Paula Bosch und Tim Raue schreiben über deutsche Küche und deutschen Wein
Ich habe nichts gegen deutsche Küche, solange sie sich auf die südlichen zwei Bundesländer beschränkt. Denn dort liegen meine Wurzeln, im Land der Maultaschen, Spätzle, Zwetschgenknödel, Linsen, Kutteln, Schäufele und meines geliebten schwäbischen Kartoffelsalat. Aber ich bin nicht unbelehrbar und als im zarten Alter von sieben Jahren von Stuttgart nach Bremen Vertriebene kann ich einem Krabbencocktail aus echten Nordseekraben genauso wie einem Heringssalat oder auch guter roter Grütze inzwischen etwas abgewinnen.
Sehr schönes Koch- und Lesebuch. Paula Bosch stellt auf über 200 Seiten sehr ausführlich 100 deutsche Weingüter vor. Tim Raue ergänzt weitere 100 Seiten besondere Rezepte mit begleitenden Weinempfehlungen von Frau Bosch. Vom Krabbencoktail über Königsberger Klöpse bis zu Bienenstich tolle Inspirationen zum Kochen mit passendem Wein.
Mit deutschem Wein hingegen bin ich sozusagen geeicht worden. Denn bevor meine Großeltern zum jährlichen Besuch (man blieb vier Wochen, sonst lohnte die weite Reise vom Bodensee an die Nordsee nicht) mit dem Zug und vielen Koffern ankamen, kamen mehrere Kisten Wein per Post. Erst wenn diese Bremen erreicht hatten, setzte sich auch mein Großvater in Bewegung. Morgens ein Viertele, mittags ein Viertele und abends ein Viertele und ab und zu ein Schlückchen für die Enkelin. In den Kisten waren hauptsächlich Trollinger – dem Nationalgetränk der Württemberger, wie Paula Bosch schreibt – und mir gefiel dieser Name für Wein immer gut, denn auch mein Großvater wurde je mehr Viertele er trank immer „Trollinger“.
Die deutsche Küche hat sich sehr entwickelnd
Das Ganze ist 40 Jahre her und die deutsche Küche und ihre Weine – auch außerhalb Süddeutschlands – haben sich gewaltig entwickelt. Das ist spannend und daraus ein Buch zu machen eine tolle Idee, denn der deutsche Wein hat sich in den letzten Jahren seinen Weltruf als Spitzenprodukt auf sehr vielen Märkten gesichert. Umso erstaunlicher ist es, dass sich aktuell nur selten Autoren mit der naheliegenden Kombination deutscher Wein und deutsche Küche auseinander gesetzt haben. In diesem Buch widmet sich Paula Bosch, die bekannteste Sommelière des Landes, dem deutschen Wein und seiner Kombination mit der deutschen Küche. Der Zweisterne-Koch Tim Raue interpretiert dazu die deutschen Klassiker ganz neu.
Paula Bosch ist Deutschland bekannteste Sommelière
Paula Bosch ist Deutschlands bekannteste Sommelière. Ihre Kolumnen im SZ-Magazin machten sie einem großen Publikum bekannt, zahlreiche Buchprojekte, unter anderem in Kooperation mit Eckart Witzigmann, wurden zu Bestsellern. Sie war 20 Jahre lang Chef-Sommelière im Münchner Restaurant Tantris und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, u. a. Stiftung Brillat-Savarin Sommelière des Jahres 1984, Gault-Millau Sommelière des Jahres 1988 und 5 Star Award 2013 One of the Finest Sommeliers Worldwide. Sie beschreibt eine Vielzahl von außergewöhnlichen Winzern aus den 13 Weinregionen Deutschlands – solche, die sie seit vielen Jahren kennt und andere, die bemerkenswerte Newcomer sind. Sie stellt die für sie interessantesten Weine aus deren jüngsten Jahrgangs-Kollektionen vor. Ihre Texte sind humorvoll geschrieben, auch für angehende Wein-Liebhaber verständlich und beschreiben den Geschmack so gut, dass man den Wein förmlich schmecken kann.
Tim Raue – deutscher Sternekoch aus Berlin
Tim Raue wurde in Berlin-Kreuzberg geboren und wurde mit gerade 23 Jahren Küchenchef in einem der besten Berliner Restaurants. 1998 erhielt er vom Feinschmecker den Titel Aufsteiger des Jahres, der Gault-Millau kürte ihn 2007 zum Koch des Jahres.
Sein Restaurant Tim Raue besitzt zwei Michelin Sternen und 19,5 Gault&Millau Punkte und wurde mit dem Titel „Restaurant des Jahres 2019“ vom FEINSCHMECKER ausgezeichnet. Es belegt seit 2016 einen Platz auf der Liste der The World’s 50 Best Restaurants – aktuell mit Platz 40 ist es das einzige deutsche Restaurant in den Top 50.
Als kulinarischer Berater betreut er die Brasserie Colette Tim Raue in München, Konstanz und Berlin und seit neustem die Villa Kellermann in Potsdam.
Er hat für das Buch typische Gerichte kreiert, die Paula Bosch mit einzelnen Weinen kombiniert. Entstanden ist ein spannendes Wein- und Kochbuch, das Lust macht auf deutsche Küche – neu und leicht interpretiert und auf die Geschmackskomposition mit passenden Weinen.
Mich hat das Buch zu einem schwäbischen Abend inspiriert. Ich habe an meinem Geburtstag „schwäbisch“ gekocht und dazu passend Lemberger Wein serviert. Auch wenn ich an diesem Abend nicht nach den Rezepten von Herrn Raue gekocht habe, habe ich mir schon viele Gerichte herausgesucht, die ich sehr bald nachkochen möchte. An erster Stelle steht ein Berliner Klassiker schwäbisch interpretiert – wenn das nicht wie gemacht für mich ist 😉
Solei mit Kartoffelsalat
Raue schreibt über Solei:
Das Solei ist ein Berliner Klassiker der Eckkneipe, ich bin in Eckkneipen groß geworden, in denen auf dem Tresen ein Teller Buletten neben zwei Gläsern standen, eines mit sauren Spreewaldgurken und eines mit Soleeiern. Bei diesem Rezept haben wir einfach den schlottrigen Kartoffelsalat aus dem schwäbischen Süden mit dem kühlen Solei des Nordens verbunden.
Die Soleier sehen sehr künstlerisch aus, denn sie dürfen 3 Stunden in echtem Trollinger Wein baden und immer „trolliger“ dabei werden. Dazu serviert Raue einen Kartoffelsalat aus Bamberger Hörnchen (wunderbar für Kartoffelsalat) mit einem raffinierten Dressing aus Hühnerfond und Apfelsessig. Frau Bosch empfiehlt dazu einen Silvaner aus Rheinhessen.
Rezept für Solei nach Tim Raue
Ich werde noch viel in dem Buch schmökern und denke dieses Buch macht vielen Freude, die Lust haben auf die Erfahrung von einem bestimmten Wein mit einem bestimmten Essen. Paula Bosch schreibt:
Essen und Wein, genau betrachtet die Kombination von einem bestimmten Wein mit einem bestimmten Essen, sind ganz besondere Erfahrungen, Erkenntnisse und Abenteuer zugleich. Zu besonderen Erlebnissen werden alle diese Genussmomente erst in Gesellschaft, im Kreis von Freunden oder Gleichgesinnten, zu Hause oder im Restaurant, wo man zusammen probiert, was passt, und schmeckt, was nicht. Da gibt es Hochs und manchmal Tiefs mit weniger gelungenen Wein-Speisen-Kombinationen, und auch daraus lernt man.
Da hat Frau Bosch sehr recht. Wir haben diese Erfahrung im Extrem gemacht, als wir in Kopenhagen ein spannendes Menü im Sternerestaurant RELÆ aßen. Da wir am nächsten Tag arbeiten mussten, hatten wir nicht die korrespondierenden Weine dazu bestellt, sondern einfach den Wein der Vorspeise weitergetrunken. Unaufgefordert merkte dies der Koch und bestand darauf den korrespondierenden Wein zu servieren. Er hatte sooo Recht – die Kombination der Gerichte mit den Weinen war der wirkliche Genuss.
Was bleibt zu sagen – ich finde „Deutscher Wein – Deutsche Küche“ ist ein schönes Buch zum Schmökern, zum Kochen und zum Wein probieren. Und für mich ein Anlass endlich mal ein paar neu interpretierte deutsche Gerichte auch aus anderen Bundesländern zu probieren.
Sehr schönes Koch- und Lesebuch. Paula Bosch stellt auf über 200 Seiten sehr ausführlich 100 deutsche Weingüter vor. Tim Raue ergänzt weitere 100 Seiten besondere Rezepte mit begleitenden Weinempfehlungen von Frau Bosch. Vom Krabbencoktail über Königsberger Klöpse bis zu Bienenstich tolle Inspirationen zum Kochen mit passendem Wein.
*Vielen Dank an den Callwey-Verlag für das zur Verfügung gestellte Rezensions-Exemplar. Selbstverständlich basiert meine Besprechung allein auf meiner persönlichen Meinung.
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