Museumsparcours in München – Fünf aktuelle Ausstellungs-Tipps

München ist meine zweite Heimat. Da ich dort Familie und Freunde habe, bin ich oft in der Stadt. Und die Museen sind immer einen Extrabesuch wert. Wer also auf Durchreise in Richtung Berge zum Winterurlaub ist, dem kann ich einen Halt in München ans Herz legen. Hier sind meine aktuellen Ausstellungstipps für Dezember und Januar im Haus der Kunst, den Pinakotheken und dem Museum Brandhorst.

written by Gastautorin Juliane Rohr 18. Dezember 2018
  1. Jörg Immendorff mit einer Retrospektive im Haus der Kunst
  2. Optische Täuschungen in der Kunsthalle
  3. Der Renaissance-Blockbuster in der Neuen Pinakothek
  4. Ein Raum für Jonathan Meese in der Pinakothek der Moderne
  5. Der amerikanische Malerstar Alex Katz im Museum Brandhorst

 

1. Jörg Immendorff mit einer Retrospektive im Haus der Kunst

Facettenreiche Rückschau 

Bildgewaltig, sehr farbintensiv und facettenreich zeigt sich die Retrospektive für Jörg Immendorff im Haus der Kunst. Elf Jahre nach seinem Tod ist dies die erste umfassende Werkschau, und es lohnt sich tatsächlich in seine Kunst einzutauchen. Im Mittelpunkt der Ausstellung „Für alle Lieben in der Welt“ stehen Malerei sowie einige Skulpturen und nicht der schillernde Künstler selbst.

Riesen-Bilder bis unter die Decke

Die Ausstellung ist nicht chronologisch aufgeteilt, sondern in Kapiteln.  So lerne ich immer wieder verschiedene Lebensphasen Immendorffs kennen – und stelle fest, dass seine Malerei mir mal mehr, mal weniger liegt. Die in den großzügigen Räumen verteilten Bänke werden tatsächlich genutzt, da die rund 180 Werke umfassende Ausstellung mit seiner ungewöhnlichen Petersburger Hängung eher opulent ist. Und mit kleinen Pausen kann man sich besser auf das einzelne Bild fokussieren.

Politik in der Kunst

In den frühen 60er Jahren ist die Kunst des Malers politisch aufgeladen, kommt ironisch daher. Sein Lehrer und großes Vorbild Joseph Beuys blitzt durch. Die Ansage nicht zu Malen ist für ihn keine Alternative. Seine Bilder orientieren sich an Pop-Art, sind nur politischer und aggressiver. Politik scheint seine treibende Kraft. Hier entdecke ich einen neuen für mich bisher unbekannten Immendorff, der mich zum Nachdenken wie zum Grinsen bringt.

Deutsche Historienmalerei im Haus der Kunst

Nachdem Immendorff von der Kunstakademie in Düsseldorf geflogen ist, arbeitet er bis 1981 als Kunstlehrer. Erst dann entscheidet er sich endgültig für den Weg als Künstler. Schon in den 70er Jahren gelingt ihm mit seiner 16teiligen „Café Deutschland“ Reihe der Durchbruch. Im düster-schmuddeligen Café sind sie alle vertreten: Gauner und Halunken sitzen neben Größen aus der Politik wie Helmut Schmidt (am Rednerpult) oder Erich Honecker, Künstlerkollegen wie A.R. Penck und über allem schweben Autoren wie Bertolt Brecht. Da ist auch Jörg Immendorff selbst zu entdecken, wie er seine Hände durch ein Mauerstück steckt. Die Teilung Deutschlands war sein großes Thema. Visionär, denn damals war der Mauerfall unvorstellbar und erschien absurd. Kunst, für die man auf jeden Fall Zeit mitbringen sollte und bei der genaues Hinschauen lohnt.

Der Maler als Regisseur

Als der Maler 1998 die Diagnose der unheilbaren Krankheit ALS erhält, arbeitet er trotz erlahmender Arme weiter und weiter. Immendorff unterrichtet an der Düsseldorfer Kunstakademie, bleibt eine unbequeme Person, die gerne provoziert.  Schließlich kann er den Pinsel nicht mehr selber führen, lässt seine Assistenten malen und führt fortan Bildregie. Interessant, wie sich seine Bilder nun verändert haben. Er zitiert Kunst- und Literaturgeschichte und es macht Spaß, die Anlehnungen zu suchen. Alles in allem eine Ausstellung, die mich überrascht hat.

Eisbach – mein Pflichtbesuch neben dem Haus der Kunst

Wer Lust hat, kann übrigens danach herrlich entrückt in der Goldenen Bar einen Kaffee trinken, etwas essen und entspannen. Noch ein Tipp: die Eisbach-Surfer. Direkt neben dem Haus der Kunst an der kleinen Brücke über den Eisbach reiten Münchner im Sommer wie Winter die Welle. Für mich ist es ein Muss, dort ein paar Runden zu staunen.

2. Optische Täuschungen in der Kunsthalle München

Auf den Kopf gestelltes Sehen

Mitten in der Innenstadt liegt die Kunsthalle – und der Abstecher in das Museum ist eine willkommene Flucht aus dem Münchner Shoppingwahn. Momentan wird dort die „Lust an der Täuschung“ gezeigt. Von der Antike bis zur Gegenwart gibt es Kunstwerke, die unser Sehen auf den Kopf stellen und unsere Sinne ins Chaos stürzen. Der Parcours mit Malerei, Skulpturen, Videoarbeiten, aber auch Architektur, Mode und Design macht einfach gute Laune.

Durch die Iris des Auges geht es ins Museum

Mehr Schein als Sein

Was ist Fakt, was Fiktion? Was Wahrheit, was Fälschung? Künstler haben schon immer gerne mit uns, ihrem Betrachter, gespielt. Diese Ausstellung beweist einmal mehr, wie einfach das menschliche Auge zu täuschen ist. Raffiniert führen Maler wie Emmanuel Maignan oder Michel Boyer die Besucher in die Wunderkammern längst vergangener Zeiten. Aktuelle Künstler wie Thomas Demand, Jeppe Hein oder Gerhard Richter leiten mich in die Irre.

Sehen ist Glauben

Trompe l‘oeil Malerei gaukelt Vorhänge, Garten-Ausblicke oder was auch immer vor und bezaubert. Sehen ist Glauben und jede Epoche versetzt mich mit ihren Fertigkeiten in neues Erstaunen. Das Kaleidoskop der Illusion in der Kunsthalle zeigt einmal mehr, dass Nichts leichter ist als der Selbstbetrug. Wie schön, dass mit solch gewonnener Erkenntnis, wenigstens die Kunst immer Kunst bleibt.

Skulptur von Jeppe Hein

3. Der Renaissance-Blockbuster in der Alten Pinakothek

Florenz und seine Maler

Zum genauen Hinsehen verführt auch die große Renaissance-Schau in der Alten Pinakothek. Die Renaissance war in Europa die Wiedergeburt der Lust am Lernen und der Weiterentwicklung in der Kunst. In dieser Zeit wurde die sogenannte Zentralperspektive erfunden. So bekamen Kunstwerke erstmals Tiefenwirkung und Volumen.

Kunst mit Starappeal in der Alten Pinakothek

Künstler fingen an, Emotionen und Erfahrungen einzufangen, bildeten Schönheit und Geheimnisse der Natur ab. Religiöse Motive waren ebenso gefragt wie Porträts. Neu war jedoch, dass das christliche Motiv nun für das private Andachtszimmer im Palazzo gedacht war. Und die Porträts von Mitgliedern vornehmer Florentiner Familien reflektieren jetzt auch ihr Selbstbewusstsein. Die jungen Menschen in Brokat oder andere feinste Stoffen gekleidet, mit kostbarstem Schmuck behangen wirken seltsam frisch. Fast so, als ob sie gestern gemalt wurden.

Sandro Boticelli, Bildnis einer Frau ca. 1470-1475

Schau genau

Die 120 Kunstwerke sind hervorragend beleuchtet, wurden zum Teil gerade erst restauriert – so wie Fra Bartolommeos „Anbetung des Kindes“. Die spannende Arbeit eines Restaurators, der über Monate Schicht für Schicht abträgt und damit Informationen über das Bild sammelt, ist auch ein Teil der Schau.

Von Giotto zu Leonardo da Vinci

Der Florentiner Bilderboom gibt einen wunderbaren Einblick in die Stadt am Arno, in ihre Wirklichkeit und bringt uns ihre Menschen nah. Die Familie Medici ist dabei omnipräsent – Influencer ihrer Zeit. Schließlich bauten sie im 15. Jahrhundert in Florenz ihr Imperium auf. Von hier aus bestimmten sie fast 300 Jahre lang Wirtschaft und Politik und galten als wichtigste Förderer der Kunst. Erstmals wurde der Mensch von Künstlern wie Michelangelo in den Mittelpunkt der Kunst gestellt.  Künstler wie Sandro Boticelli wie Giotto di Bondone erlangten Starstatus. Leonardo da Vinci (1452-1519) beispielsweise war nicht nur in Florenz und Rom, sondern auch in Frankreich gefragt.

Anbetung des Kindes durch die Heiligen drei Könige von Sandro Boticelli

Bis heute modern

Das so weit entfernt wirkende Kunst-Zeitalter, das damals so revolutionär war, ist bis heute faszinierend. Die Genauigkeit und Farbenpracht der Bilder sind umwerfend. Als Ausstellungsplakat dient übrigens Filippino Lippis „Bildnis eines jungen Mannes“ von 1485. Ihm wurde ganz heutig eine Sonnenbrille aufgesetzt, in der sich Florentiner Skyline spiegelt. Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass sich zu diesem Blockbuster vor dem Eingang der Alten Pinakothek fast immer lange Schlangen bilden.

Filippino Lippi – Bildnis eines jungen Mannes (ca. 1480/85)

4. Jonathan Meese in der Pinakothek der Moderne

Weiter geht es in der ebenfalls auf dem Kunstareal gelegenen Pinakothek der Moderne. Conan, Caligula, Nero, Humpty-Dumpty, Parzifal oder Aliens aus den 70er Jahren – Science fiction trifft auf Pop-Kultur trifft auf Geschichte. Hemmungslos verwebt der in Berlin lebende Künstler alles zu einer poppig-bunten Gesamtinstallation und seiner Retrospektive. Diese Versatzstücke sind mit allen Widerhaken als „Die Irrfahrten des Jonathan Meese“ in dem Museum  zu Gast – wild und doch seltsam geordnet.

Zahmer Kunstbengel

Am Eingang grüßt die Bronze von Jonathan Meese eher wie ein Kapitän. Nicht provokativ – wie früher – mit Hitlergruß. Der Kunstbengel präsentiert Bilder, Zeichnungen, Collagen, Kleinplastiken, Bücher, Schaukästen und einen riesigen Teppich vieles aus seinen Privatbeständen. In den Neunzigern ist er zum Shootingstar der Kunstszene aufgestiegen mit Symbolen aus Germanentum und totalitärer Zeit, kryptischen Wortkreationen und fast banaler, kindlicher Malerei. Hier kann man einen gezähmten Meese wunderbar kompakt neu vermessen. Muss nicht jeder mögen, aber Kunst ist es trotzdem.

5. Museum Brandhorst – Das Lebenswerk von Alex Katz

Reduzierter Pinselstrich mit großer Wirkung

Gleich nebenan im Museum Brandhorst ist noch ein Künstler zu sehen, der ebenfalls nicht bei jedem gut ankommt. Von Kritikern wird Alex Katz sogar als naiv bezeichnet. Seine Kunst dreht sich mit reduziertem Pinselstrich um Menschen, Mode und Plätze. Wirft ein Schlaglicht auf Großstädte, skizziert Architektur und zeichnet Landschaften nach. Trotz der Einfachheit in seinen Bildern spüre ich Kälte, Traurigkeit, Einsamkeit, aber auch Freude und Energie.

Und immer wieder malt er seine Frau Ada

Katz ist eine Ikone. In Süddeutschland hat er einen großen Sammlerkreis. Aus deren Leihgaben setzt sich ein Großteil dieser Ausstellung zusammen. Mit seinem minimalistischen Stil, den großflächigen Farbfeldern und fließenden Linien erreicht er ein breites Publikum. Und das seit 1954. Seine Frau Ada hat er inzwischen 250 mal porträtiert. Abstrakt – immer dem modernen Realismus folgend –  ist es spannend, das Älterwerden seiner Frau mittels dieser Porträts zu erleben. Man kann Alex Katz Bilder mögen oder nicht.  Wie auch immer – es ist doch das Schöne an der Kunst, dass jeder subjektiv empfindet und sich seine eigene Meinung bilden kann.

 

Essens-Tipps in Museumsnähe

Das Kunstareal mit Pinakotheken und dem Museum Brandhorst liegt übrigens mitten in Schwabing – und dort gibt es jede Menge gute Restaurants. Hier ein paar Essens-Tipps:

  • Zwei Geh-Minuten vom Museum Brandhorst liegt das sehr angesagte Theresa Grill (Theresienstraße 31, unbedingt einen Tisch reservieren) ). Wie der Name schon verrät, dreht sich in dem Restaurant alles ums Fleisch.  Im übrigen hatte ich das letzte Mal eine Vegetarierin mit dabei und auch sie wurde auf der Speisekarte fündig.
  • Gesund und toll für einen Lunch ist das Aloha Poke in der Türkenstraße 80 –  nur ein paar Minuten fussläufig vom Kunstareal. Dort gibt es köstliche Bowls in allen möglichen Variationen.
  • Wem eher nach Fisch ist, dem sei die Cevicheria in der Occamstraße 26 an der Münchner Freiheit am anderen Ende Schwabings empfohlen. Der peruanische Foodtrend ist damit in München angekommen. In dem kleinen stylish eingerichteten Restaurant gibt es besten roh marierten Fisch.

Immer wieder schön: die Treppen in der Alten Pinakothek

InfoTeil

Haus der Kunst

Jörg Immendorff „Für alle Lieben in der Welt“

Bis zum 27. Januar 2019

Prinzregentenstraße 8, 80538 München

  • bis So. 10 bis 20 Uhr
  • 10 – 22 Uhr
  • Am 24. und 31. Dezember geschlossen

Kunsthalle

„Lust der Täuschung“

Bis zum 13. Januar 2019

Theatinerstrasse 8, 80333 München

  • Geöffnet täglich 10 – 20 Uhr
  • Am 24. Und 31. Dezember geschlossen

Alte Pinakothek

Florenz und seine Maler – von Giotto bis zu Leonardo da Vinci

Verlängert bis zum 3. Februar 2019

 Barerstraße 29, 80799 München

  • Di bis Mi 10 bis 21 Uhr
  • Do bis So 10 bis 18 Uhr
  • Am 24., 25. Und 31. Dezember geschlossen

Pinakothek der Moderne

Die Irrfahrten des Meese

Bis zum 3. März 2019

Türkenstraße 15, 80333 München

  • Täglich 10 bis 18 Uhr, Mo. Geschlossen
  • Donnerstags 10 bis 20 Uhr
  • Am 24. und 31. Dezember geschlossen

Museum Brandhorst

Alex Katz

Bis 22. April 2019

Türkenstrasse 19, 80333 München

  • Täglich außer Montags 10 bis 18 Uhr
  • Donnerstags 10 bis 20 Uhr
  • Am 24. und 31. Dezember geschlossen

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2 comments

Susanne 1. Januar 2019 - 10:44

Wie immer kompetent, abwechslungsreich und inspirierend! Danke, Juliane Rohr!

Reply
Gastautorin Juliane Rohr 5. Januar 2019 - 19:58

Danke sehr – immer gerne;-)

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