Stadt-Fotografien, Naturbilder und ein Kunst-Klassiker

Von der Entdeckung der Langsamkeit mit Akinbode Akinbiyi im Gropius Bau, dem Einlassen auf die Natur bei herman de vries im Kolbe Museum, über poetische Spiegelungen von Franziska Stünkel bei Jarmuschek + Partner und den Klassiker Claude Monet im Museum Barberini.

written by Gastautorin Juliane Rohr 26. Februar 2020

Unsere Kunst-Highlights für den März in Berlin und Potsdam.

1. Akinbode Akinbiyi im Gropius Bau

2. herman de vries im Georg Kolbe Museu

3. Franziska Stünkel bei Jarmuschek + Partner

4. Monet: Orte im Museum Barberini

1. Akinbode Akinbiyi im Gropius Bau

Spaziergänge durch Metropolen

Langsam, fast bedächtig wandert er durch hektische, laute Megastädte und wird zu ihrem Chronist: Akinbode Akinbiyi zeigt das Leben im Alltag dieser chaotischen Orte. Kleine Details festgehalten in vielschichtigen schwarz-weiß Fotografien. Der Gartenzwerg hat ein schwarz angemaltes Gesicht, der Kaugummiautomat lockt mit gleich drei prall gefüllten Boxen, Ausschnitte von Plakatwänden wollen genau betrachtet werden und verlassene Liegestühle am Meer laden zum Träumen.

In Six Songs, Swirling Gracefully in the Taut Air im Gropius Bau lerne ich zu sehen, wie Akinbiyi beobachtet. Bewege mich mit seinen Augen über den Strand von Lagos oder durch das afrikanische Viertel in Berlin. Das Sein fasziniert Akinbode Akinbiyi und mit ihm erzählt er seine kleinen Geschichten, die ich weiterspinne.

Endlose Erzählungen im Gropius Bau

Feinfühlig sucht der 74jährige Fotograf nach den Konstanten in einer Welt, die sich immer ähnlicher wird. Mit seiner ruhigen Art und Behutsamkeit findet er die sozialen, verborgenen Strukturen, die im täglichen übersehen werden. Bei seinen Wanderungen durch Berlin, Johannesburg, Lagos oder Chicago legt er diese Gemeinsamkeiten auf Straßen, Marktplätzen oder am Strand frei. Seine Spiegelreflexkamera ist immer griffbereit – die Box, wie Akinbiyi sie liebevoll nennt.

Durch sie macht er die Spiritualität des Alltags sichtbar – oder zu mindestens Fragmente davon. Im letzten Raum der Ausstellung wird der Film I wonder as I wander von Emeka Okereke gezeigt. Hier kann jeder Akinbode Akinbiyi auf seinen Touren durch Berlin und Bamako begleiten und die Stadt als Bühne, für die man sich Zeit nehmen muss, begreifen.

Akinbode Akinbiyi – Schreiben mit Licht

1946 in Oxford als Sohn nigerianischer Studenten geboren, ist er in Lagos groß geworden. Zum Literatur-Studium ging er in den siebziger Jahren nach Heidelberg und ist in Deutschland geblieben, er lebt und arbeitet in Berlin. Der Künstler ist ein Wanderer zwischen den Welten, oder wie er sagt

Wanderer in den Welten.“

Eigentlich wollte Akinbiyi Schriftsteller werden, doch im Studium entwickelt er seine visuelle Grammatik, seine eigene Sprache und fing an „mit Licht zu schreiben“, wie er im Gropius Bau bei der Ausstellungseröffnung erzählt.

Seine Serien mit denen er Miniaturen der Realität abbildet wurden vor drei Jahren auf der documenta 14 gezeigt; seither gilt er in der Kunstszene als Star. Die Bilder sind in einer Sekunde aufgenommen, erzählen aber mehrschichtige Geschichten und Akinbiyi wünscht sich:

„Bleiben Sie mindestens eine Minute vor jedem Bild stehen,

bei 130 Fotografien sind Sie nach zwei Stunden 10 Minuten mit der Ausstellung fertig.“ Auf jeden Fall ist langsam gehen, hinschauen und genau „hinhören“, wie er es auch nennt, ein Tipp. Die Ruhe in den Bildern strahlt aus und erinnert mich beim Betrachten an Akinbiyi, der sagt:

Wir bewegen uns alle in der Zeit, um eigene Geschichten zu erzählen.“

2. herman de vries im Georg Kolbe Museum

Natur in Serie im Kolbe Museum

Wintergräser im Wind wehend in diesem einen, so flüchtigen Moment hinter Glas gebannt, Erdproben aus der ganzen Welt auf Papier zu abstrakten Farbfeldern zerrieben oder ein meditativ daherkommender Kreis mit Blättern und Stöckchen aus dem Steigerwald auf den Boden des Museums gelegt.

Alles das ist jetzt im Georg Kolbe Museum zu Gast mit herman de vries und how green ist he grass? Wie wunderbar an gräuslichen Wintertagen durch seine Welt zu spazieren, sich einzulassen auf diese Naturbetrachtungen. Minimalistisch mit den Materialien, die ihm die Natur geben, schafft er nachhallende Kunstwerke.

Das künstlerische Verhältnis zur Umwelt, seine Naturerfahrung ist das Nachhaltige in herman de vries Werk. Er arbeitet gerne in Serien, schafft Tabellen, ordnet zum Beispiel Blätter eines Kirschbaums nach Größe, Form, Farbe und Versehrtheit. de vries zerlegt ein 40 x 40 cm großes Wiesenstück in alle Teile und findet dabei 473 Pflanzen. Fragestellungen werden in seinen Arbeiten oft über Jahrzehnte festgehalten.

Der Steigerwald ist sein Atelier

Was bleibt übrig von uralten Bäumen?

36 vom Künstler gesammelte Eichenstümpfe zeigen es. Dabei legt de vries nur fest, dass die Wurzelstücke im Quadrat liegen sollen und wie groß dieses ist. Der Rest dann unbedingt, und ganz einfach nach dem Zufallsprinzip gelegt. Mit 88 Jahren ist herman de vries, der ausdrücklich darum bittet klein geschrieben zu werden, ein sehr wacher Beobachter.

Er wohnt seit 40 Jahren im Steigerwald, der auch sein Atelier ist. Aus der Natur, dem Wald mit Boden und Pflanzen schafft der niederländische Künstler seine Kunst. 2017 hat er den Pavillon seiner Heimat auf der Venedig Biennale gestaltet und deutlich gemacht, dass es in seinem Lebenswerk um mehr geht, als um einen vielzitierten Trend, den ökologischen Fußabdruck –  jenseits von allgegenwärtiger Klimakatastrophe und Fridays-for-future-Gelärme. Schon immer ist ihm die Gleichwertigkeit von Mensch und Natur auf Augenhöhe wichtig. herman de vries zeigt mit der Schau im Kolbe Museum, dass jeder das Gras unter seinen Füßen täglich neu entdecken sollte – sommers wie winters.

Erdausreibungen – hier ein kleiner Teil von insgesamt 9000 Arbeiten

3. Franziska Stünkel bei Jarmuschek + Partner

Eingefangene Gleichzeitigkeit

Noch mal Fotografie als Must-see-Tipp:

Bei Franziska Stünkel und ihrer zauberhaften Ausstellung Coexist geht es wie bei Akinbiyi um Momentaufnahmen in einer Metropole. Fassaden, Autos, Schiffe, Restaurants, Cafes, Lampen, schemenhafte Menschen – Szenen der Fülle, alles was gleichzeitig passiert und immer in einer Scheibe gespiegelt. Verschiedene Ebenen, das Innen im Gebäude und das Außen davor schieben sich bei der Künstlerin übereinander. So bildet sie die Gleichzeitigkeit, Koexistenzen und Vielfalt des alltäglichen Lebens ab.

Um diese Spiegelungen einzufangen geht die 47jährige seit 10 Jahren in Asien, Afrika, Europa, dem Mittelmeerraum, zuletzt in den USA, auf die Reise. Immer ist sie allein mit ihrer Kamera unterwegs – das hat auch ihr eigenes Bild vom Fremdsein, Frausein verändert, da sie in unterschiedlichsten Kulturen unterwegs ist. Sie selber ist im übrigen in den Fotografien nie zu sehen, bleibt unsichtbar.

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Poetische Spiegelungen

Kein einziges ihrer Bilder wird hinterher am Computer bearbeitet. Dieses Wissen macht die Werke noch faszinierender in einer bildübersättigten Welt, in der man nie weiß, was real abgebildet ist, was nicht. Es ist der eingefrorene Augenblick in einer Sekunde erfasst, dieser unverstellte Blick auf die Wirklichkeit, der die Künstlerin interessiert. Die Sehenswürdigkeiten der Städte bildet Franziska Stünkel nicht ab, es gibt auch keinen Hinweis, wo das Bild entstanden ist und doch kann ich anhand der Atmosphäre in diesen

einfach nur schönen Momentaufnahmen

erahnen, an welchem Ort diese Spiegelung entstanden ist.

Coexist von Franziska Stünkel ist ab Freitag den 28. Februar zwei Wochen lang bei Jarmuschek + Partner in den Mercator Höfen (Potsdamerstraße) zu sehen. Abstrakt, mal scharf, mal verschwommen,  mal laut, mal leise, immer poetisch –  unbedingt anschauen.

Ausstellungsansicht von coexist bei Jarmuschek + Partner

4. Monet: Orte im Museum Barberini

Traumhafte Bilderwelten

Geheimnisvolle Farbverläufe, träumerische Grundstimmung, flirrendes Licht über Städten, Landschaften oder immer wieder Seerosen im Teich. Idyllische Bilderwelten von … ?

Richtig, es kann nur Claude Monet (1840-1926) sein.

Der Maler wird im Museum Barberini in Potsdam gezeigt. Und einmal mehr ist das Barberini für Superlative gut, nach Gerhard Richter und Vincent Van Gogh, die ein volles Haus brachten, sind bis zum Juni auf drei Stockwerken über 100 sehenswerte Monets versammelt. So viele wie lange nicht mehr in Deutschland. Wieder ist dem erst drei Jahre alten Museum Barberini ein Coup gelungen, wieder wurde ein komplett neues Ausstellungsthema für einen großen Künstler gefunden: Orte.

Orte von Monet im Museum Barberini

London, Paris, Venedig, Giverny, Argenteuil, Landschaften an der Seine, dem Atlantik oder der Riviera – eigentlich kaum vorstellbar, dass die Bilder des Franzosen in dieser Kombination noch nie gezeigt wurden.  Der Ort war für Monet das wichtigste überhaupt, wie sich in Briefwechseln nachlesen lässt. Er bannte Atmosphäre, Tageszeiten, Wetter, die Landschaft auf seine Leinwand und natürlich das Licht –

so hell, so rosa, so blau,“ wie er schrieb.

Immer wieder reiste er an Orte, deren Gegebenheiten ihn herausforderten: die extrem sonnige Mittelmeer oder die eher stürmische Atlantikküste mit diffusem Licht. Hielt nach Aussichtspunkten und perfekten Sichtachsen für seine Bilderwelten Ausschau, malte sie dann im Freien.

Vorreiter für abstrakte Maler

Claude Monet hat seinen Stil verändert, stellte sich seiner Kunst immer wieder neu, das wird in der Ausstellung deutlich. Die Bilder treten nach dem Ort der Entstehung in den Dialog und nicht chronologisch. Vom ersten Bild, dass er 1858 als 16jähiger malt im Parc de Rouelles bei Le Havre bis zu den letzten Werken, die fast schon einem zoom-in gleichen. Hier erkennt der Besucher Monet als Wegbereiter der abstrakten Moderne.

Gerade bei seinen All-over-Seerosenbildern, die in seinem von ihm angelegten Wassergarten von Giverny entstanden, werden der lockere Pinselstrich und die expressiven Farben deutlich. Genau das machte der amerikanische Künstler Jackson Pollock (1912-1956) in seinen Werken später zu seiner Signatur.

Claude Monet arbeitete sich gerne an Serien ab – allein der Gartenteich in Giverny war wieder und wieder ein Motiv, zählt bis heute zu seinen bekanntesten Arbeiten und wurde zum Inbegriff der impressionistischen Malerei.

Der teuereste Monet bisher

Eine kleine Sensation noch zum Schluß: Museumsgründer Hasso Plattner hat im Dezember bei Sotheby‘s für 110,7 Mio Dollar ein Monet ersteigert. Getreideschober mit Sonnenuntergang 1890 auf die Leinwand gebracht ist das bisher teuerste, versteigerte Bild des französischen Malers. Seit 1945 wird das Werk jetzt in Potsdam das erste Mal wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. Künftig ist es ein wichtiger Teil der Plattner-Sammlung, die im Museum Barberini ab 4. September zu sehen sein wird – diese Sammlung ist die DNA des Museums, der Garant für weitere Superlative.

Infos:

Gropius Bau

Akinbode Akinbiyi

  • bis 17. Mai 2020
  • Mi bis Mo 10 bis 19 Uhr
  • Dienstags geschlossen

Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin

Georg Kolbe Museum

herman de vries – how green ist he grass?

  • bis 3. Mai 2020
  • täglich von 10 bis 18 Uhr

Sensburger Allee 25, 14055 Berlin

Jarmuschek + Partner

Franziska Stünkel – Coexist

  • bis 14. März 2020
  • Di bis Sa 11 – 18 Uhr

Potsdamerstraße 81a, 10785 Berlin

Im Kehrer-Verlag ist ein wunderbares Buch der Künstlerin erschienen

Coexist von Franziska Stünkel

Museum Barberini

Monet: Orte

  • bis 1. Juni 2020
  • Mi bis Mo 10 bis 19 Uhr
  • Dienstags geschlossen

Alter Markt, Humboldtstr: 5-6, 14467 Potsdam

 

 

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4 comments

Sophie Bader 28. Februar 2020 - 11:26

#total lesenswert ❣️

Reply
Juliane Rohr 28. Februar 2020 - 11:40

Danke sehr😘

Reply
Natali Borsi 7. April 2020 - 11:56

Bitte sehr 😉

Reply
Natali Borsi 7. April 2020 - 11:57

Danke!

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