1. Berlin
Nan Goldin – Neue Nationalgalerie
This will not End Well
So lautet der prophetische Titel der Schau von Nan Goldin in der Neuen Nationalgalerie.
Bisher läuft alles gut, der Auftakt im November allerdings war explosiv. Die jüdische stämmige Künstlerin und Aktivistin wirft Israel in Gaza Genozid vor. Für ein deutsches Museum eine schwierige Situation. Es ist kompliziert und soll hier im Blog nicht ausgebreitet werden. Wer mag, kann dazu das world wide web detailliert befragen und sich eine eigene Meinung bilden.
Zurück in die obere Halle des ikonischen Mies Van der Rohe Baus, wo dieser retrospektive Einblick in Nan Goldins Schaffen von 1980 bis heute gezeigt wird. Spannend, denn Goldins Werk ist immer auch ein Zeitdokument.
Alle Fotos werden
als Diaschau gezeigt als Tagebuch ihres Lebens.
In sechs kleinen Pavillons finde ich sechs verschiedene Lebensabschnitte.
Exzessiv, voller Lust, Leben, Drogen und Kampf. Das ist berührend, fesselnd, intensiv und sehenswert.

Schonungslos
Leidenschaftlich fotografiert die 1953 in Washington geborene Goldin, ihre Freunde und Freundinnen unverstellt – und in allen möglichen Situationen. Sie wagt sich in gesellschaftliche Tabuzonen. Zeigt die Welt der stigmatisierten Dragqueens in den 1980er Jahren New Yorks. Damals war die Aids-Pandemie auf ihrem Höhepunkt.
Das Schicksal ihrer Schwester Barbara, die sich mit 18 das Leben nimmt wird rekonstruiert. Und ihr Kampf gegen den Pharma-Giganten Sackler, die mit Schmerzmitteln Milliarden gemacht haben und unzählige Menschen in die Sucht trieben. Beklemmend. Gut.
Fragmentierte Gefühle – eine Empfehlung!
Böse Blumen – Sammlung Scharf Gerstenberg
Ambivalenz pur
Schön, hässlich, zauberhaft, anziehend, obszön, bizarr, verstörend oder faszinierend. In jedem Fall spielt die Ausstellung „Böse Blumen“ mit einem enormen Spannungsfeld.
Ausgangspunkt ist der Gedichtband „Les Fleurs du Mal“ von Charles Baudelaire. Seither fasziniert dieses Buch, in der die Idee des Bösen verhandelt wird, KünstlerInnen, Autoren und KomponistInnen. In der Sammlung Scharf Gerstenberg wurden 120 Kunstwerke zu dem Buch zusammengestellt. Dadaistin Hannah Höch begegnet Zerokünstler Otto Piene oder zeitgenössischen Künstlern wie Julius von Bismarck.
Ein anregender sowie wohltuend bunter Kunst-Ausflug..
Noch mehr Berlin-Tipps:
Kafka aktuell
Franz Kafka ist im vergangenen Jahr vor 100 Jahren gestorben, mit knapp 41 Jahren am 3. Juni 1924. Die Bücher des Prager Schriftstellers sind Klassiker der Weltliteratur, seltsam finster und zugleich verblüffend aktuell.
Das Jüdische Museum öffnet mit Access Kafka neue Türen zu seinem Werk. Auszügen aus seinen Büchern, Schriften und seinen Zeichnungen stehen zeitgenössische KünstlerInnen wie Martin Kippenberger, Yael Bartana, Maria Eichhorn oder Anne Imhof gegenüber.
Der Dialog zeigt, wie zeitlos und universell Kafkas Fragstellungen heute noch sind.
Gerettet aus Odessa
Was passiert mit der Kunst, wenn Krieg herrscht?
In der Gemäldegalerie am Kulturforum zeigt die Ausstellung Von Odesa nach Berlin 60 Highlights europäischer Malerei des 16. bis 19. Jahrhunderts aus dem Museum für Westliche und Östliche Kunst. Die Gemälde konnten in Sicherheit gebracht werden.
Dazu kommen einige Werke aus den Berliner Sammlungen, die in den Dialog gesetzt werden. Eine spannende und geglückte Kunstrettung vor Krieg oder möglicher Zerstörung.
2. Basel
Fresh Window. Kunst & Schaufenster – Museum Tinguely
Filigrane Anfänge
Wussten Sie, dass Jean Tinguely seine Künstlerkarriere als professioneller Schaufensterdekorateur begonnen hat? In diesem Jahr feiert das Baseler Museum Tinguely den 100. Geburtstag des großen Schweizer Bildhauers (22. Mai 1925 – 30. August 1991).
Was später die kunstvollen Maschinen aus gefunden Metallteilen wurden, war in den Anfängen von Jean Tinguely filigraner Draht, die er für seine Schaufensterdekorationen benutzte. Einige dieser von ihm geschaffenen Fenster kann man derzeit in Fresh Window. Kunst & Schaufenster begutachten.
Vitrinen funktionieren wunderbar als musealer Raum im Kleinen.
Angesichts großer Namen wie Andy Warhol, Robert Rauschenberg oder Jasper Johns neben Tinguely, wundere ich mich, warum bisher noch kein Museum auf die famose Idee kam Kunst im Schaufenster mit einer Ausstellung zu verknüpfen.
40 zeitgenössische KünstlerInnen zeigen, wie sie das Fenster eines Geschäftes als Bühne für ihre Malerei, kritische Performances, Skulpturen oder bildstarke Installationen nutzen. Eine Schau, die Spaß macht und zugleich den Kopf anregt.
Kunst trifft Kommerz
Denn: Das Thema ist
vielschichtig und kommt durchaus politisch daher.
In Zeiten des Online-Handels verlieren die Auslagen von Geschäften an Bedeutung. Sie werden unwichtiger und durch den Laptop-Bildschirm ersetzt. Dabei sind diese bunten Fenster zugleich eine Membran, die verbindet, trennt und vermischt. Die Auslage befeuert gleichermaßen unseren Voyerismus und das Begehren.
Junge Kunst in der Stadt
Die Ausstellung des Museums wabert ins Innenstadtgebiet und hinterlässt dort sehenswerte Spuren.
Sieben Fenster, klug in der Stadt verteilt, werden von ehemaligen Studierenden des Instituts Kunst Gender Natur der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW bis zum 2. März besonders und anders bespielt.
Noch ein Tipp für Basel
Ich träume im Winter besonders gern von nordischen Wäldern, Nordlichtern und nicht enden wollendem Tageslicht! Ende Januar hat die Ausstellung Nordlichter in der Fondation Beyeler eröffnet.
Gezeigt werden 74 fantastische Landschaftsbilder skandinavischer und kanadischer KünstlerInnen, die zwischen 1888 und 1937 entstanden sind. Darunter Meisterwerke von Hilma af Klint oder Edvard Munch. Wer in der Nähe ist: Nichts wie hin (noch bis zum 25. Mai).
3. Düsseldorf & Umgebung
Macht Platz, finstere Wolken! Wer Lust auf Schwelgen in Farbe hat, dem sei in Düsseldorf die farbreiche Textilkunst von Sheila Hicks empfohlen. Nur noch bis zum 23. Februar in der Kunsthalle. Schnell hin. So schön!
Und in der Langen Fondation in Neuss kann man sich in das anregend aufregende Werk des Künstler-Trios Troika vertiefen. Pink Noise ist noch bis zum 16. März zu sehen.
Und für unsere Leser in Frankfurt: Troika ist ab dem 7. März mit einer Intervention in der Schirn zu Gast.
Eccentric – Pinakothek der Moderne
Ist es Kunst oder kann das weg? So könnte die grandiose Ausstellung ECCENTRIC – Ästhetik der Freiheit überschrieben sein. Allein die wild tanzenden Eisbären aus bunten Federn von Paola Pivi sind den Besuch in der Pinakothek der Moderne wert.
Bunt, nachdenklich stimmend und überraschend ist die Ausstellung. 50 aktuelle Positionen zeigen wie mutig, frei, humorvoll, berührend oder verstörend zeitgenössische Kunst sein kann.
Malerei, Skulpturen, Installationen, Video und Design feuern Diversität, Freiheit und Toleranz jenseits jeglicher Ideologie.
Ein großer Spaß, Kopf erweiternd, wohltuend –
besonders in dieser unruhigen Zeit. Unbedingt anschauen.
Philippe Parreno. Voices – Haus der Kunst
Eine Reise in die Zukunft
Er ist ein Meister der Inszenierung und der Überraschung: Bei Philippe Parreno sprechen schon mal Steine, fliegen Fische unter der Decke und Hefekulturen erschaffen neue Welten.
Nun verzaubert der französische Künstler Neugierige im Münchner Haus der Kunst mit Bewegung, Licht, Stimmen, Tanz und vor allem mit Künstlicher Intelligenz.
Voices heißt die ambitionierte Schau. Und ja, KI steuert die gesamte Ausstellung.
Das, was im Berliner Gropius Bau vor sieben Jahren noch die bereits erwähnten Hefekulturen übernahmen, ist nun in der gesamten Münchner Ausstellung Sache dieses rätselhaften Drahtziehers.
Rätsel über Rätsel
Vieles in dieser Ausstellung bleibt verrätselt. Dazu erklingt die Stimme von Susanne Daubner. Und Tino Sehgal hat TänzerInnen instruiert sich durch die Räume zu bewegen, zu tanzen, zu gurren, singen und mit gezielten Fragen an das Publikum Verwirrung zu stiften.
Die Antworten klingen dann durch die Räume in dieser so vertrauten Nachrichtenstimme. Herrlich.
INFO
- Nan Goldin – This Will Not End Well
Neue Nationalgalerie
Bis zum 6. April, montags geschlossen, So – Do 10 bis 18 Uhr, Fr & Sa bis 20 Uhr, Zeitfenster-Ticket empfohlen
Potsdamer Straße 50, 10785 Berlin
- Access Kafka
Jüdisches Museum, Altbau 1. OG
Bis zum 4. Mai, täglich von 10 – 18 Uhr
Lindenstraße 9 – 14, 10969 Berlin
- Böse Blumen
Sammlung Scharf Gerstenberg
Bis zum 4. Mai, montags & dienstags geschlossen, Mi – So 11 bis 18 Uhr
Schloßstraße 70, 14059 Berlin
- Fresh Window. Kunst & Schaufenster
Museum Tinguely
Bis zum 11. Mai, montags geschlossen. Di – So 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr
Paul-Sacher-Anlage 1, 4058 Basel
Mehr Infos zu den Standorten der „Fresh Windows“ in der Baseler City finden Sie hier.
- Eccentric
Pinakothek der Moderne
Bis zum 27. April, Montags geschlossen, täglich 10 – 18 Uhr donnerstags bis 20 Uhr
Barer Straße 40, 80333 München
- Philippe Parreno. Voices
Haus der Kunst
Bis zum 25. Mai, dienstags geschlossen. Mi – Mo 10 bis 20, donnerstags bis 22 Uhr
Prinzregentenstrasse 1, 80538 München