Mit der Berlin Art Week in den Kunstherbst

Endlich! Es ist Herbst und die Kunstszene in Berlin hat im Sommer aufgetankt: Fünf Tage bringt die 14. Berlin Art Week eine wunderbaren Kunst-Overload.  Zwischen Museen, Galerien und Projekträumen kann man sich grandios verlieren. Doch keine Sorge: Das meiste bleibt Wochenlang – hier unsere Touren-Highlights.

written by Gastautorin Juliane Rohr 11. September 2025

1. Tour Festival Treffpunkt – Hamburger Bahnhof

BAW-Festival-Garten

Die Fakten: 100 Partner*innen laden vom 10. bis 14. September zum Kunstmarathon ein. Da kann man schon mal vom Weg abkommen. Alles ist nicht zu schaffen! Vieles bleibt länger, also bitte ganz entspannt bleiben.

Der Festivaltreffpunkt Nummer eins ist wie immer der BAW-Garten. Dieses Mal ist der am Hamburger Bahnhof Nationalgalerie der Gegenwart – hier können Besucher*innen Workshops mitmachen. Es gibt Filmscreenings, Talks, Performances und etwas zu essen. Man kann sich informieren, den Tag ausklingen lassen, ins Gespräch kommen oder einfach nur die Atmosphäre genießen.

Petrit Halilaj. An Opera out of Time

WOW! Nicht verpassen. Petrit Halilaj hat letzten Sommer auf dem Dach des New Yorker Momas Menschen mit einer Strichmännchenartigen-Installation bezaubert. Er lässt riesige Kirschblüten erblühen und jetzt hat im Hamburger Bahnhof eine sehr besondere Welt geschaffen.

Räume, die für ihn Freiheit, Sehnsucht, Intimität und Identität darstellen. Gemeinsam mit der Kosovo-Philharmonie, die vor 25 Jahren am Ende des Kosovo-Krieges entstand, hat er eine Oper geschaffen, die im Mittelpunkt der großen Solo-Show steht.

2. Positions – Tempelhof

Zum zwölften Mal hebt die Kunstmesse Positions auf dem Flughafen Tempelhof ab. Dieses Mal etwas verkleinert mit 75 internationalen Galerien. Der Fokus liegt in diesem Jahr auf Japan und Osteuropa. Es wird spannend, weil es so bestimmt viel Neues zu entdecken gibt.

Die Positions ist die Messe, die die unterschiedlichen Möglichkeiten zu sammeln und Kunst zu kaufen unterstreicht. Im Hangar 7 ist wunderbar Platz für die vielfältige Kunst – von Malerei, Zeichnungen, Collagen und Skulptur bis zu Video und Fotografie.

Nach einem besonderen Outfit schaue ich bei der Fashion Positions. Danach gönne ich mir eine Pause -mit einem Kaffee, Bier oder Snack und dem Blick auf das legendäre Flugfeld ist der Besuch perfekt.

3. Wilhelm-Hallen

YES TO ALL

Neben der Positions, dem BAW-Garten sowie den Privatensammlungen (bitte im Programm nach Discovering Collections! suchen) sind die Wilhelm-Hallen auch so ein Ort, der in diesen wenigen Tagen besucht werden sollte.

Über allem schwebt in Leuchtbuchstaben so was wie ein Motto: YES TO ALL.  Der Satz ist die Antwort der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury auf Kommerz und Konsum.

Zum 6. Mal laden Investor und Kunstsammler Philipp Solf sowie Omer Arbel, Besitzer des Lampenunternehmens Bocci, in die ehemalige Eisengießerei, die 1902 erbaut wurde. „Hallen 06“ heißt das Ausstellungsformat, was sich als Festival versteht und nicht als Messe. Kunst kaufen kann man trotzdem und natürlich Kunst genießen.

Der Ausflug nach Reinickendorf ist ebenso vergnüglich wie denkanstoßend. Galerien wie office impart, Haverkampf Leistenschneider, Russi Kleiner, Chert Lüdde, Klemm’s oder Kristin Hjellegjerde sind dabei.

Videoinstallationen, Performance, Malerei und große Skulpturen finden sich verteilt über das stetig wachsende und sich verändernde Gelände.

Die Art Collection Telekom bespielt mit osteuropäischen Künstlerinnen aus ihrer Sammlung eine Halle. Teile der Mercedes Benz Kunstsammlung sind ebenfalls in den Hallen zu finden.

Achtung nur bis zum 14. September und  – bis auf Montags und Dienstags – täglich von 11 -20 Uhr geöffnet. (Eintritt € 14.- / 8.-) Kopenhagener Strasse 60-72.

Und wer mag kann in der Kantine Ferro Canteen bei Chickensandwich, Falafel und allerlei Kaltgetränken über Kunst diskutieren.

4. Tour Off-Ku’damm

Ich starte in der Kienzle Foundation (Bleibtreustraße 54) dort tauche ich in das Werk des Künstlers Michael Venezia, der in diesem Jahr im Alter von 89 Jahren gestorben ist. Venezia war ein Meister der Abstraktion, reduziert in der Bildsprache und tauschte als einer erster die Sprühpistole gegen den Pinsel. Die Schau hat Sammler Jochen Kienzle gemeinsam mit dem Galeristen Max Goelitz kuratiert.

Weiter geht es zu  SOCIÉTÉ offsite (Bleibtreustraße 20), wo die vietnamesische Künstlerin Anh Trần neue abstrakte Gemälde mit herrlichen leuchtenden Farben zeigt. In der Wielandstraße 26 kollaboriert die Galerie mit Hauser& Wirth unter dem Titel „State of Being“.

Der Galerist Robert Grunenberg in der Kantstraße 147 ist in diesem Jahr für den VBKI-Preis nominiert. Ich drücke die Daumen und schaue definitiv, was er zur Art Week welche Positionen ausstellt.

Spiegelein, Spieglein

Immer ein Highlight sind die Galerien rund um den Fasanenplatz und in der Fasanenstraße.

Meine besondere Empfehlung gilt dieses Mal Edgar Arceneaux bei 68projects. Vor einigen Wochen habe ich den in LA-lebenden Multimedia Künstler in seinem Artist-in-Residence-Studio hier in Berlin besuchen dürfen. In schweißtreibender Arbeit kratzt er die Metallschicht von Spiegeln ab und überträgt sie auf rohe Leinwände.

Es bleiben Flächen, in denen sich keiner mehr spiegeln kann. Und die Frage, was bleibt von uns, wenn der Spiegel nicht mehr das Bild wiedergibt?

Bewusst setzt er dazu rot-violett-Töne ein. Farben, die an Blut erinnern. Im Moment treibt ihn die rassistisch motivierte Polizeigewalt um. Arceneaux interessiert sich mit für Themen rund um Identität und um soziale Brüche.

Am Freitag ist um 19 Uhr eine Performance mit Arceneaux und seine Arbeitsweise zu erleben.

5. Potsdamer Straße

Die Mercatorhöfe sind der ideale Ort um die Gallery Night am Donnerstag ab 18 Uhr zu beginnen. In diesem Jahr werde ich sogar  bis um 22 Uhr durch die Galerieräume hoppen können. Es sollte also genug Zeit bleiben, das ein oder andere vertiefende Gespräch zu führen. Hetzler zeigt Bildhauer Hans Josephson im Dialog mit Abstraktionen von Günther Förg.

Nebenan bei Galerie Judin freue ich mich auf ein Wiedersehen mit den neuen Leuchtkästen-Arbeiten von Philipp Führhofer. Der Titel seiner Schau „Idyll und Apokalypse“ könnte den Nerv der Zeit nicht besser treffen.

Und die im Mai eröffnete doppelte Galerie Tankstelle belegt dieses Mal der Partner von Judin, nämlich Pace mit Adam Pendleton. Der Konzeptkünstler spielt gerne mit Worten, was ich sehr mag

Licht aus, Licht an

Mein Highlight ist dieses Mal in der St. Matthäuskirche versteckt. Obwohl die Ausstellung „Licht aus Licht an“ noch im Aufbau war, als ich einen kleinen „sneak peek“, kann ich sie wärmstens empfehlen. Zu sehen sind 20 Werke von Künstler*innen wie Isa Melsheimer (Keramik) , Ju Young Kim (Skulptur) oder Kristina Nagel. Letztere hat das Altarbild gestaltet. Das korrespondiert mit seinem Falten und Zwischenräumen herrlich mit dem Schmerzensmann von 1500 aus der Riemenschneiderschule.

Es gibt verschiedene poetische Bilder von Norbert Schwontowski zu sehen. Der zu früh verstorbene Maler ist dank eines Zitates der Titelgeber der Schau. Der Kuratorin Anna-Catharina Gebbers geht es um die Übergänge, die Zwischenräume und Episoden des Wartens, der Reflexion sowie der Veränderung. Kurz es geht um unsere ruinöse Zeit.

Fortschreitender Kliamwandel, andauernde Kriege, wachsende Autokratien lassen uns mehr und mehr in Ohnmacht erstarren. Wir können die Situation nicht beeinflussen. Was bleibt ist Ertragen, Warten… und uns an guter, Kopf öffnender Kunst erfreuen.

6. Unter den Linden

Hier locken mich gleich drei kunstsinnige Orte: Ich starte in der Nähe des Brandenburger Tors mit dem Projektraum der Schering Stiftung (Unter den Linden 32). Das Duo kennedy+swan hat sich in einer einjährigen Künstlerresidenz mit KI in der Medizin beschäftigt.

Maschinen werden inzwischen darauf trainiert, menschliches Gewebe mit einem künstlichen medizinischen Blick zu erkennen, zu klassifizieren und potenzielle Krankheiten zu diagnostizieren. Dabei stellen sie grundlegende Fragen aus individueller und kollektiver Perspektive: Was bedeutet es, den Körper für algorithmische Systeme zu öffnen?

Danach geht es ans Ende (oder den Anfang, da Unter den Linden 5) der Prachtmeile ins Palais Populaire zu Charmaine Poh. Unter dem Titel „Make a travel deep of your inside, and don’t forget me to take“ gibt es neue Installationen, Video- und Performancearbeiten. Sie setzt sich mit Identität und Machtstrukturen, Feminismus und Queerness in Südostasien auseinander.

Gleich dahinter im Schinkel Pavillon warten neue Malereien von Issy Wood. Die 32jährige Britin ist so was wie ein Superstar – wer die Bilder gesehen hat, weiß warum. „Magic Bullet“ ist der Titel der Ausstellung – nicht verpassen.

7. Leipziger Straße

In des Universum von Mark Leckey tauche ich in den kommenden Monaten bestimmt noch öfter ein. Vom Keller bis zum Dach gibt es Filme, Skulpturen, Plakate und, und, und. Leckey gewann 2008 den renommierten Turner-Prize . In der Schau „Enter Thru Medial Sounds“ geht es darum wie zeitgenössische Medien unsere Wahrnehmung, Erinnerung und unser Begehren verändern und formen.

In der Galerie Klemm’s (Leipziger Straße 57/58 – der Eingang liegt hinter dem Gebäude!) gleich nebenan freue ich mich auf eine raumgreifende Installation der Künstlerin Elizabeth Jagger.

Nicht vergessen: ein paar Häuser weiter ist die Galerie Sweetwater angesiedelt, und der Projektraum Scherben will lesbische Kunst sichtbarer machen. Interessant!

8.  Mitte

Die Galerie Max Goelitz (Rudi-Dutschke-Straße 26) zeigt Natacha Donzé, deren Werk ich schon lange verfolge. Mit Airbrush schafft die Schweizerin Bildwelten, die konzeptual aus Gedankenfragmenten, gefundenem Bildmaterial und Symbolen wachsen. Intuitiv verknüpft sie auf ihren Leinwänden Muster und Farben, die sich auf Architektur und Wissenschaft, Sakrales und unternehmerische Bildsprache beziehen.

So entstehen Werke, die die Spannung zwischen realen Strukturen und Emotionen ausloten. Bezaubernd schön, leuchtend und vielschichtig.

In der Nähe unbedingt zu Carlier Gebauer, Barbara Thumm und Soy Capitan vorbeischauen. Die Galerie Buchmann zeigt Bettina Pousttchi und neue Werke aus Keramik, Stahl und auf Leinwand.

In der Christinenstraße 18 -19 in der Dependance am Pfefferberg empfehle ich neugeriemschneider mit dem Singapur stammenden Ho Tzo Nyen. Er zeigt zwei audiovisuelle Installationen, die in den Geschichten, Mythologien, politischen Impulsen und Widersprüchen verwurzelt sind, die seit langem im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen.

9. Neukölln & 10. Moabit

Die Galerie Ebensperger zeigt in ihrem Hauptstandort, dem Fichtebunker (Fichtestraße 6) die amerikanische Tänzerin Meg Stuart. In den kleinen Räumen kommen ihre intensiven Videoarbeiten besonders zur Geltung. In der sogenannten Kapelle (Waldstraße 52, Moabit) gibt es immersive Welten von Aarhus Aksakal zu sehen. Tolle Orte,  tolle Kunst.

Gleich ums Eck gibt es noch mehr spannende zeitgenössische Positionen bei office impart und in der Galerie Alexander Levy. Beide sind ebenfalls in Moabit angesiedelt und unbedingt empfehlenswert.

Doch zurück nach Neukölln. In der Passage am Hermannplatz gibt es einen kleinen feinen Ausstellungsraum im U-Bahnhof Hermannplatz. Dort inszeniert Kurator Sebastian Hoffmann den Maler und Objektkünstler Gerd Rohling mit “ Ercolano Underground“. Da schaue ich definitiv vorbei.

Der LAS ist dieses Mal im ehemaligen Kaufhaus in der Anzengruberstraße 25 / 2. Stock zu finden. CANK, der Name des neuen Veranstaltungsort, auf dem Programm steht die eine Auftragsarbeit von Christelle Oyiri. Identität und Resilienz werden von ihr zukunftsorientiert beleuchtet.

Alle INFOS zur Berlin Art Week bitte hier

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