13. Berlin Art Week im Check

Der Sommer ist auf dem Sprung nach Anderswo. Wie gut, dass die Berliner Art Week jetzt gute Laune macht. Vom 12. bis 15. September gibt es in der Hauptstadt in Sachen Kunst sehr, sehr viel zu erleben. Museen, Galerien, eine Messe, Privatsammlungen, ein Garten und viele mehr tun sich zusammen. Hier unser Tourguide für den smarten Weg durch das Art-Week-Labyrinth.

written by Gastautorin Juliane Rohr 10. September 2024

Berlin Art Week – Intro

Eigentlich wollte ich dieses Jahre keinen Blog-guide für die Berlin Art Week schreiben. Der Hauptgrund ist mangelnde Zeit. Mittlerweile bin ich allerdings gefühlt 1238 Mal nach Tipps gefragt worden und seit dem vergangenen Wochenende voller Begeisterung auf den Spuren der Kunst unterwegs, dass ich mich entschieden habe, doch noch einen schnellen Überblick zu liefern.

Quick & dirty sozusagen.

Berlin Art Week – Let’s go

Zur 13. Ausgabe laden die Kulturprojekte Berlin mit 100 PartnerInnen aus der zeitgenössischen Kunst zu diesem besonderen Art-Week-Festival ein. Museen, Ausstellungshäuser, Privatsammlungen, Projekträume, eine Messe, zahllose Galerien und der BAW-Garten zeigen in einem vielfältigen Programm, was sich in der Berliner Kunst-Szene so tut.

Der Kooperationsgeist wabert durch die Stadt und zwar ganz dezentral durch die gesamte! Im Infoteil, ganz unten, gibt es den ultiamtiven link zur Berlin Art Week. Klar, man sollte keine Fomo (Fear of Missing Out) haben, denn

170 Veranstaltungen sind in fünf Tagen

DEFINITIV nicht zu schaffen. Das Gute: wie immer laufen die Ausstellungen in den Museen und Galerien mehrere Wochen. Da bleibt genug Zeit einiges mehr zu sehen. Die ein oder andere Schau werde ich hier auf dem Blog noch ausführlicher besprechen. Versprochen.

BAW Garten am Gropius Bau

Hier auf dem Parkplatz des Gropius Bau ist in diesem Jahr der Festivaltreffpunkt der Berlin Art Week. Es gibt ein (regensicheres) Picknickfeld von Gustav Düsing, Autos, die zur Skatebahn oder zu Bistrotischen werden und Kochsessions nach Rirkrit Tirvanija. Abends geht zischen den Bäumen  ein Mond von Something Fantastic auf.

Dazu kommen etliche DJ-SETs, Workshops, Kinoscreenings, Artisttalks und Diskussionsrunden. Da geht es beispielsweise um den Green Deal für die Kultur. Das Angebot ist bunt, vielfältig und auch geeignet, um den Tag ausklingen zu lassen. Vorbeischauen und Staunen, was sich hier so tut. Der Eintritt ist frei.

Ausstellungen über Ausstellungen

Curryduft und Tischtennis

Puh, ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Die Stadt vibriert seit Tagen. Kopföffnende und besondere Kunst findet sich für jeden Geschmack in den wohlbekannten Institutionen der Stadt.

Das ein Museum lebt, zeigt Direktorin Jenny Schlenzka im Gropius Bau. Mit „Bau Bau“ will sie Kinder ins Haus locken, Dazu hat Künstlerin Kerstin Brätsch, die derzeit im Gropius Bau ihr Atelier hat, ein cooles Setting für Workshops entworfen.

Im ersten Stock riecht es nach Thai-Curry, schwäbischer Flädlesuppe, türkischem Mokka undChrysanthementee. Die Direktorin und ihr Team werden in einem Museumsraum öffentlich arbeiten. Jeder ist eingeladen, Tischtennis im Lichthof zu spielen.

Alles zusammen sind das ein paar von 80 gezeigten Werken des Aktions- und Performancekünstlers Rirkrit Tiravanija. Er schiebt so humorvoll und kritisch zugleich gegenwärtige gesellschaftliche Debatten an. „Das Glück ist nicht immer lustig“ ist ein gelungener Überblick über sein unkonventionelles Werk.

 Und, und, und…

Die Wiedereröffnung der Rieckhallen im Hamburger Bahnhof  Nationalgalerie der Gegenwart hat mich sehr begeistert. Abgesehen davon, dass das Direktorenduo Sam Bardaouil und Till Fellrath immer so positiv gestimmt ist, macht es großen Spaß ihre Visionen von einem Museum zu ergründen.

Mark Bradford lässt das Publikum auf einem riesigen Gemälde spazieren. Die Ausstellung „Keep Walking“ stellt auch die Frage, wie sicher der Boden unter den eigenen Füßen ist. Das gilt für als „person of colour“ in LA, besonders.  Dort lebt und arbeitet der 62-jährige. Bradfords Kunst wird hierzulande zum ersten Mal gezeigt.

Die zweite Schau, „Museum in Bewegung“, in der raumgreifende  Skulpturen-, Installationen, Fotoserien und Videoarbeiten gezeigt werden, ist ebenfalls absolut sehens- und vor allem erlebenswert.

Bei der Pressetour zu Berlin Art Week am Montag durfte ich Mariechen Danz „Edge Out“ in der Berlinischen Galerie vor der Eröffnung sehen. Die Künstlerin bekommt den GASAG Kunstpreis. In diesem sehr speziellen, sehr schmalen und sehr langen Raum geht sie der Frage auf den Grund, wie Wissensvermittlung in unsere Körper gelangt. Dazu verknüpft sie historische mit neuen Deutungen und während man alles betrachtet, erklingt im Museum ihr Gesang.

Und dann sind da noch das Haus am Waldsee, das Georg Kolbe Museum, das Kindl Museum das Haus am Lützowplatz, das Palais Populaire, der Schinkel Pavillon (mit Achtung: Sigmar Polke!) und so viele mehr.

Diese Tipps mit den genauen opening-Terminen und viele mehr finden sich im Berlin Art Week Programm, das unten verlinkt ist.

Gallery Night zur Berlin Art Week

Die Liste ist lang und eigentlich auch länger als auf dem Foto unten. Denn x andere Galerien schließen sich der langen Nacht am Freitag mit ihren Openings an. Es macht total Sinn sich eigene Lauf-Routen in den Kunstgenuss zu überlegen.

Für mich geht es von Charlottenburg, über die Potsdamerstrasse nach Kreuzberg, dort unter anderem zu Max Goelitz. In den Räumen in der Rudi-Dutschke-Straße 26 (1. Stock) werden die poetisch abstrakten Werke des in München lebenden Künstlers Jürgen Partenheimer gezeigt. Da ich schon einiges über die spektakuläre Bespielung der Räume gehört habe, bin ich sehr gespannt auf „spektral void“.

Von 18 bis 22 Uhr (!)

kann man am Freitag bequem durch die Galerien schlendern, schauen, erleben und sich informieren, was sich in der zeitgenössischen Kunst tut.

Touren-Tipps

Besonders freue ich mich auf Hanna Sophie Dunkelberg bei Mehdi Chouakri am Fasanenplatz, wo ich meine Tour im Westen starten werde. Die Bildhauerin verküpft malerisches mit einem sehr speziellen skulpturalem Aspekt. Ich liebs. Weiter geht es in die Fasanenstraße, wo die Galerien wie auf eine Perlenschnur aufgereiht auf mich warten.

Mein Must-do ist Christoph Schlingensief bei Crone. Der nicht unumstrittene Theatermann, Künstler und Autor starb 2010 kurz vor seinem 50. Geburtstag an Lungenkrebs. Für seinen Venedig-Biennale Beitrag, eine Art Fluxus-Installation mit dem Namen „Die Kirche der Angst vor dem Fremden in mir“, hat er posthum den Goldenen Löwen gewonnen und bei mir Spuren hinterlassen. Auch wenn der Beitrag manchen Kritikern damals zu pathetisch war. Alles zur aktuellen Biennale findet ihr hier im Blog.

Doch zurück zu der langen Galerien-Freitagnacht. In jedem Fall werde ich bei Wentrup vorbeischauen. Die Galerie feiert ihr 20. Jubiläum und hat ihre KünstlerInnen gebeten sich mit einem Künstler oder einer Künstlerin aus der Galerie zusammenzutun. Ich bin gespannt auf

die neuen Perspektiven und Dialoge,

die sich da auftun.

Werbung in eigener Sache: Für ntv.de habe ich die beiden interviewen dürfen. Schaut mal vorbei, der link findet sich in meiner Instagram-Bio.

Von der Potse nach X-Berg

Auch die Mercator-Höfe sind immer ein Highlight. Besonders wegen der lässigen Stimmung in dem Innenhof und den vielen Galerien, die quasi alle Nachbarn sind. Bei Judin hat der ehemalige Direktor der Kunstwerke Krist Gruijthuijsen die Ausstellung Ghost Image kuratiert. Ich war schon da. Empfehlenswert.

Die Galerie Thomas Schulte macht hier auf dem Gelände am Freitag einen zweiten Standort auf. Und bei Esther Schipper wartet Ugo Rondinone mit seinem „the alphabet of my mothers and fathers“ auf mich. Der Schweizer Künstler ist so vielfältig wie vielschichtig.

Noch schnell nach Mitte zu Sprüh Magers, wo der dänische Maler Oliver Bak mit „Ghost Driver“ zu sehen ist.  Er malt seine bizarren Werke mit Bienenwachs und Ölfarbe. Ausserdem werden Werke von John Baldessari gezeigt. Das klingt vielversprechend.

Danach geht es nach X-Berg, wo ich nach meinen Stopps rund um die Markgrafenstraße, im Fichtebunker bei Ebensperger mit „Things that are Over“ von Jens Pecho enden werde. Der Ausstellungstitel passt dann doppelt. Pecho arbeitet übrigens mit Sprache und stellt Alltägliches gekonnt auf den Kopf.

Positions – die Messe zur Berlin Art Week

Zum elften Mal geht die Positions auf dem Flughafen Tempelhof an den Start. Dieses Mal sind 111 internationale Galerien dabei, sechs kommen aus Seoul. Die Kunstwelt verlagert ihren asiatischen Marktplatz zunehmend nach Südkorea nachdem die Lage in Hongkong aufgrund der politischen Situation unsicher ist.

In den Hangars 6 und 7 ist genügend Platz, um Kunst zu entdecken. Besonders empfohlen sei die Sektion Academy Positions in der Hochschulabsolventen ihr Können zeigen. Toll für Sammel-Einsteiger.

Für den gelungenen Auftritt in frischen Kleidungsstücken sorgt zudem die Fashion Positions. Danach noch ein Kaffee, Bier oder Snack mit Blick auf das legendäre Flugfeld und der Besuch ist perfekt.

Highlight: Wilhelm Hallen

Neben der Messe, dem BAW-Garten sowie den Privatensammlungen sind die Hallen auch so ein Ort, der in diesen wenigen Tagen besucht werden sollte. Über allem schwebt das aufblasbare YES TO ALL Alter Ego der Schweizer Künstlerin Sylvie Fleury.

Zum 5. Mal laden Investor und Kunstsammler Philipp Solf sowie Omer Arbel, Besitzer des Lampenunternehmens Bocci, in die ehemalige Eisengießerei, die 1902 erbaut wurde. „Hallen 05“ heißt das Ausstellungsformat und der Ausflug nach Reinickendorf ist ebenso vergnüglich wie denkanstoßend. Galerien wie office impart, Haverkampf Leistenschneider, Russi Kleiner, Chert Lüdde, Klemm’s oder Van Horn und Sies + Höke aus Düsseldorf sind dabei

Videoinstallationen, Performance, Malerei und große Skulpturen finden sich verteilt über das genaue stetig wachsende Gebäudekonstrukt.

Die Art Collection Telekom bespielt mit osteuropäischen Künstlerinnen aus ihrer Sammlung eine Halle. Die Kestner-Gesellschaft aus Hannover spielt dank Casey Spooner mit ordentlichem Wumms auf.

Und wer mag kann in der Kantine Ferro Canteen bei Chickensandwich, Falafel und allerlei Kaltgetränken über die Kunst diskutieren.

Private Collections entdecken

Alle Jahre wieder zur Berlin Art Week öffnen Sammler ihre Häuser. Wer sich beeilt, bekommt unter der Rubrik „Discovering Collections!“ vielleicht noch einen Slot und kann eine außergewöhnliche Sammlung bei dem Sammler selbst entdecken. Es sollen sogar KünstlerInnen zum Gespräch anwesend sein.

Ansonsten ist die Fahrt nach Lichtenberg in die Fahrbereitschaft zu Axel Haubrok und seiner Sammlung sehr empfehlenswert. Er zeigt dieses Mal im Freien Skulpturen von Isa Genzken, Susan Philipps oder Martin Creed. Gleich in zwei Häusern gibt es großartig reduzierte Kunst des schottischen Künstlers Martin Boyce zu sehen. Seine Mobile werden  großartig kombiniert: mit frappierend schönen Quilts, die seine Frau Sheelagh Boyce und Annebelle Harty geschaffen haben.

Die Keramikwerke „All my Colours“ des auf dem Gelände arbeitenden David Zink Yi mag ich sehr. Regelmäßige BlogleserInnen kennen meinen Faible für diese Art von Kunst.

Auch toll, die Videokunst im Fluentum und in der Julia Stoschek Foundation. Die beiden Sammlungen haben, ebenso wie Haubrok, auch noch an den Wochenenden nach der Berlin Art Week geöffnet.

Epilog zu Berlin Art Week

Wie schon erwähnt, die Angst etwas zu verpassen, sollte man in den kommenden fünf Tagen unbedingt bändigen.

Ich kenne sogar Menschen, die Berlin in Richtung Vienna Contemporary, nach Südfrankreich oder einfach nur nach Bad Saarow verlassen haben.

Kann man machen, muss man nicht. Und auch ich denke immer wieder darüber nach, einfach mal nicht da zu sein an diesen wilden Tagen im September und den Ritt durch die Kunstwelt auszulassen.

Und dann… ancora, ancora …!

Es gibt zu viel zu sehen, zu erleben, zu hören, es sprengt den Platz hier und daher empfehle ich die Webseite der Berlin Art Week.

Da ist alles ganz wunderbar aufgelistet – nach den entsprechenden Wochentagen, es gibt „guided tours“ und empfohlene Routen, hier finden sich auch alle Uhrzeiten Kochsessions, Talks etcpp. im BAW Garten.

Und nicht vergessen, alle Ausstellungen in den Institutionen und Galerien sind noch einige Wochen lang zu sehen.

Also Mut zur Lücke oder JOMO (joy of missing out;))!

INFO

Alles zur 12. Berlin Art Week bitte hier entlang.

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