Tel Aviv & die Kunst –
Meine Ergänzungen zu Natali´s kulinarischer Tel Aviv Reisereportage
Tel Aviv – the place to be
Eigentlich wollte ich über meinen Vier-Tagestrip in Tel Aviv und Jerusalem nicht schreiben. Einer der Gründe ist, dass es eine Geburtstagsreise mit meinen besten Freundinnen war. Nachdem ich inzwischen schon zum Xten-mal nach Highlights und dem Tel Aviv Museum of Art gefragt werde, Natalis kulinarische Tipps sowie Israel-Eindrücke gelesen habe, und meine Reise auch vier Wochen später noch nachhallt, ergänze ich jetzt gerne auf Wunsch von Natali meine Kulturtipps für Tel Aviv.
Denn …
… unbedingt, liebe Natali:
Diese Stadt schaut man sich schön!
Tel Aviv Museum of Art
Und wie schön ist es, eine Stadt mit dem Fahrrad zu erkunden. So radelten wir entlang kleiner, grüner Einkaufs- und Wohnstraßen über prächtige Boulevards zum Kunstmuseum von Tel Aviv – das Museum of Art. Das beherbergt nicht nur israelische Kunst und große Werke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, es hat zudem eine besondere Geschichte.
Vom Privathaus zum Museum – Tel Aviv – das Museum of Art
Die Keimzelle des Museum of Art war das Privathaus des Bürgermeisters am Rothschild Boulevard von Tel Aviv, Meir Dizengoff. 1932 eröffnete er dort drei Räume als Kunstmuseum. Durchaus mit guten Bildern bestückt, wie der „Jude mit Tora“ von Marc Chagall – von einer musealen Sammlung allerdings weit entfernt.
Als der Berliner Kunsthistoriker Karl Schwarz bereits 1933 die Museumsleitung übernahm, schrieb er kurzer Hand jüdische Sammler an und bat um Kunstwerke. Schwarz holte so einen Großteil der Sammlung von Erich Goeritz nach Tel Aviv. Dieser wollte so seine gesammelte Kunst vor den unruhigen Zeiten in Europa schützen. Bis heute zählen seine Objekte zu den Glanzstücken des Museums, darunter Skulpturen von Edgar Degas und Ernst Barlach oder Gemälde von Max Liebermann.
Rettungsanker für Sammlungen – das Tel Aviv Museum of Art
Schwarz legte mit seinen Bettelbriefen erfolgreich den Grundstock für eine prächtige Sammlung. Im zweiten Weltkrieg wurde es immer schwieriger für jüdische Sammler Kunstwerke nach Tel Aviv und damit in Sicherheit zu bringen. Schwarz blieb noch bis 1947 blieb Museumsleiter , die schwierigen Zeiten hatten ihn mürbe gemacht. Peggy Guggenheim spendete dem Museum 1950 gleich 36 hochkarätige Werke aus ihrer Sammlung.
Einfach große Kunst
Das Museum of Art wurde mehrfach erweitert und umgebaut. 1971 zog es schließlich an seinen jetzigen Standort. Architekt Dan Eytan, kreierte einen brutalistischen Bau, dessen Eingangsbereich eher die Anmutung eines Kernreaktor hat. Allerdings hebt ein riesiges Wandgemälde von Roy Lichtenstein dieses Gefühl auf und holt uns direkt aus der monumentalen Architektur in bezaubernde Kunst zurück.
Staunen über Staunen
Hochkarätige Kunst aus privaten, internationalen Sammlungen ist hier versammelt. Da hängt ein Renoir, dort ein Porträt von Picasso oder Van Gogh, daneben Werke von Franz Marc, Mark Rothko, hier Skulpturen von Jean Arp oben drüber ein Mobile von Calder an der Decke. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr raus.
Francis Bacon, Jackson Pollock – eine schier endlose Liste der feinsten Namen aus dem Kunst-who-is-who.
Sehenswert – Kunst wie Architektur.
Ein faszinierendes Gebäude – Tel Aviv Museum of Art
Stichwort Architektur. Es ist schon erstaunlich, wie wenig beeindruckende Bauten in dieser vibrierenden Stadt zu sehen sind. Um so spektakulärer wirkt der neueste Museumsanbau: Das Herta und Paul Amir Gebäude. 2011 eröffnet vom amerikanischen Architekten Preston Scott Cohen gebaut. Was für ein tolles Gebäude und diese glatt geputzte Fassade. Es wirkt wie ein riesiger, prächtiger, aber farbloser Edelstein. Oder ein Raumschiff. Vielleicht doch eher wie ein gedrehter, überdimensionierter Zauberwürfel – nur eben in weiß. Egal. Auf der Rückseite ist der Neubau in seiner Schlichtheit eine Hommage an die Bauhaus-Häuser Tel Avivs.
Überraschende Sichtachsen
Im Innen fühlten wir uns an Bauten von Zaha Hadid erinnert. Überall schmale Fensterbänder und in den drei Stockwerken öffnen sich immer wieder überraschende Sichtachsen. Lauframpen und Treppenhäuser sind geschickt verteilt. Wer nicht aufpasst, kann sich verlaufen. Die temporären Ausstellungen in diesem Bau sind allein schon wegen dieser Architektur ein Muss..
Israelische Kunst vom Feinsten
Da wir keine Zeit hatten in Galerien israelische Künstler zu entdecken, hat es mich um so mehr gefreut, im Tel Aviv Museum of Art einen sorgfältig ausgesuchten Querschnitt aktueller Israelischer Kunst zu finden. In der Ausstellung „The Museum presents itself III“ bekam ich einen wunderbaren Überblick über israelische Kunst der letzten 70 Jahre. Schließlich war das in den vergangenen Jahrzehnten einer der Schwerpunkte des Museums. Viele der gezeigten Kunstwerke beziehen sich auf die Geschichte oder besonderes Kunsthandwerk Israels. Informativ und bestens kuratiert war der Besuch im Tel Aviv Museum of Art mein absolutes Reise-Highlight.
Bleibende to do’s im Tel Aviv Museum of Art
Mit Blick auf den seit 1999 eröffneten Skulpturengarten sitzt man übrigens stylish – im von Natali erwähnten und offenbar hochgelobten – Restaurant Pastel. Da wir vormittags im Tel Aviv Museum of Art waren, konnten wir leider nur Kaffee trinken und nicht lunchen. Das bleibt also auf der to-do-Liste. Ebenso wie der zum Museum dazugehörige Helena Rubinstein Pavillon, der sich fussläufig vom Museum am Tarsat Boulevard befindet.
Bauhaus-Erbe im Aufbruch
Tel Aviv – die weiße Stadt. Naja, um ehrlich zu sein, irgendwas zwischen weiß und schmutziger Sandfarbe. 1909 gegründet und 1925 mit einer Einwohnerzahl von 30 000 vom schottischen Stadtplaner Patrick Geddes für bis zu 100 000 Menschen konzipiert. Damals als neue Schlaf- und Gartenstadt für Juden, die in der benachbarten Hafenstadt Jaffa arbeiteten. Geddes Ideen enthielten großzügige Boulevards zum Einkaufen, ein ausgeklügeltes Einbahnstraßensystem, viel Grün – einem Kreislauf gleich und sehr zukunftsweisend für den Auf- und Ausbau Tel Avivs.
Unesco-Weltkulturerbe
Von den 30er Jahren bis zur Staatsgründung Israels 1948 entstanden rund 4000 Häuser im Bauhaus-Stil. Ihre Architekten waren Juden aus Europa, die bei Bauhaus-Stars wie Walter Gropius oder Le Corbusier gelernt hatten, und vor den Nazis in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina geflüchtet waren. Dieser Kern der Stadt wurde 2003 zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt.
Allen Widerständen zum Trotz
Die Nähe zum Mittelmeer, ständiger Wind und hohe Luftfeuchtigkeit machen den Bauten seit Jahrzehnten zu schaffen. Mehr als die Hälfte der Bauhaus-Häuser muss renoviert werden. Auch hemmungslose Bauwut und gierige Investoren fordern ihren Tribut. Überall wird gewerkelt, gebaut – die Stadt scheint an allen Ecken im Aufbruch zu sein, sich wieder neu zu erfinden und ist rund um die Uhr in Bewegung. Wo also zuerst hin?
Inside-Guide
Ich hatte das große Glück mit einer Insiderin unterwegs zu sein. Meine Berliner Freundin ist seit ihrer Kindheit regelmäßig in der Stadt, da sie dort Familie hat. Sie hat uns Freundinnen ihr ganz persönliches Tel Aviv, ihre zweite Heimat gezeigt und ihr Innerstes geteilt. So haben wir drei Frauen, die noch nie zuvor Israel besucht hatten, einen sehr gefilterten und gezielten Eindruck von dieser pulsierenden Stadt bekommen.
Info über Infos
Unzählige Tel Aviv-Blogs, Kunstartikel über das dortige Bauhaus, die aufstrebende Galerien-Szene hatte ich vor dem Kurztrip gelesen. Was wollte ich nicht alles sehen? Ganz oben stand das Tel Aviv Museum of Art, das als eines der besten Museen der Welt gilt. Ich sah mich endlos Fotos von weißen Häusern mit halbrunden Balkonen vor blauem Himmel machen. Das vom Theaterarchitekten Oskar Kaufmann entworfene Habima-Theater suchen. Schließlich hat er auch die Volksbühne in Berlin gebaut.
So viele Highlights – so wenig Zeit
Zwei volle Tage plus zwei halbe Reisetage sollten nicht ausreichen, um die Bauhaus- und Kunstliste abzuarbeiten. Zudem ein kompletter Tag in Jerusalem geplant war. Denn wer, der in Eretz Israel ist, will sie nicht sehen, die Heilige Stadt? Die Geburtsstätte der drei abrahamitischen Religionen (Juden-, Christentum und Islam) mit Klagemauer, Grabeskirche und Felsendom. Facettenreich, ein irrer Schmelztiegel und aufregend sind nicht nur Jerusalem und Tel Aviv, sondern auch Israel. Und selbst eine so kurze Reise stimmt nachhaltig nachdenklich.
Für mich eine neue Art des Reisens
Der unschlagbare Vorteil Innenansichten zu bekommen, hat mich erstmals in meinem Leben dazu verführt, keinen Reiseführer mit Stadtplan und Geschichtsanrissen zu kaufen, geschweige denn einen mitzunehmen. Die Stadt zu erspüren durch die Augen eines anderen – was für ein Experiment. Meine arty-wishlist habe ich noch vor dem Abflug bis auf das Tel Aviv Museum of Art auf Null runter gestrichen und es einfach genossen, mich von meiner Freundin führen zu lassen.
Und es war herrlich: der erste lunch in Tel Aviv am Strand im Lala-Land – überhaupt das Essen – die Radtour entlang am Mittelmeer nach Jaffa, der Spaziergang durch Neve Tzedek, die Sonnenuntergänge auf der Dachterrasse des Carlton Hotels oder am Gordon Beach, Shopping und Frühstück auf der Dizengoff Street, unser Besuch in Jerusalem und, und, und.
Freundliches Tel Aviv
Überrascht hat meine Freundin übrigens, wie freundlich die meisten zu uns waren. Kennt sie den Ton in Tel Aviv doch eher tougher ist. Was Natali ja auch so empfand. Ich glaube, dass das daran lag, dass meine Freundin hebräisch spricht und damit den sehr bestimmten Eindruck des „Ich-kenne-mich-hier-aus“ machte. Meine Freundin hingegen glaubt, dass das daran lag, dass wir eindeutig Touristinnen und keine locals waren. Wie auch immer.
Und noch ein Museum
In Jaffa haben wir übrigens das private Museum der israelischen Künstlerin Ilana Goor besucht. Sie lebt auch in dem ehemaligen Hospiz aus dem 18. Jahrhundert, wir haben sie leider nicht angetroffen. Über 500 gesammelte Werke, Kunst und Designobjekte der Autodidaktin, aber auch die befreundeter Künstler wie Anselm Kiefer sind zu sehen.
Das Privathaus von Ilana Goor
Es macht Spaß den wahnwitzigen Kunstdschungel zu durchstreifen. Die Kunst mag nicht jedem gefallen, aber das Interior, die gemütliche Bibliothek, die Küche mit Blick auf Mittelmeer und der Skulpturengarten auf der Dachterrasse sind definitiv den Besuch wert.
Jaffa – Du Schöne?
Anders als für Natali war Jaffa, was übersetzt „schön“ heißt, nicht so Meins. Schön, ja, aber mir persönlich ist die Jahrhunderte alte Hafenstadt zu durch renoviert, fast schon zu idyllisch-pittoresk. Eigentlich artifiziell, daher weniger authentisch und irgendwie aufgesetzt. Ich mag die Gegensätze in der weißen Stadt Tel Aviv sehr – besonders die Schönheit, die es zu erschauen gilt. Und ich werde sicher wieder kommen. Allein schon um die Galerienszene zu erkunden und mich auf die Spuren der Bauhaus-Schüler zu begeben. Am besten reisen Natali und ich gemeinsam und ergänzen diesen Blog um wertvolle Tipps.
INFOTEIL plus zwei Restaurant-Empfehlungen:
Wir waren übrigens am ersten Abend im Café Europa auf dem Rothschild Boulevard essen. Abgesehen davon, dass es einer der hippen Plätze in Tel Aviv ist und man auf ausschließlich schöne Menschen trifft: Das Essen mit israelischer Note ist sehr gut. Wir saßen herrlich in einem zum Boulevard hin geöffneten Innenhof unter einem riesigen Baum. Nach dem Essen haben wir mit Blick auf den Innenhof im ersten Stock bei Cocktails den nächsten Tag geplant.
Der Besuch im Kitchen Market am Hafen war vom Essen her gesehen mein Highlight. Dort haben wir fantastisch gegessen. Alles was auf den Tisch kam, ob langsam gegartes Lamm, frischester Fisch oder das Sous-vide Huhn mit köstlich-überraschend gewürzten Gemüse war hervorragend. Im ersten Stock, über der Markthalle, hat man zudem einen tollen Blick auf das nächtliche Meer. Immer wieder gerne!
Natali´s Tel Aviv Reisereportage mit vielen Tipps zum Essen & Schlafen findet ihr hier:
Sderot Sha‘ul HaMelech 27, Tel Aviv-Yafo
Öffnungszeiten:
- Montag, Mittwoch, Samstag 10 bis 18 Uhr
- Dienstag und Donnerstag bis 21 Uhr
- Freitag 10 bis 14 Uhr
- Sonntags geschlossen
Mazal Dagim St. 4, Tel-Aviv-Yafo
Öffnungszeiten:
- Freitag 10 bis 16 Uhr ebenso Sonntag bis Donnerstag
- Samstag 10 bis 18 Uhr
Wer mehr über das Bauhaus in Tel Aviv erfahren möchte, dem empfehle ich das Bauhaus Center in der Dizengoff St 77 zu besuchen. Dort kann man auch Touren buchen.
Über Juliane Rohr:
Nach Werbeakademie und Politikstudium in München hat sie ihre journalistische Ausbildung bei verschiedenen Tages- und Wochenzeitungen (Münchner Merkur, Die Zeit) absolviert. Dann als Redakteurin bei Münchner Merkur und Gala geschrieben. Seit der Geburt ihrer beiden Söhne war sie frei schreibend u.a. für Zeitschriften wie Shape und Hörzu oder Unternehmen wie Swarowski und die Literaturinitiative Berlin tätig. Im Moment arbeitet die 49jährige an ihrem ersten Buch. Sie ist seit Jahrzehnten in der Kunstszene unterwegs – teilt ihr Wissen gerne mit Freunden und Kochen. Kunst und Ketchup-Blogbesuchern und auf Instagram bei jr.artynotes.