Fremde überall! 60. Kunst-Biennale in Venedig

Fremde überall ! ist das spannende Motto der Kunst-Biennale in Venedig. Endlich melden wir uns nach ungewöhnlich langer Pause zurück mit der Besprechung der 60. Ausgabe der wichtigen Kunstschau. Mit dabei auch Tipps für die tollen Kollaterale. Venedig ist im Herbst besonders schön! Alles ist bis Ende November zu sehen, zu erleben und regt das Denken garantiert an.

written by Gastautorin Juliane Rohr 29. August 2024

1. Giardini & Arsenale

Wimmelbild

Krachend bunt kommt der sonst weiß strahlende Hauptpavillon der Biennale in diesem Jahr daher. Weithin sichtbar: Papageie, Fische, Schildkröten und jede Menge Pflanzen. Sie wimmeln und wuseln zur 60. Biennale-Ausgabe über das gesamte Gebäude. Ein Krokodil dient Menschen als Brücke. Sie tragen volle Erntekörbe nach Hause. Ob das gut ausgeht? Alligatorbrücke heißt das Werk des brasilianischen Kollektivs Mahku. Damit bin ich schon mittendrin in dieser sehr farbreichen, immersiven, geruchsintensiven, schönen, aber auch politischen Kunstschau.

Der Kopf des Krokodils versteckt sich hinter dem hübschen Baum.

Plattform für Outsider

Das Wandgemälde soll die Trennung zwischen Ländern und Völkern zeigen. Die Arbeit verweist plakativ auf den Schwerpunkt, den der brasilianische Kurator Adriano Pedrosa für seine Schau gesetzt hat: Kunst aus dem globalen Süden, von indigenen Völkern und „Outsidern“.

Er will KünstlerInnen eine Plattform geben, die noch nie bei der Venedig Biennale zu Gast waren und sie damit in die westliche Kunstgeschichte einschreiben.

Stranieri Ovunque. Strangers Everywhere

ist das Motto der Superkunstschau. Es stammt von Claire Fontaine, einem italienischen Künstlerkollektiv. Der Schriftzug leuchtet als hübsches Neon in unzähligen Übersetzungen überall beim Biennalemarathon auf. Das sieht so verdammt gut aus und ist nicht nur bei trüben Wetter erhellend.

Besonders schön leuchten Claire Fontaines Neons am Ende des Arsenales.

Ein bisschen Geschichte

Noch einmal zurück zum Zentralen Hauptpavillon. Der war schließlich das erste Gebäude auf dem Giardini-Gelände und wurde am 30. April 1895 eröffnet. Zehn Jahre lang stellten in diesem neo-klassistischem Bau internationale Künstler ihre Werke zur Biennale aus.

Erst dann kamen die nationalen Pavillons hinzu und formten die Biennale so wie sie heute ist. Inzwischen gibt es 88 nationale Pavillons, einige sind auch in der Stadt verteilt. Man kann sie ohne ein Ticket besuchen.

Immer wieder arbeiten sich KünstlerInnen an diesem ersten Gebäude ab. Himmelblau eingefärbt wurde er 2009, als John Baldessari ihn zum Ozean mit Himmel mitsamt zwei Palmen transformierte. 2022 hatten dank Cosima von Bonin Plastikhaie, Muscheln und anderes Meeresgetier mit Surfbrettern, Schaukeln und Äxten ihren Spaß. Und wir den unseren!

Kleiner Throwback zu Cosima von Bonn 2022

Die Hauptausstellung

Das Motto Fremde überall kommt philosophisch daher und kann gut diskutiert werden.

Sind wir nicht auch Fremde in Venedig?

Pedrosa geht es, wie erwähnt, um queer, indigen, Außenseiter etc. Gleichzeitig trifft der Titel der 60. Biennale ins Mark. In der Hauptausstellung begegnet einem wenig Bekanntes. Zwischendurch hatte ich das Gefühl mich wie in einem Dschungel von Kunstwerk zu Kunstwerk zu hangeln.

Wie gut, dass es Guides gibt, die man fragen kann, wo welches Kunstwerk hängt.

Thematische Trennung

Gerade in den sogenannten Nucleo Storico (historischen Kern) hängen mir persönlich zu viele Bilder neben- und übereinander. Sie stammen von oft nicht mehr lebenden Künstlerinnen und Künstlern.

Dazu kommt dann der der Nucleo Contemporaneo (zeitgenössische Kern). Pedrosa versammelt hier Werke aus Lateinamerika, Afrika, Asien und dem Nahen Osten. Er will so die Kunst aus dem globalen Süden im globalen Kontext und in ihrer Vielschichtigkeit zeigen. Nur ist irgendwie kein Kontext mit europäischen Werken zu entdecken. So verpufft die Idee.

Mit Glück findet man Frida Kahlo, Domenico Gnoli oder Anna Maria Maiolino. Die italienische Bildhauerin wurde übrigens gemeinsam mit Nil Yalter für ihr Lebenswerk mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet.

Wo versteckt sich steckt denn nun die Frida Kahlo?

Schau genau

Zwischendurch ist es wohltuend, sich mit einigen Werken  breit gefächerter zu beschäftigen. Sprich es gibt mehr als nut eine Malerei oder Skulptur.

Da ist beispielsweise der in Pakistan geborene Maler Samlan Toor. Seine eindrücklichen Bilder finde ich am Ende des Arsenale. Toor zeigt auf seinen in grün gehaltenen Malereien fiktive, intime aber auch brutale Szenen aus dem Leben junger, queerer Männer.

Weniger wäre mehr…

Beeindruckend auch der Raum für Abstraktion in den Giardini, in dem sich durch unerwartete Gegenüberstellungen kraftvolle Dialoge auftun. Oder im Arsenale ein Raum, der sich der italienischen Künstlerdiaspora widmet.

Manchmal schlendere ich langsam, manchmal schnell. Ein anderes Mal verharre ich in lange in Räumen und vor besonderen Werken.

331 Künstlerinnen, Künstler und Kollektive hat Pedrosa in seine bombastische Schau integriert. Und damit hat er seine Vorgängerin, Cecilia Alemani übetroffen. Sie zeigte in ihrer Biennale Ausgabe The Milk of Dreams „nur“ 231 Teilnehmende.

Insgesamt bleibt zu wenig hängen im Kopf, der irgendwann einfach in den Kann-nicht-mehr-Modus stellt. Und warum gibt es kaum Videoarbeiten? Arbeiten die KünstlerInnen im globalen Süden wirklich nicht mit neuen Technologien, KI, Gaming etcpp-?

Da entstehen neue Leerstellen. Vor allem aber: Weniger wäre mehr gewesen, so hallt nur selten ein Kunstwerk nach. Wie schade.

Viele einzelne Kunstwerke – hier der Raum mit den italienischen KünstlerInnen, die ins Exil gingennund dort weiter arbeiteten.

2. Pavillons – Unsere Highlights

  • Deutschland – Thresholds

In dem deutschen Beitrag begegnen sich Zukunft und Vergangenheit und auf der Insel La Certosa kommt die Gegenwart hinzu. Regisseur Ersan Mondtag hat den Zugang zum Pavillon mit einem riesigen Erdhaufen verschüttet. In die unterschiedlichen Erlebnisräume gelangen wir nur durch einen kleinen Seiteneingang. Dort schwebt einem gleich das von Yael Bartana geschaffene Raumschiff entgegen.

  

Zukunft trifft Vergangenheit

Ein Raum weiter verabschieden sich auf einer riesigen Leinwand mystische Wesen von der Erde. Neben ihrer Science-Fiction-Vision hat Mondtag eine dreigeschossige Zeitmaschine gebaut. Staub wabert durch die Luft und mischt sich mit Chorgesängen.

Ich werde in das Deutschland der 60er Jahre zurückgebeamt.

Mondtag erzählt die berührende Geschichte seines Großvaters. Als türkischer Gastarbeiter schuftete er in einer deutschen Asbestfabrik. Er kam aus Anatolien, baute das Land nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf und starb an den tödlichen Fasern. Dem muslimischen Beerdigungsritual wohnen Natali und ich auf der dritten Ebene des begehbaren Monuments bei.

Eine Performance zeigt das Leben der anatolischen Familie in Berlin. Leider gab es die Aufführung nur in den ersten Biennaletagen.

Dystopie oder Utopie?

Bartana hingegen entwirft eine auf die Zukunft gerichtete Erlösungsvision in Anlehnung an die jüdische Kabbala-Lehre. Ihre Videoarbeit Farewell zeigt eine Gruppe Menschen mit Tiermasken ekstatisch in einer Waldlichtung tanzen, die die Ankunft des im Nebenraum installierten, Raumschiffs und damit die kollektive Heilung erwarten. Im letzten Raum erleben wir, bequem liegend, wie Bartana sich das Leben in ihrer Utopie vorstellt.

Hörerlebnis auf La Certosa

In der wilden Natur der Insel La Certosa wartet mit Soundarbeiten von Michael Akstaller, Robert Lippok, Nicole L’Huillier und Jan St. Werner die Gegenwart.

Der Ausflug soll sich lohnen, leider haben wir das aufgrund von Dauerregen nicht geschafft. Soll aber toll sein!

Alles in allem ist Thresholds eine sinnliche Erfahrung. Die KünstlerInnen haben sich dem Thema Schwelle, oder genauer Migration, sehr unterschiedlich genähert.

Ab in die Zukunft! La Certosa fiel bei uns wegen Dauerregen aus, dafür tauchten wir tief in Bartanas Sci-fi-Vision einer besseren Welt.

  • Frankreich – Julien Creuzet

Attila-Katarakt, Quelle am Fusse der grünen Gipfel am Ende im großen blauen Abflussmeer ertranken wir in den Fluttränen des Modes.

So der etwas sperrige Titel der immersiven Installation von Julien Creuzet. Der erste afro-karibische Künstler, der Frankreich auf der Biennale vertritt, hat ein wundersames Labyrinth geschaffen.

Gleite ich durch den Ozean, durch versunkene Unterwasserwelten oder einfach durch ein phantastisches Kunstwerk?

Fröhlich & friedlich

Digitale Wesen bevölkern seine Videoarbeiten, davor hängt ein bunter Mix aus Drahtobjekten, die mit Garnen und Stoffen umwickelt sind. Aus einem Bronzebecken strömt herrlicher Lavendelduft.

Allegegnwärtig ist ein Gesang, der bezaubert. Es ist der Künstler selbst. Fröhlich und poetisch erinnert Creuzet an die Kolonialzeit und hofft auf eine friedliche Zukunft. Ein Erlebnis für alle Sinne, verbunden mit der Mystik spiritueller Erzählungen.

Ja, unser Besuch Ende April in den Giardini war sehr verregnet. Aber dadurch war es auch sehr, sehr leer.

  • Ägypten – Wael Shawky

Ein märchenhaftes Opus in acht Akten hat der international bekannte Künstler Wael Shawka im Ägyptischen Pavillon geschaffen.  Drama 1882 heißt das von ihm inszenierte choreografiertes und komponiertes Musiktheater. Das Thema vom ägyptischen Oberst Ahmed Urabi und seiner Armee angeführte Revolution (1879-82).

Die Jahreszahl im Titel, 1882, markiert das Jahr, in dem der Aufstand von den Briten als Kolonialmacht niedergeschlagen wurde. Sie behielten Ägypten anschließend bis 1956 besetzt.

Kritischer Kommentar

Das Werk wird von professionellen Darstellern in klassischem Arabisch gesungen und ist mit englischen Untertiteln versehen. Eindrucksvoll lässt Shawky die Sänger in Szenen, die wie Gemälde wirken, agieren.

So zieht er alles ins Märchenhafte

und stellt den Wahrheitsgeahlt jeglicher Geschichtsschreibung in Frage. Shwakys kritischer Kommentar schwingt in jeder Zeile und in jedem Bild mit. Sehr gelungen.

Zum Film gesellt sich Shawkys Kunst

  • Australien – Archie Moore

Für seinen Beitrag, der eines der Hauptthemen der diesjährigen Biennale aufnimmt, wurde Archie Moore in diesem Jahr mit dem Goldenen Löwen für den besten Pavillon ausgezeichnet. Er ist der zweite indigene Künstler, der Australien, vertritt.

Zwei Monate lang zeichnete er auf schwarze gefärbte Wände und die Decke des Pavillons seinen Stammbaum. Der unglaubliche 65.000 Jahre und 2.400 Generationen umfasst. Dafür recherchierte Moore in Stammes-Tagebüchern, auf Karten und in unendlichen Archiven.

Von me ausgehend wabert der Stammbaum durch den Raum.

Ohne Vorwissen schwierig

Dort wo Informationen fehlten, blieben die Kästchen leer.

Sie stehen auch für die Lücken in der Geschichte,

infolge jahrhundertelanger Verfolgung und Unterdrückung. So sind auch die Stapel an Papieren, die in der Mitte des Pavillons platziert sind, zum Teil gerichtsmedizinische und behördliche Dokumente zu Untersuchungsberichten ungeklärter Todesfälle von Aborigines in staatlicher Obhut.

Muss man alles wissen, um den ziemlich schwarz-weißen Pavillon zu begreifen.

Und sonst so?

Es gibt viel zu entdecken:

erstaunliche, tiefgründige,farbenfohe, befreiende, subversive, abgedrehte, unbequeme

Pavillone. Der Gang in jeden einzelne lohnt. Was auf den ersten Blick nicht so gefällt, kann nach eigenem Gusto geskippt werden.

Es wartet genug anderes – nur Mut. Sich in Kunst zu vertiefen, hilft garantiert das Grau im Alltag zu vergessen.

Drei kleine Anmerkungen:

Der isarelische Pavillon bleibt geschlossen. Soldaten stehen, davor, die Video-Arbeit von Ruth Patir ist durch die Scheiben zu sehen. Bis es zu einem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas kommt und die am 7. Oktober 2023 genommen Geiseln frei sind, soll hier keine Kunst gezeigt werden.

Anders bespielt

In Polen darf das ukrainische Kollektiv Open Group eine Art Kriegs-Karaoke zeigen. Der ursprünglich geplante Beitrag mit Werken eines PiS-nahen Künstlers wurde nach dem Regierungswechsel abgesagt.

Und dann ist da noch der russische Pavillon. Mit Beginn des Ukraine Krieges im Februar 2022 sagten die damaligen Kuratoren ihre Teilnahme für Russland bei der Biennale ab und das grüne Gebäude blieb geschlossen.

Dieses Mal stellt Russland seinen Pavillon Bolivien zur Verfügung.

Ach, was uns über den vielen Regen gerettet hat?

Pausen mit Pasta, Cicchetti und der ein oder andere Campari, Cinzano oder was auch immer … gepaart mit dieser einzigartig zauberhaften Kulisse, die Geschichte atmet.

Kein Besuch ohne Aperitif & Cicchetti in der Ostaria al Ponte

Epilog

Ob die Biennale die Welt verändert, erklärt oder die Kunstgeschichte umzuschreibt, wie es Adriana Pedrosa als Ziel hatte, möchte ich in Frage stellen. Aber die gezeigte Kunst kann neue Perspektiven und Denkräume öffnen, drängende gesellschaftliche Fragen und Probleme aufzeigen. Die emotioanle Begenung mit Kunst, das immersive Erleben wie beispielsweise im deutschen Pavillon regt

zum Weiterdenken und Diskutieren an.

Im übrigen ist Venedig immer eine Reise wert. Ganz gleich, ob mit oder ohne Biennalebesuch.

Natali, lass uns doch bitte gleich nochmal fahren. Eigentlich war das Ding mit dem schlechten Wetter  nicht so schlimm, oder?! Und ein bisschen blauen Himmel hatten wir ab und an auch.

3. Und die Kollaterale!

Es gibt in diesem Jahr 30 offizielle Kollaterale.

Hier unsere Top Vier.

Theoretisch kann man auch nur diese anderen Ausstellungen jenseits der Giardini und dem Arsenale besuchen – und ja, man könnte die Biennale einfach auslassen.

Berlinde de Bruyckere – Abazzia die San Giorgio Maggiore

Für mich immer eines der Highlights in Venedig, schon die Fahrt zur von Palladio gebauten Basilika San Giorgio Maggiore macht mich glücklich.

Der Blick über die Lagune hinüber zum Markusplatz, raus aus dem Touristengewühle, ist einmalig und bezaubernd. Ein Foto davon mit Sonnenuntergang ist seit Jahren mein Bildschirmschoner-Bild.

Doch zurück zum Thema. Immer wieder treten Künstler mit dem fantastischen Renaissancebau in den Dialog. In diesem Jahr die belgische Künstlerin Berlinde de Bruyckere.

Fragile Wesen

Mit ihrer Ausstellung City of Refugee III verbindet die Bildhauerin klug Architektur, Symbolik und Geschichte der Kirche.  Sie setzt drei Erzengel ins Kirchenschiff, lässt dabei den Blick auf den Altar frei. Neben der goldschimmernden Kugel meint man sogar die rechts und links befindlichen Arbeiten von Tintoretto zu sehen.

Überall sind gekippte Spiegel, die raffiniert den Raum einfangen.

Die riesigen auf massiven Podesten stehenden Werke von de Bruyckere wirken zugleich zerbrechlich. Kopf und Oberkörper sind mit schweren Tüchern oder Lumpen verhüllt, die Gliedmaßen wirken geschunden.

Man ahnt, wie hoffnungslos ihr Dasein ist.

Berührend

Die Zusammenstellung der Materialien wie rostigem Altmetall und Holz erinnern an Arbeiten von Anselm Kiefer. Mit ihren Arbeiten möchte de Bruyckere die Menschen berühren. Geschafft! Mich hat der Besuch sehr beeindruckt.

Und sollte ich es im Herbst nochmal nach Venedig schaffen, der Besuch hier ist fest eingeplant.

Mehr von Berlinde de Bruyckere befindet sich in der Sakristei, dem Chorgestühl und im Kloster. Teilweise sind auch Werke aus den vergangenen 15 Jahren zu sehen. Nicht verpassen.

Hach, der Tintoretto, alleine deshalb lohnt sich der Besuch in der Basilika jedes mal aufs Neue.

Pierre Huyghes – Punta della Dogana

Der erste Raum ist finster. Um genau zu sein: sehr, sehr finster.

Verunsichert bleibe ich stehen, meine Augen müssen sich erstmal an die Dunkelheit gewöhnen. Langsam erkenne ich auf einer riesigen Leinwand eine Frau. Ihre Bewegungen passen nicht zu ihrem vermeintlichen Alter.

Seltsam, ihre Bewegungen passen scheinbar zu meinen.

KI in der Kunst

Linimal ist der Titel der Ausstellung des französischen Künstlers Pierre Huyghes, das Wesen ist die Verkörperung einer nichtmenschlichen Intelligenz. Alle Filme die neu für die Schau entstanden,

sind KI gesteuert.

Sensoren in den Räumen, durch die ich mich mit zunehmender Sicherheit bewege, sammeln Informationen über die Besucher und werden unmerklich in die laufende Präsentation integriert.

Rätselhaft schön

Man hat ein bisschen das Gefühl immer wieder neue Schwellen zu überqueren. Mit wechselnden Perspektiven nähere ich mich einer neuen Realität, einer fremden und stelle die menschliche Sicht in Frage.

Rätselhaft, schön und spannend. Bitte Zeit einplanen.

Julie Mehretu – Palazzo Grassi

In völlig andere Bildwelten taucht das Publikum bei Ensemble im Palazzo Grassi. Explodierende Farbwirbel von Julie Mehretu wirken auf den ersten Blick sehr ästhetisch, dabei sind ihre Themen alles andere als fluffig und leicht zugänglich.

Zukunftsangst, Migration, Konsumkritik

oder die Black-Lives-Matter Bewegung behandelt Julie Mehretu in ihren großformatigen Malereien ebenso wie den arabischen Frühling oder den Syrienkrieg.

Schicht um Schicht

Als queere, in Äthiopien geborene Frau setzt sie Zeichen, die im Kopf bleiben. Das Chaos der Welt setzt sie in Abstraktion und Graffitikunst um. Wer genau hinschaut findet Referenzen an Kandinski, Pollock oder Twombly.

Es lohnt sich den Film im Zwischengeschoss anzuschauen.

Dort sieht man, wie die in New York lebende Künstlerin, Schicht um Schicht auf ihre Werke aufträgt. So bearbeitet sie beispielsweise ein ikonisches Foto vom Tahirplatz in Kairo und lädt es anders auf.

Kunst-Kollaborateurin

Auf den zwei Stockwerken des historischen Gebäudes gesellen sich Weggefährten, wie ihre ehemalige Lebensgefährtin Jessica Rankin, mit Arbeiten hinzu.

So tritt ihre Malerei in den Dialog mit anderen Bildern, Skulpturen, aber auch Poesie, Musik und Filmen. Kollaborationen sind ihr wichtig – nicht nur mit FreundInnen.

Politisch mit jedem Strich

In einer New Yorker Investmentbank hat sie das Foyer mit einem riesigen Wandgemälde bestückt. Das Thema des hochkomplexen Bildes: Was Banken in der globalen Wirtschaft anrichten.

Zuletzt hat sie ein BMW-ART-Car bemalt, nicht ohne einen zweijährigen Workshop quer durch Afrika zu initiieren. Aber das ist eine andere Geschichte.

Ein unbedingt lohnender Besuch (wir empfehlen das Kombi-Ticket mit der Punta della Dogana).

Christoph Büchel – Fondazione Prada

„Ausverkauf bei Prada. Totalliquidation! Das Museum macht dicht.“ Ach, nein, „Die bauen um, renovieren, sind temporär woanders hingezogen.“ Das sind nur einige der Gerüchte die Fondazione Prada betreffend. Das waberte durch die Kunstszene zum Auftakt der Biennale.

Büchel verlegte die Eröffnung sogar um einen Tag, so sahen nicht alle extra Angereisten die Schau.

Angeheizt wurde die Gerüchteküche durch entsprechende Plakate an der Fassade. Bestens sichtbar vom Canale Grande aus.

Wie, die Fondazione Prada wird verkauft? Alles Teil von Büchels Kunst.

Spektakulär

Fakt ist mit Monte Pietà hat der Schweizer Künstler Christoph Büchel die spektakulärste Schau seit langem hingelegt.

Und die ist nicht frei von Ironie und Humor,

denn die fragile Stadt ist dem Untergang geweiht und daher noch attraktiver. Alles, was hier gezeigt wird, egal wie wertig, wurde teuer und mühsam per Boot transportiert. Was muss das gekostet haben?

Büchel hat den barocken Palazzo Ca’ Corner zudem in House of Diamonds: Queen of Pawns umbenannt.

Christoph Büchel ließ in der Pandemie alle in seiner Galerie gelagerten Werke zu Diamanten verarbeiten. Vielleicht wird die Installation in der Fondazione Prada auch bald in dem Koffer liegen…

Bankrottes Leihhaus

Er verwandelt die Fondazione in ein bankrottes Pfandhaus aus dem alles rausgeschmissen werden muss. Kleidung, Hausrat, Elektroschrott, das Gebäude selbst – alles steht (angeblich) zum Verkauf.

Dazwischen findet sich allerlei Kunst: Warhol, Beuys, aber auch ein Koffer, in dem sich zu Diamanten gepresste Büchel-Werke, befinden. Hat was von einer Schnitzeljagd, denn eine Liste der Werke gibt es nicht.

Immer wieder erwischt man sich bei dem Gedanken, ob das nun echt ist oder doch fake.

Achtung – diverse Kunstwerke sind hier versteckt!

Böse, böse

Büchel ist ein Meister der Installationen, die den Finger in die Wunde legen. Sein Mix aus Bank- und Leihhaus, Pokerstube, Nachtclub und Kapelle spiegelt sowohl die Finanz- und Handelsgeschichte Venedigs und zugleich die aktuellen zusammenhänge von Reichtum, Verschuldung, Krieg, Kolonialisierung und Kultur.

Geld, Gier, Macht sind Teil der Gesellschaft damals wie heute.

Wer mag kann die Schau auch als Kritik auf die Kommerzialisierung des Kunstsystems lesen. Ein Erlebnis!

INFOS

Die Biennale läuft noch bis zum 24. November, ebenso die hier besprochenen Kollaterale.

Alles zur Biennale bitte hier entlang

Alle Kollaterale sind hier verlinkt

Alles zu Milk of Dreams im Jahr 2022 ist im Blog online

Unsere Restaurant-Tipps:

Trattoria Da Fiore (San Marco)

Eines unserer Favoriten, wir waren hier wieder und es ist immer noch gut.

Estro (Dorsoduro)

Klassisch, traditionell, venezianisch mit einem Twist. Unkompliziert und ganz cool im Ambiente einer Weinbar sitzen, essen und sich über die viele Kunst freuen.  Sehr empfehlenswert aber unbedingt reservieren!

Impronta – wir waren sehr angetan. Reservierung empfohlen.

Zum Aperitif Cicchette Essen gegessen. Ganz toll, z.B. hier:

Il Cantinone „GIA SCHIAVI“  (Dorsoduro)

oder das Al Squero, ein paar Häuser weiter auch in Dorsoduro am gleichen kleinen Kanal.

Köstlich war es auch in der Ostaria al Ponte siehe ein paar Fotos weiter oben.

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