachter. Der Spaß Neues zu entdecken, an Grenzen zu stoßen, bleibt. Nach Werbeakademie und Politikstudium in München hat Juliane ihre journalistische Ausbildung bei verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen wie Münchner Merkur und Die Zeit absolviert. Kunst war ein immer Lieblingsthema. Die Menschen hinter den Kunstwerken, in Galerien oder Institutionen porträtiert sie seit 2019 regelmäßig für n-tv.de. Sie schreibt für das Printmagazin good life und führt in Berliner Galerien gerne mal artist talks. Kunst aus dem vermeintlichen Elfenbeinturm zu befreien und begreifbar zu machen, ist es, was Juliane antreibt. Und dafür bereitet sie alle sechs bis acht Wochen ihre Museums- und Galerien-Tipps für Kochen, Kunst und Ketchup-Blogbesucher frisch auf. Auf Instagram findet ihr sie unter jr.artynotes.