Gallery Weekend Berlin – Meine persönliche Nachlese

Meine Highlights – Kunst oder Ketchup? Das darf jeder gerne selbst entscheiden. Neugierig auf Kunst?

written by Natali Borsi 29. April 2019

Ist das Kunst oder kann das weg?

Diesen Spruch kennt jeder und er ist so banal wie wahr. Wer entscheidet, wann ein Werk zur Kunst wird? Wo fängt Kunst an, wo hört sie auf? Wer darf das entscheiden? Wer entscheidet, auch wenn er das nicht darf? Der Markt? Der gute Geschmack? Die Zeit? Der Wert? Die Technik, die Kreativität, das Talent. Oder womöglich die Ästhetik? Allein über dieses Begriff wird zu Recht viel diskutiert.

Kunst und Ketschup – Ein Film von Elmar Hügler

Kunst und Ketchup, so hieß ein Dokumentarfilm meines Vaters in den 60ern, der noch heute in vielen Museen zu sehen ist. Ein Bericht über Pop-Art und Happening, der damals die jede Zeitreise überdauernden Frage stellte:

Und das soll Kunst sein?

 

Heute anerkannte moderne Künstler wie Joseph Beuys, Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik oder Wolf Vostell werden in dem Film in frühen Happenings gezeigt. Ob aus Ihnen anerkannte Künstler werden würden, war reine Spekulation. Diese Frage, wann fängt Kunst an, verfolgt mich daher schon sehr lange und wurde bei mir daheim oft diskutiert. Auch in der Namensgebung für den Blog sieht man unsere Diskussionen: Kochen, Kunst & Ketchup war das Ergebnis. 

Wer Kunst liebt, darf Kunst hassen

Dieser Spruch ist nicht von mir, sondern die Titel eines interessanten Buches von Nicole Zepter*. Das Buch hält nicht ganz was es verspricht, aber ich liebe seinen Titel. Denn zeitweise habe ich Kunst und das ganze Getue darum fast gehasst, obwohl ich Kunst sehr liebe. Es lag weniger an der Kunst, vielmehr an dem Getue um die Kunst herum. Gilt doch jeder der sich mit Kunst umgibt, als Schöngeist und intellektuell interessiert. Ich habe aber manchmal das Gefühl, dass die Happenings von Beuys & Co in den 1966`er Jahren gerade von diesen als Ketchup abgetan worden wären. Und ja, auch ich kann oftmals mit so Einigem nichts anfangen, was da draussen als Kunst sich etabliert. Aber das macht auch nichts, denn ich bin nicht der Kunstpapst, das wäre mir wahrlich zu viel der Verantwortung.

Kunst, die mit mir spricht

Ich mag Kunst, die mich in all ihren ästhetischen Sinnen betört, politische Ambitionen hat oder mit einem philosophischen Augenzwickern die (nicht wirklich existierende Realität) in Frage stellt. Insofern ist mein Kunstgeschmack sicherlich nicht repräsentativ und ehrlich gesagt ist es mit auch ziemlich egal, wie erfolgreich ein Künstler bereits kommerziell ist.

Auf dem Gallery Weekend in Berlin habe ich in den letzten Jahren immer wieder sehr schöne Kunsterfahrungen für mich sammeln können. Unvergessen die Ausstellung zum Galleryweekend 2015 Ngorongoro, über die ich mit großer Faszination hier berichtet habe.

Ich gebe zu, das Kunstpublikum bei solchen Veranstaltungen zu beobachten ist oftmals mindestens so inspirierend wie die dargebotene Kunst. Ich liebe die Momente, von Kunst überrascht zu werden. Trotz tollster Tipps für das Gallery Weekend hier auf dem Blog von meiner Gastautorin Juliane Rohr von jr.artynotes war ich für mein Gefühl aus Zeitmangel nicht ausreichend vorbereitet, auf das was mich erwartete.  Aber das hat auch einen Vorteil:

Mit einem neugierigen und unvoreingenommen Blick fast zufällig von Kunst in den Bann gezogen zu werden macht glücklich und gleichzeitig sehr neugierig weiter zu forschen, wer denn da am Werke ist.

Diese Künstler*innen finde ich spannend

Dieser Blog ist auch mein Tagebuch, nicht nur wenn es um das tägliche Kochen geht – auch wenn dies eine besondere Form meiner täglichen Kreativität und Kunst ist. Leider habe ich die letzten Jahren viele Flyer und Broschüren schöner Ausstellungen mich inspirierender Künstler nur in einer Schublade abgelegt und mir zu selten die Zeit genommen darüber zu schreiben. Das ist schade und deshalb gibt es nun diesen Artikel.  Er wird der Beginn meiner ganz persönlichen Liste von Künstlern, über die ich sicherlich in einzelnen Artikeln noch mehr erzählen werde. Ich bin mir ganz sicher, dass ich viele weitere Entdeckungen an diesem Gallery Weekend 2019 in Berlin noch hätte machen können, aber mein Kopf war nach zwei Tagen voll. Voller Gedanken, Farben und vielen Fragen und einem behaglichen Gefühl.

In einer meiner vielen Zeitschriften zu Coaching & Psychologie für meine Arbeit als Coach habe ich kürzlich gelesen, dass ein Museumsbesuch bzw. das Betrachten von Kunst nachweislich Depressionen mindern kann. Das kann ich nur bestätigen, auch wenn ich nicht depressiv bin. Ich habe das an diesem Wochenende wieder einmal gespürt, wie mich das Betrachten von Kunst im wahrsten Sinne beflügelt hat. Ganz egal, ob ich die Kunst mochte oder nicht, ob sie mir etwas gesagt hat oder nicht. Einfach das Eintauchen war ein wunderbarer Moment im vielbeschworenen Hier & Jetzt. Zur Nachahmung sehr empfohlen.

Hier nun einige Kunst- Highlights, die mich fasziniert haben.

Künstler*innen die mich interessieren – egal ob Kunst oder Ketchup ,-)

Alle diese Künstler gehören sicherlich bereits der Kategorie „Kunst“ an und werden nicht mehr verdächtigt nur „Ketchup“ zu sein.

Christian Jankowski

Okay – ich gebe es zu.

Christian Jankowski – Studio besuch Reinbeckhallen Berlin

Ich hatte bisher noch Nichts (bewusst) von ihm gehört. Ein Open Studio Besuch anlässlich des Gallery Weekends in den Reinbeckhallen in Berlin Oberschöneweide hat mir schon gereicht als Anreiz den Atelierbesuch für Freunde der Schaubühne wahrzunehmen – der Künstler war erstmal zweitrangig. Die Anfahrt nach Oberschöneweide reichte für eine kurze Internetrecherche und Asche über mein Haupt – ich hätte diesen Künstler längst namentlich kennen können. Er ist nicht nur sehr bekannt, er hat vor allem auch die von mir sehr geliebten etwas irrsinnigen Portraits des Schaubühnen-Ensemble gemacht. Jankowski ist ein Konzept- und Aktionskünstler. Er beschäftigt sich in seinen Videoinstallationen und Inszenierungen mit der Beziehung zwischen Künstlern, Kunstinstitutionen, Medien und der Gesellschaft und das mit großem Talent und ausreichend Humor.

Christian Jankowksi und die Berliner Schaubühne

Seine Dokumentation mit dem Titel,

We are innocent when we sleep

ist schlicht wunderbar. In ganz kurzen Sequenzen erzählen die fotografierten Schauspieler, wie Sie es empfunden haben sich mit geschlossenen Augen an Ihre Kollegen auszuliefern, die sie für diese Fotos in Szene gesetzt haben. Teilweise lustige, oft sehr intime und auch melancholisch stimmende Reaktionen. Hier macht Kunst etwas mit Menschen und die Reflektion darüber eröffnet spannende und berührende Gedankenräume.

Ich hätte große Lust, mal mit Herrn Jankowski über seinen neuen Wäscheständer zu plauschen. Mehr dazu bald hier.

Wer bis dahin mehr erfahren über den angeblich zweitbesten Künstler Deutschlands, der zunächst nur gescheitert war, liest das sehr gelungene Interview von Anna Glenn im Monopol Magazin mit ihm. 

Christian Jankowski

Christian Jankowski

Guido van der Werve

Sorry – ich muss es schon wieder zugeben. Auch diesen Künstler kannte ich vor dem Gallery Weekend nur dem Namen nach. Und wenn ich ganz ehrlich bin, bin ich nicht wegen ihm, sondern (schon wieder) wegen der besonderen Location in der er ausgestellt wurde auf ihn aufmerksam geworden.

Guido van der Werve´s künstlerisches Werk besteht aus Filmen und Videos von Performances und Aktionen. Er selbst ist Musiker und komponiert eigene Soundtracks zu den Videos. Er fungiert stets selbst als Protagonist in seinen Arbeiten und zunächst könnte man denken, ein Irrer ist am Werk.

Aber das wäre eine sehr oberflächliche Betrachtung. Die Ausstellung im Fluentum in Berlin Dahlem konfrontierte mich als erstes mit seiner Videoinstallation „Number 8: Everything is going to be alright“. In diesem Video schreitet Guido van der Werve nur einige Meter vor einem riesigen Eisbrecher über das zugefrorene finnische Meer. Ich dachte zuerst, das kann nicht sein, das ist irgendwie konstruiert. Aber genau das macht seine Arbeiten aus, er setzt sich großen körperlichen Strapazen aus und geht Gefahren ein.  Damit hinterfragt er ganz nebenbei sämtliche Fragen, die einem zu Selbsterfahrung in den Kopf kommen. Was macht sie mit einem? Warum brauchen wir Sie? Was ist Realität? In welcher Realität lebe ich? Wie gestalte ich sie?

Guido van der Werve- Number eight: EVERYTHING IS GOING TO BE ALRIGHT

 

Guido van der Werve – Selbsterfahrung als Kunst

Sehr Lachen musste ich über das Video „Effugio C, You’re always just half a day a way“. Hier läuft er 12-Stunden am Stück ohne Unterbrechung um sein eigens Haus in Finnland herum. Bekloppt oder eigentlich tägliche Realität in den Fitness Studios? Fragen unserer Fitness orientierten Gesellschaft, die trotzdem immer dicker wird, drängen sich auf. Ach – Werke die zum Denken anregen, ein Lächeln auf die Lippen zaubern oder einfach wunderbar poetisch sind.

Mich hat besonders fasziniert die Poetik in seinen Arbeiten.  In die Arbeit „Number 9: The day I didn´t turn with the world“ habe ich mich komplett verliebt. Unterlegt von wunderschöner Klaviermusik steht hier Guido van der Werve für 24 Stunden am Nordpol. Schwarz gekleidet inmitten der Endlosigkeit dreht er sich um sich selbst herum. Zusammengeschnitten auf 8 Minuten und 40 Sekunden gespenstisch und unglaublich ästhetisch. Diese Installation hätte ich gerne in meinem Haus und würde meinen Tag mit ihr beginnen. 12 Stunden in Acht Minuten und vierzig Sekunden zusammengeschnitten am Nordpol – totale Ruhe, sich als Pinguin fühlen und der Unendlichkeit ein Stück näher sein. Wow!

 

Ernst Wilhelm Nay

Ich bin ja so froh, dass ich zumindest bei Ernst Wilhelm Nay (11. Juni1902 in Berlin; † 8. April 1968 in Köln), wusste wohin ich gehe! Ich mag seine Bilder sehr. Die Ausstellung der Berliner Galerie Aurel Scheibler zeigte einige seiner späten Bilder. Mir gefallen die späten klareren Bilder mehr als seine Anfänge. Nay war ein deutscher Maler und Grafiker der klassischen Moderne. Er gilt als einer der bedeutendsten Maler der deutschen Nachkriegskunst. Ich habe ein Faible für Grafik in der Kunst. Leider zumindest für uns preislich weit entfernt von allem Vorstellbaren inzwischen.

Ernst Wilhelm Nay

Daniel Lergon

Unerwartet habe ich mich schockverliebt! Eingetreten in eine mir bisher unbekannte Galerie stand ich in einer

ROTVERSCHIEBUNG

So nennt der in Berlin arbeitende Künstler Daniel Lergon seine Serie aus wirklich sehr roten Bildern. Nein Welten, Farbwelten zum Eintauchen, sich treiben lassen. Wir hatten ein kurzes Gespräch sowohl mit ihm als auch mit der sympathischen Galeristin Sabine Schmidt und ich freue mich demnächst einen Atelierbesuch bei Daniel Lergon geniessen zu dürfen und habe ein kleine Sparbüchse für ein Bild von ihm aufgestellt. Wer kein Rot mag, er hat auch eine grüne Serie und vielleicht bald eine Gelbe und Blaue. Diese Art der Malerei ist nur mit einer ganz speziellen Farbpigmentierung möglich und bisher ist es nur in Rot und Grün gelungen. Ich werde mir das nochmal näher erklären lassen. Bis dahin einige Inspirationen, aber ich befürchte die Kraft der Bilder entfaltet sich nur im direkten gegenüber. Zu sehen in der PSM Galerie Berlin. 

Daniel Lergon – Rotverschiebung

Daniel Lergon

Natalia Stachon

Zwischen den roten Verschiebungen in der Galerie PSM haben wir zwei hochglänzende Bilder oder eher Objekte entdeckt. Man spiegelt sich wunderbar darin und entdeckt mehr zufällig eine kleine comic-artige Zeichnung. Wie hineingekratzt, den Lack mutwillig beschädigt. Im ersten Moment war ich nur von der Ästhetik insbesondere des schwarzen Bildes fasziniert. Schaut man genauer hin, steckt mehr dahinter und die reine Ästhetik wird zur Kunst – zumindest für mich.

Natalia Stachon  nennt diese Bilder einer Serie, die einmal 100 Bilder umfassen soll:

Schadenfreude

Es geht um die spannende Frage, warum wir oft lachen und es komisch finden, wenn wir in z.B. Comics Szenen sehen, die für die Teilnehmenden sehr schmerzlich oder sogar tödlich enden könnten. Im türkisen Lackbild von Stachon entdeckt man ganz oben links und klein einen Angler im Boot, der droht herunterzustürzen und von einem Hai gefressen zu werden. In dem schwarzen Werk fällt ein Kronleuchter und wird wahrscheinlich den darunter sitzenden am Handy spielenden Menschen erschlagen. Eigentlich ziemlich drastisch und trotzdem zaubert die Situation ein Lächeln auf unsere Lippen – spannend. Wer sich gerne weiter mit dem Thema Schadenfreude beschäftigen möchte, liest gerne diesen wunderbaren Artikel aus dem Magazin ZEIT Wissen.

Ich habe mich gerne bei Natalia Stachon gespiegelt und freue mich mehr Kunst von Ihr sehen zu können. Für das schwarze Bild hätte ich schon einen schönen Platz im Esszimmer. Kann ja nicht schaden, öfter mal über Schadenfreude nachzudenken – oder?

Natalia Stachon – Schadenfreude

Edite Grinberga

Licht fasziniert mich. Egal ob in der Kunst oder im Leben und vor allem in welcher Art von Kunst. Licht ist für mich ALLES! Meinen Mann regt das manchmal sehr auf, denn wenn nicht das Zimmer in dem ich mich gerade aufhalte –  egal wo ich bin – gut ausgeleuchtet ist, dann kann ich einfach nicht SEIN.

Deshalb fasziniert mich Kunst besonders, die Licht zum Thema hat. Ich war komplett fasziniert beim Eintreten in die Galerie Friedmann-Hahn von der Inszenierung des Lichts bei der Künstlerin Edite Grinberg.

Geteiltes Licht

heißt ihr Zyklus, aber es geht um viel mehr als nur Licht. Auf den Bildern sieht man Gegenstände, die aus ihrem Gebrauchskontext herausgelöst wurden, ein einsamer Kinostuhl, ein Cello ohne Bogen, Fenster ohne Griffe …

Leider sind Ihre Werke bei VG Bild geschützt, deshalb habe kein Bild von der schönen Kunst an dieser Stelle.

Soviel für den Moment – Kunst ist endlos

Schaut immer mal wieder gerne vorbei. Dieser Artikel wird ständig ergänzt und um Links erweitert. Work in Progress zuzusagen.

Einmal im Monat findet ihr seit 2017 besondere Kunsttipps meiner Gastautorin Juliane Rohr von jr.artynotes hier auf dem Blog, für einen Monat voller Kunst in Berlin und  manchmal auch anderswo – nicht verpassen. Viele der Ausstellungen vom Gallery Weekend 2019 laufen noch einige Wochen. Deshalb lest gerne hier bei Julianes Gallery Weekend Tour weiter:

Gallery Weekend – meine Kunsttour durch Berlin

Spannende Museen gibt es überall auf der Welt und manchmal sollte man auch für besondere Ausstellungen eine Reise auf sich nehmen. Sehr zu empfehlen ist eine Reise nach Baden-Baden ins Museum Frieder Burda oder zu einer Ausstellung von James Turrell, einem magischen Lichtkünstler, den ich sehr mag:

Museum Frieder Burda in Baden-Baden zeigt James Turrell – Licht das verzaubert, Kunst die berührt!

Vielleicht bald mehr zu folgenden Künstler*innen…

Jorinde Voigt

Alicja Kwade

Alicja Kwade – Atelierbesuch Rheinbeckhallen

Anna Leone

Oliver Gröne

Michael Merkel

Imre Bak

Mia Florentine Weiss

Cy Twombly

 

 

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