Schön – ein Buch nur über Mütter & Töchter!
Mir ist dieses Buch in die Hände gefallen und ich lese immer wieder gerne darin. Vor allem dann, wenn ich Sehnsucht nach meiner Mutter habe, die zwar nur 4 Autostunden entfernt, aber trotzdem für den schnellen Kaffee zwischendurch viel zu weit entfernt wohnt. Ich hatte nicht vor, dieses Buch hier zu besprechen, denn streng genommen ist es auf den ersten Blick schwierig diesen Titel in meine Rubrik „Kulinarische Bücher“ einzuordnen. Aber natürlich findet sich am Ende immer ein kulinarischer Aspekt und hier einer, der mich sehr berührt. Aber dazu später.
Mütter & Töchter – wie wir wohnen und was uns verbindet
Die Idee hinter dem Buch ist so einfach wie spannend. Die Idee der „Mutter“ als erstes Zuhause als Grundelement des Lebens und ihren Einfluss auf ihre Kinder haben die Autorinnen Stefanie von Wietersheim und Claudia von Boch interessiert. Sie schreiben in Ihrem Vorwort:
…Wohnungen und Häuser sind Behausungen, sie geben Sicherheit, Stabilität, sind Ausdruck eines Lebensgefühls, bieten unseren Träumen ein Dach – etwas ganz Elementares. Und damit sind wir wieder bei der Idee der Mutter als Zuhause, als Grundelement des Lebens. Wenn es um das Haus geht, und den Einfluss der Mutter darin, gibt es viele Fragen und Antworten, die faszinieren. Was sagt unser Zuhause über uns als Menschen, als Angehörige einer Sippe, einer Kleinfamilie, einer Gesellschaftsschicht? Wie beeinflusst die Berufswahl das Zuhause? Kann man Stil lernen? Wie wird er weitergegeben? Wie tradieren sich Geschmack und die Vorstellung dessen, was als schön gilt? All das sieht man, wenn man Häuser genau betrachtet. Und wenn man parallel sowohl Häuser von Müttern als auch von Töchtern ansieht, kann man bemerkenswerte Parallelen, versteckte Zitate oder radikale Brüche erkennen.
Sich diesem spannenden Thema angenähert haben die Autorinnen über Interviews und wunderbare Fotografien der Wohnungen und Häuser sowohl der Mütter als auch ihrer Töchter. So entstanden 10 intime Porträts von Müttern und Töchtern unterschiedlichster Herkunft und Hintergründe.
Prominente Mütter – prominente Töchter und wie sie wohnen
Natürlich sind alle Protagonisten mehr oder weniger prominent und wohnen alle sehr fotogen – das macht das Buch auch zu einem voyeristischen Augenschmaus, denn man blickt in die Häuser dieser Frauen und das macht wirklich Spaß:
- Melissa Gräfin von Faber-Castell & Maria Eliyesil
- Florine Asch & Henriette Asch
- Josephine Gaede & Bettina Gaede
- Astrid Prinzessin von Liechtenstein & Ingrid Kohl
- Susanne Botschen & Christina Botschen
- Äbtissin Reinhild Freifrau von der Goltz & Felicitas Runge
- Désirée Nosbusch & Rosetta Nosbusch
- Charlotte Knobloch & Sonia Knobloch-Jacobovitz
- Christina Seilern & Louisa Seilern-Werthern
- Nike Wagner & Louise Wagner
Ich kannte nicht alle Namen und habe erstmal zu den mir bekannten Frauen geblättert. Aber letztlich spielt das auch überhaupt keine Rolle, denn egal ob prominent, erfolgreich oder nicht, am Ende sind wir alle Töchter und manche von uns auch Mütter und man liest mit Spannung wieviel Emotion und Tiefe in diesem Thema liegt.
Spannende Portraits mit kultureller und konfessioneller Vielfalt
Mein einziger Kritikpunkt am Buch ist, dass hier nur „prominente“ etablierte Frauen zu Wort kommen. Andererseits kann ich die Autorinnen auch verstehen, denn wir alle blättern ganz gerne mal in der GALA und der BUNTEN. Die Autorinnen begründen ihre Auswahl so:
Stellvertretend für alle … Paare erscheinen zehn Mütter und Töchter, die eine gewisse kulturelle und konfessionelle Vielfalt widerspiegeln sollen: die jüdische Mamme Charlotte Knobloch mit ihrer Tochter Sonia in Tel Aviv; die italienische Mamma Rosetta, Mutter der Schauspielerin Desirée Notbusch; die protestantische Äbtissin Reinhild Freifrau von der Goetz und ihre von familiärem Pioniergeist geprägte Tochter Felicias; die in einer moslemischen Familie in Istanbul lebende südamerikanische Mutter Maria Adelaide Eliyesil, deren Tochter Melissa Gräfin von Faber-Castell in Deutschland ähnliche Integrationsprozesse durchwandert wie ihre Mutter 30 Jahre zuvor; die beiden Pariserinnen Florine und Henriette Asch, die aus einem jüdischen Straßburger Bankhaus stammen; die Festspielintendantin Nike Wagner und Tochter Luise, Tänzerin und Choreografin, die über ihre berühmten Vorfahrinnen aus dem Wagner-Clan nachdenken; die Modeunternehmerin Susanne Bottichen, deren Tochter Christina den Unternehmergeist der Mutter besitzt, aber bewusst die Nachfolge in ihrer Firma ausschlug; …..
…. und mehr wird hier und jetzt noch nicht verraten 😉
Denn alle Interviews sind spannend zu lesen und sehr schön fotografiert. Der Fotografin Claudia von Boch ist es gelungen, die Räume der Mütter und Töchter in ausdrucksstarken Bildern festzuhalten.
Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich viele Lebenswege sich entwicklen und wie sehr sich in den Gesprächen zeigt, in welchem Umbruch wir derzeit leben und wie sehr sich das Frauenbild und Selbstverständnis von Frauen ständig weiter verändert.
Beim Lesen kam ich selbst mehrfach ins Grübeln, wohin unsere Gesellschaft gerade steuert und vor allem wie die zunehmende Berufstätigkeit der heutigen Mütter die nächsten Mütter & Töchter Generationen verändern wird. Das gleiche Buch in 20 Jahren veröffentlicht wird sicherlich ganz anders und sehr spannend zu lesen sein. Die Diskussion darüber, was die Berufstätigkeit der heutigen Mütter mit sich bringt an Chancen und Problemen hat längst begonnen und so werden auch in den Interviews folgende spannende Fragen diskutiert:
Sind arbeitende Mütter der Gipfel der Freiheit?
oder …
Ist die Mutterrolle im Gegensatz zum Arbeitsleben nicht eine große Freiheit, ein Schlupfloch ein Plan B – oder eine zusätzliche Last?“
Das Buch gibt bewusst keine Antwort, sondern zeigt, es gibt eine Vielfalt von Lebensmodellen. Dabei wird nicht gewertet, sondern allein zum Nachdenken angeregt.
Mein Zuhause – Unsere Rituale:
Gemeinsam Kochen und Essen spielt eine zentrale Rolle
Am Ende jedes Portraits beantworten Mütter und Töchter getrennt die gleichen Fragen. Mich hat nicht gewundert, das bei der Frage „Mein Zuhause duftet nach“ und „Unsere gemeinsamen Rituale sind“ ganz viele Antworten der Töchter wie folgt lauteten:
„Mein Zuhause duftet nach“:
- Florine Asch: „Blumen und köstlichem Essen“
- Josephine Gasse: “ … meist nach köstlichen Speisen, denn meine Eltern kochen beide sehr gut.“
„Unsere gemeinsamen Rituale sind:“
- Christine Bottichen: „Das Wichtigste sind die gemeinsamen Mahlzeiten. Wir haben immer zuhause Abend gegessen. Bis heute. Bei uns war es undenkbar, dass jeder mit einem Teller in seinem Zimmer verschwindet. …“
- Felicias Runge: „Teetrinken am Nachmittag und dabei ausführlich zu erzählen. …“
- Desirée Nosbosch: „Morgens zusammensitzen und Kaffee trinken. Kochen.Essen. Einfach alles was mit Zusammensitzen, Kochen und Essen zu tun hat!“
- Sonia Jacobovitz: „… gemeinsame Abendessen ….“
Und manche Mütter antworten auf die Frage „Zentraler Ort meines Zuhauses ist“:
- Susanne Bottichen: „…schwierig. Die Küche? Ja. Warum, weiß ich nicht. Aber das ist immer schon so gewesen. Da duftet es.“
- Rosetta Nosbusch: „Die Küche. Am besten mit einem Fernseher“.
Über die Antwort von Rosetta Nosbusch musste ich sehr lachen, denn auch mein zentraler Ort war viele Jahre die Küche und immer mit Fernseher. Inzwischen hat sich mein zentraler Ort etwas verlagert – mehr und mehr Zeit verbringe ich in meinem Arbeitszimmer, aber ich liebe meine Küche und ich würde sagen, alle wichtigen Themen werden noch immer in der Küche besprochen. Genau so bin auch ich groß geworden. Auf dem Küchenhocker sitzend habe ich meiner Mutter beim Kochen zugesehen und dabei wurden alle wichtigen und unwichtigen Themen des Lebens besprochen und ganz nebenbei habe ich wunderbar Kochen gelernt. In diesem Blog gibt es aus diesem Grund meine Küchenhocker Reportagen. Wenn niemand mit mir in der Küche ist, leistet mir mein Fernseher Gesellschaft. Auch wenn es zunehmend schwieriger wird, alle Familienangehörigen zeitgleich an einen Tisch zu bekommen, versuchen wir immer mindestens einmal am Tag gemeinsam – meist abends – zu essen. Dafür wird gekocht und dieses Ritual liebt nicht nur meine Tochter, sondern auch mein Sohn.
Ich hoffe, dass – egal wie sehr sich unser traditionelles Mutter-Bild verändern mag – diese wunderbaren Traditionen bleiben und wertgeschätzt werden. Denn was ist ein Zuhause, wenn es niemand pflegt? Egal wer, Mann oder Frau, aber die Entwicklung dahin, dass alle nur noch arbeiten und abends Fastfood in die Mikrowelle schieben oder den Lieferservice anrufen, finde ich zutiefst traurig. Ich saß kürzlich als Jurymitglied bei einem Dreh für eine Kochsendung mit vielen Köchen zusammen, die unter anderem Kochkurse geben. Sie sind erschüttert wie wenig, bis gar nichts junge Menschen vom Kochen wissen. Über die Fähigkeit ein Spiegelei zu braten, geht dies meist nicht hinaus und auch die meisten Gemüsesorten werden nicht mehr gekannt.
Ein Zuhause, das duftet und Rituale die die Seele wärmen
Und wonach duftet mein Zuhause? Immer nach wunderbarem Essen, denn meine Mutter ist die beste Köchin der Welt, die tollste Mama die Welt und wenn ich könnte würde ich immer noch jeden Tag mindestens einmal auf dem Küchenhocker in der Küche meiner Eltern sitzen und schöne Gespräche führen. Bald wieder ;-)!
Viel Spaß beim selber Lesen und / oder Verschenken an die liebe Mama 😉
Kleiner Nachtrag zu den Macherinnen des Buches – ein gutes Team:
Die Autorin
Stefanie von Wietersheim studierte in Passau und Tours Kulturwirtschaft und arbeitete nach einem Zeitungsvolontariat als freie Autorin in München, Paris und Toulouse. Die Journalistin reist für Zeitschriften und Buchprojekte, u.a. für „Frauen und ihre Refugien“, „Vom Glück mit Büchern zu leben“ (beide erschienen im Callwey Verlag), durch Europa, und schreibt über Interieurs, Design, Gärten und Mode. Sie lebt mit ihrer Familie auf dem Land in Niedersachsen
Die Fotografin
Claudia von Boch ist als freie Fotografin für Buchprojekte („Frauen und ihre Refugien“, „Vom Glück mit Büchern zu leben“) und Magazine tätig. Sie fotografiert Gärten, Interiors und Reiseberichte. Mit ihrer Tochter lebt sie bei Frankfurt am Main.
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