Schillerndes Innsbruck
Bergkulisse immer inklusive
Welch imposantes Bergpanorama erhebt sich hinter dem Goldenen Dachl in der Herzog-Friedrich-Straße. Vor der Kulisse des mächtigen Hafelekars wirkt dieser spätgotische Prunkerker mit dem berühmtem Dach winzig. 2657 goldfarbene Schindeln aus dem Jahr 1500 strahlen im Sonnenlicht und ziehen Touristen aus aller Welt nach Innsbruck. Mein Blick streift die autofreie Straße entlang: überall pastellfarbene Häuser, prächtig mit Stuck verziert.
Lichtkunst im Kristallwelten Swarovski Store
Alles aus einer anderen Zeit und märchenhaft. Gleich am Anfang der Gasse liegt rechts der Kristallwelten Swarovski Store. Tatsächlich bin ich seinetwegen endlich mal in Innsbruck und nicht auf Durchreise nach Italien. Beim Betreten des Flagshipstores werde ich in eine andere Welt gebeamt. Ich lande 500 Jahre später direkt in der Jetztzeit.
Berliner Lichtkunst in Innsbruck
Licht tanzt vor meinen Augen. Glitzernden Seifenblasen gleich, schwebt es die Wand entlang. Die Berliner Lichtkünstlerin Susanne Rottenbacher hat für die Kristallwelten eine Installation namens Lily Pond geschaffen. Herrlich abstrakt, fast wie action painting, schwingen Lichtlinien und Acrylscheiben durch den Raum. Diese flirrende Seerosen-Landschaft zieht sich beinahe ins Grenzenlose. Rottenbacher hat historische Fensternischen mit Spiegeln versehen. So wird die Wand zum Teil der Installation und vervielfacht das Kunstwerk mit seinen bunten Lichtstreifen und spiegelt den Betrachter. Schillernd schön.
Der Kristallwelten Store als Kunstort
Funky Monet tauft eine Journalistenkollegin die Lichtkunst bei dieser ersten Präsentation. Stimmt, denn die Wandinstallation ist ein vertikaler Seerosenteich. Moment mal! Seerosen inmitten dieser Bergwelt – wie geht das zusammen?
Susanne Rottenbacher läßt sich von der Geschichte des Ortes inspirieren, bevor sie ein neues Kunstwerk kreiert. Sie will dem Raum, in dem sich die Installation befindet, in gewisser Weise Respekt erweisen. Das inzwischen denkmalgeschützte Haus war über 600 Jahre lang ein Gasthaus mit dem Namen Goldene Rose. Die Idee zu den fünf Seerosen entstand bei der intensiven Auseinandersetzung mit dem Tiroler Haus. Die majestätische, entrückte Form der Rose sieht die Künstlerin als spannenden Kontrast zu der architektonischen Enge des ehemaligen Gastraumes. Mit Lily Pond visualisiert Rottenbacher fragmentarisch in dem Kristallwelten Swarovski Store Altes und Neues.
Von einem Gasthaus zu bunten Seerosen
Seit 1985 gehört das Haus dem Unternehmen Swarovski und seit knapp 20 Jahren beherbergt es den Kristallwelten Store Innsbruck. Das Unternehmen lädt immer wieder Künstler ein, die zweigeschossige, freiliegende Wand mit Kunstwerken zu bespielen. Nun also für die nächsten Jahre der Seerosenteich Lily Pond von Susanne Rottenbacher. Es ist eine Hommage an diese längst vergangenen Gasthauszeiten. Dem Besucher der Kristallwelten in Innsbruck selber lässt die Künstlerin ein funkelndes Spektrum an Interpretationsmöglichkeiten.
Acryl meets Kristall
Natürlich ist hier in Rottenbachers Arbeit Kristall zu finden. Erst auf den zweiten Blick entdecke ich neben den faszinierenden Farbverläufen auf den 50 Acryl-Blütenblättern auch kristallin schimmernde Folien. Und unzählige, prismatische Swarovski-Kristalle, die den Blütenstempel formen. So wird die Lichtmalerei aus Berlin noch strahlender. Insgesamt wurden 800 000 Kristalle verwendet und in einer Acrylwerkstatt in Rangsdorf bei Berlin montiert.
Perfektion bis ins Letzte
Vor Ort in Innsbruck hat die Künstlerin mit einigen Helfern vier Tage und Nächte lang in dem Kristallwelten Store gewerkelt, gebohrt und montiert. Teilweise war das sehr schwierig, die Männer hingen auch mal an Seilen in der Wand, die sich schmal wie eine Schlucht über zwei Stockwerke des Hauses erstreckt. Eigentlich passend zu den Bergen der Stadt. Erstaunlich, wie leicht und dynamisch diese doch sehr statische Lichtinstallation am Ende wirkt.
Funkelndes Licht für Jeden
Susanne Rottenbacher selber würde ich als präzise, zurückhaltend und eher minimalistisch beschreiben. Ihre Lichtkunst hingegen ist bunt, grenzenlos und fast rauschhaft. Woher kommt diese Liebe zu Licht und Farbe? Im Licht liegt für die 50jährige die „Charaktereigenschaft von Entgrenzung in den Raum hinein. Das macht es als künstlerisches Medium so faszinierend. Anders als Bronze, Ölfarbe oder was auch immer – der Moment der Auflösung im Material macht mit jedem Betrachter etwas anderes.“ Wenn sie hochkonzentriert über ihre Arbeiten spricht, steckt sie jeden sofort mit ihrer Leidenschaft für Licht an.
Hier in Innsbruck mischt sie die Harmonie des Lichts geschickt mit dem für sie neuen Arbeitsmaterial Kristall. Hat es nicht etwas von einem wahr gewordenen Prinzessinnentraum für Swarovski ein Kunstwerk zu gestalten? Die Künstlerin lacht: „Es stimmt schon, ich bin eher zurückhaltend, gar nicht so blumig und kein Prinzessinentyp. Also ist Lily Pond nicht die Erfüllung eines lang gehegten Traumes, aber am Ende ein Traum. Auch weil ich selber sehr glücklich bin über diese Zusammenarbeit, die traumschön war.“
Mehr magische Lichtkunst
gibt es in Wattens, dem Ursprungsort des Unternehmens und weiteren
Swarovski Kristallwelten in Wattens
Sie sind nur einen Katzensprung von Innsbruck entfernt und definitiv einen Besuch wert. 1895 hat Daniel Swarovski aus Böhmen kommend in Wattens seine kleine Kristallschleiferei gegründet. Am Wattenbach konnte er die Wasserkraft nutzen, die er für seine elektrisch angetrieben Maschinen benötigte. Zum 100. Firmenjubiläum gestaltete der österreichische Multimediakünstler André Heller mit den Kristallwelten ein Wunderland für Schätze rund um kristalline Kunst.
Zwischen Kunst und Kommerz
Gleich am Eingang steht über dem Dach mit Kristallen geschrieben der Spruch Yes to all von Sylvie Fleury. Zunächst erscheint das Kunstwerk als Bestätigung der Konsumgesellschaft und auf seine Inhalte. Eigentlich aber ist das ein sarkastischer Kommentar der Schweizer Künstlerin auf den allgegenwärtigen Konsumwahn und oberflächliche Schönheit. Was für ein interessanter Kontrast zu dem glamourösen Material aus dem dieser Satz besteht.
Kunststars wie Andy Warhol, Salvador Dali, Keith Haring oder Niki de Saint Phalle sind gleich am Anfang der Kristallwelten in der ersten von 17 Wunderkammern zu sehen. In den höchst unterschiedlich gestalteten Räumen gelingt Swarovski der Spagat zwischen Kunst, Kommerz und – um in der Alliteration weiterzudenken – Kitsch. Was mir nicht so gefällt, findet der Nächste einfach großartig. In Kammern, in denen ich verweile, mag der andere gelangweilt weiterziehen.
Mystisches oder Abstraktes in den Kristallwelten
Mit seiner mystischen Atmosphäre packt der Kristalldom in der dritten Wunderkammer sicher jeden Besucher. Aus 595 Spiegeln konstruiert schafft die Kuppel ehrfürchtige Distanz, und ich habe das Gefühl mitten in einem Kristall gelandet zu sein.
Reduziert bis zum Maximum und völlig frei von Glitzer ist die Kammer von Arik Levy. Der israelische Designer und Künstler hat in einen komplett weißen Raum abstrakte, teilweise raumgreifende Skulpturen aus Materialien wie Marmor, Glas, Kunststoff oder Stahl gepackt. In ihrer Form erinnern sie mich an einzelne Schneeflocken oder eben an die Struktur eines Glas-Kristalls.
Funkelndes von Lee Bul
Ebenfalls nicht unter Kitschverdacht steht die Wunderkammer von Lee Bul. Hier ist alles schwarz gestrichen. Kristalle, Spiegel und Lampen bespielen den Raum, den man über eine Rampe emporläuft. Into Lattice Sun spielt auf utopische Landschaften und urbane Welten an. Die koreanische Künstlerin arbeitet gerne mit verschiedensten Materialien und immer schon mit Kristall. Im vergangenen Jahr war sie mit einer viel beachteten Ausstellung im Berliner Gropiusbau zu Gast (mehr auf dem Blog hier).
Bul setzt sich kritisch mit der Politik ihres Landes und der Rolle der Frauen auseinander. Als sie von Swarovski gefragt wurde, ob sie sich vorstellen könne, eine Wunderkammer zu gestalten, überraschte sie mit der Antwort, dass sie ihr ganzes Künstlerleben auf diese Gelegenheit hingearbeitet habe.
Lichtkunst ins Unendliche gespiegelt
Ganz neu ist ein Infinityroom von Yayoi Kusama. Unter dem Titel Chandelier of Grief rotiert ein prächtiger Kristalleuchter und wird durch Spiegel ins Unendliche reflektiert. Spätestens in diesem Raum wird selbst der ärgste Mirror-Selfie-Feind schwach…
Ein Highlight für Augen und Ohren ist Jessye Norman. Der kürzlich gestorbenen Sopranistin kann ich bei ihrer Arie Thy Hand, Belinda aus der Oper Dido und Aeneas lauschen. Vor den Bildschirmen liegt ein riesiger Bergkristall aus Madagaskar – und er darf angefaßt werden. Hier wird klar, dass natürlicher Kristall anders schimmert, als der von Menschen geschliffene, im Licht wundervoll leuchtende Swarowski-Kristall.
Schönheit ist auch eine Frage der Perspektive. Fakt ist: Kunst darf vieles sein. Es lohnt sich in das kristalline Spektrum in Wattens einzutauchen. Besonders ist auch der Garten der Kristallwelten. Von dort hat man neben Kunst mit Kristallen auch einen grandiosen Blick auf die umliegende Bergkulisse.
Ein Kunst-Tag in Innsbruck
Auf geht‘s!
Wem der Ausflug nach Wattens zu glitzerig erscheint, der kann überall in der Tiroler Hauptstadt zeitgenössische Kunst entdecken. Im Kunstraum Innsbruck werden vier Mal im Jahr sehr aktuelle und zeitgenössische Positionen gezeigt. Daneben ist die Galerie Elisabeth und Klaus Thoman – allein deren Räume sind einen Besuch in dem Hinterhof der Maria-Theresien-Straße wert. Die Galerie vertritt Künstler wie Herbert Brandl, Tal R, Günther Förg, Erwin Wurm oder Franz West und Rudolf Polansky. Die letzten beiden Österreicher stehen zur Zeit in Berlin bei Konrad Fischer in Berlin im Dialog. Mehr zur Ausstellung West beleuchtet Polansky hier.
An anderer Stelle in Innsbruck lauscht ein überdimensionales Ohr. Es ist von der Künstlerin Isa Genzken und an der Fassadenwand des Rathauses zu finden. Spontan erinnert es mich auch an einen ihrer Weltempfänger, für die sie Betonabgüsse von Transistorradios gemacht hat.
Geschichte und Natur im Wechsel
Natürlich lohnen sich die Besuche in der Kaiserlichen Hofburg, dem Innsbrucker Dom, der Hofkirche und der Bergisel Schanze. Gleich zweimal – 1964 und 1976 – fanden in Innsbruck die Olympischen Winterspiele statt. Die Stararchitektin Zaha Hadid hat die in die Jahre gekommene Schanze 2003 neu gebaut. Seither ist das organisch-dekonstruierte Bauwerk zusammen mit dem Goldenen Dachl ein weiteres Wahrzeichen der Stadt. Ich habe mich an diesem sonnigen Tag auch zeitweise durch Innsbruck treiben lassen und die Ausblicke auf die nahen Berge genossen. Für den nächsten Besuch nehme ich mir den sogenannten Goethe-Wanderweg hoch über der Stadt vor.
Zu guter Letzt einige Essens-Tipps
In Wattens kann der Hungrige an Erwin Wurms Curry-Bus in den Kristallwelten am Übergang zum Garten schnell mal etwas Fastfood essen. Hotdogs (Klassik-, Alpen- oder Italo-Variante) aus dem dicken, aufgeblasenen VW-Bus gereicht zu bekommen ist ein großer Spaß.
Zusammen mit der Künstlerin Susanne Rottenbacher, Carla Rumler, der Kreativdirektorin von Swarovski, Lichtkunst-Sammlern, Galeristen und Journalisten habe ich in Innsbruck vor Lily Pond ein herrliches Abendessen im Family-Style mit Risotto und Pasta genossen.
Ein paar Tipps habe ich im Nachhinein rausgesucht und auf meine to-do-liste für den nächsten Innsbruck-Besuch gesetzt: Traditionell österreichische Küche gibt es im Gasthof Weisses Rössl. Wem das Herz bei Burgern höher schlägt, dem empfehle ich das Restaurant Ludwig. Wer eher als Vegetarier glücklich wird, der sollte in Restaurant Olive gehen. Mehr Tipps gibt es bei Falstaff hier.
Und übernachten kann man mitten im Zentrum und sehr ruhig im Hotel Penz. Dort dann mit Blick auf Isa Genzkens überdimensionale Ohr-Fotografie.
Infos
Kristallwelten Swarowski Store Innsbruck
Lily Pond Lichtkunst-Installation von Susanne Rottenbacher
- täglich geöffnet von 8 bis 19.30 Uhr
Herzog-Friedrich-Straße 39
6020 Innsbruck, Österreich
Kristallwelten Swarovski Wattens
Wunderkammern und Garten
- täglich geöffnet von 8.30 – 19.30 Uhr
Kristallweltenstraße 1
6112 Wattens, Österreich
Die nächste Ausstellung von Susanne Rottenbacher
läuft vom 8. November 2019 bis zum 1. Februar 2020 in der
- am 7. November ab 18 Uhr ist die Eröffnungs-Vernissage
danach Öffnung nach Vereinbarung unter mobil 0172 – 8176791
Zieblandstraße 19 in 80799 München
3 comments
Vielen Dank … aufschlussreicher geht nicht ????????❣️
Danke – freut mich!
Vielen Dank liebe Sophie‘