Marseille entdecken – damals und heute
Ich war das letzte Mal in Marseille als Teenager vor ca. 35 Jahren. Damals hat der Restaurantchef am Hafen uns kein Dessert mehr servieren wollen. Es war schon dunkel und er bat meinen Vater höflich aber bestimmt mit seinen beiden blonden Frauen, meiner Mutter und mich, das Lokal zu verlassen und ein Taxi zum Hotel zu nehmen. Die Gegend sei ab jetzt nicht mehr sicher für Touristen. Wir protestierten, aber er blieb hartnäckig.
Dieses Verhalten zog sich fort. Das Auto meines Vater, ein Peugeot 504 sollte auf keinem Fall vor dem Hotel geparkt werden, so der Concierge – zu gefährlich. Es wurde vom Portier eigenhändig in eine Parkgarage gefahren. Als ich am nächsten Tag mit meiner Mutter durch die Stadt stromerte, mein Vater war auf einer Konferenz, verirrten wir uns in Gassen und fühlten uns wie auf einem arabischen Markt weit weg von Europa. Ich fand das alles spannend und gleichzeitig hat es mich davon abgehalten, Marseille seitdem zu besuchen. Denn es blieb so ein ungutes Gefühl, es könnte einem dort doch etwas passieren. Als ich meiner Mutter sagte, wir seien in Marseille, kam prompt eine SMS zurück: Passt auf – Marseille ist gefährlich!
Marseille, Kulturhauptstadt 2013 – Fluch oder Segen?
Inzwischen hat sich Einiges geändert in Marseille. Ich weiß nicht ob Marseille gefährlicher ist als andere Großstädte. Ich war schon lange neugierig auf die sich rasant wandelnde Stadt. Wir haben eine Einladung zu unseren guten Freunden Ina &Torsten nach Port Grimaud genutzt, statt wie üblich Nizza anzufliegen, stattdessen über Marseille wieder nach Saint Tropez zu fahren. Leider war unser Marseille Besuch viel zu kurz. Dennoch, für einen ersten spontanen Eindruck nach soviel Jahren perfekt.
Die Altstadt präsentierte sich sehr aufgeräumt und das Marseille, das ich in Erinnerung hatte, war scheinbar verschwunden. Inzwischen weiß ich, warum sich Marseille so gewandelt hat. Meine Freundin Corinne aus Bremen, Halbfranzösin und Kennerin und Liebhaberin von Marseille, kommentierte meinen Instagram Post Marseille mit dem #Kulturhauptstadt folgendermaßen:
Leider mehr Fluch als Segen. In Marseille leben traditionell mehr Einwanderer und ärmere Menschen im Zentrum als in vergleichbaren Großstädten. Zur Präsentation als Kulturhauptstadt mussten viele alteingesessene Bewohner in die Randbezirke ausweichen bzw. sie wurden vertrieben. Die Prachtstraße zum Kreuzfahrthafen wurde derart aufgehübscht, dass nur die zur Promenade gerichteten Fassaden restauriert – die Mieten parallel immens erhöht wurden.
Gegen das Aufhängen von Wäsche an Fenstern oder einsehbaren Balkonen wurde ein Gesetz erlassen. Hübsche, von Bäumen umsäumte und kulturell wie sozial wichtige Plätze, auf denen man sich morgens auf nen Schnack auf dem Markt, mittags mit den spielenden Kindern und abends auf ne Handpizza mit Freunden traf, werden für noch mehr Parkplätze platt gewalzt. Mein geliebtes Marseille verliert langsam den Charme, den es eben wegen dieser Unterschiedlichkeit zu anderen Großstädten hat.
Aber noch sind nicht Alle vertrieben und man kann sich z. B. in den Nebenstraßen der Canebière auf Entdeckungsreise ins ‚alte Marseille‘ begeben: über den engen, wuseligen arabischen Markt schlendern, kleine (und nicht überteuerte) Cafés, Theater, Boutiquen und Kneipen besuchen, leckere Meeresfrüchte-Restaurants oder fröhlich-laute CousCous-Imbisse finden … ????Viel Spaß!
Ja so ist das wohl leider. Die Gentrifizierung ereilt derzeit (fast) jede größere Stadt. Auch die Kreuzberger in Berlin können ein Lied davon singen. Das ist traurig und schade, denn zunehmend ähneln sich dadurch alle Städte dieser Welt. Andererseits entsteht auch interessantes Neues und manchmal gelingt das Gleichgewicht zwischen Alt und Neu auch gut.
Marseille – eine Stadt am Mittelmeer
Niemand nehmen kann Marseille seine wunderbare Lage am Mittelmeer. Von beiden Seiten grenzen Naturschutzgebiete an die mit – je nach dem wo man die Stadtgrenze zieht – 900.000 bis – 1,3 Millionen Einwohnern zweitgrößte Stadt Frankreichs und als das Tor zum Mittelmeer bekannt. Fährt man nach links kann man die Camargue erkunden, fährt man nach rechts den Parc National des Calanques. Bleibt man in Marseille, gibt es ebenfalls genug zu tun. Neben Strand und Museen auch Märkte und viele kleine Boutiquen und Restaurants.
Meine kulinarischen Marseille Tipps
Wir hatten viel zu wenig Zeit für Marseille, dennoch haben wir sehr viel gesehen und hatten eine tolle Mischung aus Hafenatmosphäre, Strandrestaurant und Kunstgenuss.
Ich liebe es am Wasser zu sitzen und die Sonne im Mittelmeer versinken zu sehen.
Liegt direkt am Wasser und ist uns von Einheimischen empfohlen worden. Von Pizza über beste Fisch-Safran Nudeln bis zum Drink bietet das Restaurant alles. Super freundlicher Service und die Sonne versinkt spektakulär direkt vor einem im Mittelmeer. Uns hat es sehr gut gefallen zwischen Einheimischen zu sitzen und der Sonne beim kitschigen Untergang mit Rose Wein zuzusehen.
Man kann auch Liegen mieten am Nachmittag und den Tag dort auf der Terrasse mit Meerzugang verbringen!
Oberhalb des Le Petit Pavillon gelegen. Sehr schönes etwas gediegeneres Restaurant direkt über dem Meer. Große Terrasse außen und schöne Räume innen. Sehr gutes Essen, aber nicht günstig.
Wer es ganz exquisit mag und dabei direkt über dem Meer speisen möchte in sehr modernem Ambiente, dem sei das Hotel „Le Petit Nice“ mit seinem Sterne Restaurant empfohlen. Hier kocht Gérald Passedat, der selbst Folgendes über seine Küche sagt:
„Meine Küche beruht auf Instinkt, Unverfälschtheit, Geschmack und Textur. Ich vergleiche sie gern mit dem langsamen, schrittweisen Abtauchen in die Tiefen des Meeres, auf den Spuren vergessener oder vernachlässigter Fischarten, eine Hommage an das Mittelmeer und ein Zeichen der Hochachtung vor dieser vom Meer geprägten Region. Das Mittelmeer ist mein Gemüsegarten.“
Ich finde, das klingt sehr vielversprechend und Monsieur Passedat sieht dazu noch sehr gut und sympathisch aus. Wir hatten leider nur Zeit für einen (teuren) Café Noisette, aber den werde ich für immer im Gedächtnis behalten – und irgendwann einmal im Petit Nice essen, Träumen ist schließlich erlaubt. Das Hotel gehört zur Gruppe Relais & Chateaux und hat eine fantastische Lage.
In diesem Hotel sollte man auf jeden Fall einen Drink nehmen. Die Aussicht auf den Hafen von Marseille spricht für sich. Es gibt drei verschiedene Restaurants, die alle wunderbaren Ausblick auf Marseille bieten.
Unter anderem blickt man von der Terrasse des Sofitel auf eine besondere Restaurantterrasse etwas unterhalb gelegen. Es sah sehr einladend und nett aus und ich werde es bestimmt das nächste Mal ausprobieren. Das Restaurant gehört zum 100 Jahre alten Ruderclub von Marseille und ist auf dessen Dach angesiedelt. Es bietet einen tollen Blick auf den alten Hafen und ein sehr besonderes Corbusiere Ambiente im Inneren. Kommt auch auf meine Liste für den nächsten Aufenthalt. Es heißt schlicht: Rowing Club Marseille
- Hotel, Restaurant und Spa „LES BORDS DE MER“
Essen und Wohnen direkt am Meer mit eigenem SPA im Haus, kann man sehr stilvoll im Hotel, Restaurant und Spa „LES BORDS DE MER“. Wir haben es beim Vorbeilaufen entdeckt. Es liegt genau wie das Restaurant Peron und das Restaurant Petit Pavillon an der Corniche Kennedy direkt am Meer. Eine Gegend in Marseille, die sich gerade sehr entwickelt. Wir haben einige Bauprojekte gesehen. Hier befürchte ich kann man Gentrifizierung live erleben.
Dieses entzückende Restaurant liegt direkt hinter dem Hafen unterhalb des Hotel Interconti. Es wird klassische französische Küche geboten.
Restaurants am Quai du Port Marseille
Ungelogen würde ich sagen, der gesamte Quai du Port besteht aus einem Restaurant neben dem Anderen. Mir empfohlen wurde das Au Bout Du Quai. Es liegt fast am Ende des Hafens und man kann sehr schön außen sitzen.
Auf der anderen Seite des Hafens, gibt es weniger Restaurants, dafür sehr nette Kneipen voller junger Leute.
Wohnen in Marseille – meine Tipps
Es gibt sehr viele schöne Hotels in Marseille und Umgebung. Da wir mit unserem per Zufall entdeckten kleinen Boutique Hotel sehr zufrieden waren, möchte ich es gerne weiter empfehlen. Es liegt sehr zentral keine 5 Minuten vom alten Hafen und direkt ums Eck des sehr schönen Museums Musée Cantini. Die Zimmer, modern und zweckmäßig eingerichtet sind verteilt auf verschiedene Häuser.
Was wir besonders nett fanden, war die Möglichkeit in einem sehr schönen Innenhof zu frühstücken. Wir waren mit dem Auto in Marseille und sehr glücklich über die öffentliche Parkgarage direkt neben dem Hotel. Sicher parken für 20 € am Tag fast direkt am Hotel war für uns super praktisch.
Dem kleinen sehr netten zum Hotel gehörende Concept Store, verdanke ich außerdem einen tollen neuen Badeanzug. Darüber war ich sehr froh, denn bei 24 Stunden Marseille bleibt leider kaum Zeit zum Shoppen.
Dieses Hotel liegt direkt im alten Hafen und bietet Zimmer mit Hafenblick vollverglast. Mir hat es sehr gefallen beim vorbei laufen. Vielleicht beim nächsten Mal. Es ist sicherlich schön auf dem Balkon das Treiben im Hafen zu beobachten, wenn man länger in Marseille verweilt.
Zum Hotel gehört ein schönes Restaurant.
Das Interconti in Marseille ist in einem wunderschönen Palast angesiedelt und hat eine sehr gute Lage etwas hinter dem Hotel Vieux Port. Es liegt sozusagen majestätisch blickend auf den Hafen. Wer hier wohnt kann, so habe ich mir sagen lassen, von einem wunderbaren Frühstück profitieren. Wer nicht hier wohnt, für den lohnt es auf der Terrasse des Interconti einen Drink zu nehmen oder zumindest kurz den Ausblick zu geniessen.
Man hat einen wunderbaren Blick auf die schöne Kirche Notre Dame de la Garde auf dem gegenüberliegenden Hügel von hier. Auch viele der exquisiten Zimmer bieten diesen schönen Blick über den Hafen mit Kirche im Hintergrund.
Wir hatten nicht ausreichend Zeit, aber mit der Buslinie 60 startend am alten Hafen, erreicht man Notre Dame de la Garde per Bus und kann von dort ganz Marseille überblicken. Sehr lohnenswert bei Sonnenuntergang, so wurde mir berichtet. Ich gebe den Tipp gerne weiter.
Kunst und Museen in Marseille
Ich fand es sehr schön quasi im vorbei gehen mit soviel besonderer Kunst in Marseille in Berührung zu kommen. Besonders fasziniert hat mich das spiegelnde Dach direkt am Anfang des alten Hafens. Irgendwo habe ich gelesen, dass den Hauptplan für die Stadtplanung Norman Foster gemacht hat. Leider liest man aber auch, wie eingangs von meiner Freundin bereits angesprochen wurde, dass für die Kultur viel des eigentlichen Marseilles weichen musste.
In der Zeitschrift A&W habe ich folgendes gelesen:
80 Prozent aller Events im Kulturhauptstadtjahr liegen auf dem Areal von „Euroméditerranée“, dem mit 480 Hektar größten Städtebauprojekt Europas. Das einst so berüchtigte wie charmante Gassen- und Kleine-Leute-Viertel um das ehemalige Hafenviertel erobern nun mit Milliardenaufwand Bürotürme, Apartmenthäuser und Luxushotels. Die einen freuen sich auf noble Boulevards, Cafés und Boutiquen. Die Gegner klagen, Marseille verkaufe hier seine Seele.
Die Altsubstanz wurde weitgehend abgerissen, die schönsten Bauten rettete man für die Kultur. „Le Silo“, einst Frankreichs größter Getreidespeicher, beherbergt einen Konzertsaal, eine frühere Tabakfabrik ist zum Kulturzentrum „La Friche la Belle de Mai“ umgewandelt und zeigt zeitgenössische Kunst. Und entlang der Uferstraße Les Quais d’Arenc wächst die Skyline der Zukunft – am besten repräsentiert von Zaha Hadids 142 Meter hohen CMA-CGM-Turm, der sich schwungvoll übers Wasser reckt und den 2010 die Jury des Emporis Awards zum weltweit drittschönsten neuen Wolkenkratzer gekürt hat.
Sicherlich ist das alles kritisch zu sehen. Lieder hilft es jetzt auch nicht mehr, lange darüber zu lamentieren, wie Marseille es besser hätte machen können. Deshalb lohnt es sich, statt dem Alten nachzutrauern, dem Neuen eine Chance zu geben. Zumindest dieses Museum hat sie verdient:
Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers – MUCEM
Wir hatten leider nicht die Öffnungszeiten des MUCEM, wie es genannt wir, nachgeschaut und konnten leider nur den Blick darauf von der Terasse des Sofitel geniessen. Anders als gewohnt hat das MUCEM am Dienstag und nicht am Montag Ruhetag. In der FAZ war zu lesen:
Das Fort Saint Jean war ein Bollwerk, das Marseille vor den Gefahren des Mittelmeeres schützte. Das Mucem, das nun seinen Platz an der vordersten Wasserfront eingenommen hat, ist etwas ganz anderes – es ist Aussichtsplattform, Einladung und eine Verkörperung all dessen, als was sich Marseille seit je versteht, auch und gerade wenn es der ewig missbilligenden großen Schwester Paris seine Vorzüge beweisen will: Es ist ein hybrides Wesen, das die politisch längst gestorbene Idee von der Mittelmeerunion aufgreift und all jenen fremden Einflüssen aus den Anrainerstaaten einen Platz bietet, die Marseille seit Jahrhunderten zu dem machen, was es ist: zu einer Stadt mit Hunderten von Gesichtern.
Ich finde schöner kann man Marseille nicht beschreiben, denn diese Stadt ist und bleibt eine besondere Stadt, die in kein richtiges Raster passen möchte. Ich hatte Freunden auf die Frage, wie gefällt euch Marseille?, geantwortet:
Nett 😉 aber ich bin noch nicht hin & weg.
Ich stehe weiter zu der Aussage, denn mir fehlte das alte Marseille. Gleichzeitig habe ich im Nachgang soviel über diese Stadt nachgedacht, dass ich zugeben muss, manchmal braucht es etwas Zeit, um eine Stadt ganz zu erfassen. Marseille ist so eine Stadt.
Marseille – eine Stadt mit hundert Gesichtern und traumhafter Lage
Wer Marseille verlässt, kann in allen Richtungen viel Schönes entdecken. Wir haben uns kurz die Stadtrände angeschaut und ich mochte die karge Landschaft drumherum sehr. Sehr nett gegessen haben wir noch bevor wir nach Marseille hineinfuhren in einem kleinen Hafen in einem Restaurant mit dem Namen
- Restaurant Au bord de l‘ eau
Was für ein schöner Name. Marseille hat nicht nur viele Gesichter, sondern liegt wahrlich AU BORD DE L‘ EAU und das ist schön und noch schöner mit einem Glas Rose Wein bei Sonnenuntergang.
Auf das schöne Leben – La belle vie – habt eine gute Zeit!
Unbedingt bei einem längeren Aufenthalt die Calongue anschauen. Man kann vom alten Hafen in Marseille mit dem Boot eine Tagestour machen. Wenn das Wetter mitspielt. Bei uns war es zu stürmisch und leider war ja auch zu wenig Zeit.
Noch ein paar Insider Tipps zum Schluss von Corinne, damit ich sie beim nächsten Besuch nicht vergesse:
Meeresfrüchte esse ich das Nächste Mal natürlich hier:
Und Lammfrikadellen und Süßspeisen und CousCous hier:
Danke liebe Corinne 😉 Wann fahren wir gemeinsam nach Marseille?