Selbst „Mir-ist-Wetter-so-egal-Typen“ wie mich nervt diese farblose Haube über der Stadt irgendwann. Sobald sich die Wolkendecke aber hebt, heißt es raus an die Luft! Ab an die Seen in Dahlem oder Zehlendorf. Durchlüften und dazu gibt es zudem Kunst als Mittel gegen den Winterblues:
- Haus am Waldsee
- Kunsthaus Dahlem
- Brücke-Museum
1. Glück pur – Das Haus am Waldsee, Berlin Dahlem
Museumsbesuch gegen den Winterblues
In Montreal verschreiben Ärzte ihren Patienten gegen Depression keine bitteren Pillen, sondern Museumsbesuche. Gemälde anzuschauen soll helfen, das Glückshormon Serotonin zu produzieren. Weltweit ist das eine einzigartige Initiative des Montreal Museum of Fine Arts und der Ärztevereinigung Medecins francophones Du Canada (MfDC).
In Kunst abtauchen und sich von ihr beflügeln lassen ist großartig.
Perfekt in der Kombination mit klarer Winterluft am Schlachtensee, der Krummen Lanke oder dem Grunewaldsee.

Susanne Rottenbacher Lichtinstallation und Karin Sander Gebrauchsbilder
Große Namen im Haus am Waldsee
Definitiv einer einer der schönsten Kunstorte in Berlin: Das Haus am Waldsee. Abgesehen davon, dass es an einem idyllischen See liegt mit Skulpturengarten und einem hübschen Café – hier gibt es immer beste Kunst. Und das bereits seit 1946: Käthe Kollwitz, Henry Moore oder Juan Miró und Andy Warhol haben hier schon ausgestellt. Seit Katja Blomberg das Haus 2005 übernahm, hat sie internationale Künstlerinnen und Künstler, die in Berlin leben und arbeiten, gezeigt: Sven Drühl, Olafur Eliasson, Leiko Ikemura oder den Architekten Jürgen Mayer H., um nur einige zu nennen.

Skulpturengarten und der idyllische Waldsee
Das umgekrempelte Museum
Nach eineinhalb Jahren Renovierungsarbeiten macht die in Berlin lebende Künstlerin Karin Sander mit ihrer Schau „A-Z“ den Auftakt im neuen, alten Haus am Waldsee. Wer jetzt dem Titel gemäß eine Retrospektive erwartet, der täuscht sich. Sander hat das Innen nach Außen gekehrt. Ihre Kunstwerke versammeln sich am und nicht im Haus. Sie hat mindestens 53 weiße Leinwände in verschiedenen Größen an die Fassade montiert.
Herrlich weiße Flächen am Haus am Waldsee
Diese werden Regen, Schnee und Baustellenschmutz aufnehmen und konservieren. Wieso Baustelle? Noch bis zum Frühjahr wird an dem Gebäude und auf dem Gelände gearbeitet. Ideal für Sanders Gebrauchsbilder, Patina Paintings – wie auch immer diese Konzeptkunst heißt. Wie Tagebücher bringen sie mich zum Lächeln oder Staunen, laden zum Nachdenken, zum genauen Hinschauen, vielleicht sogar zum Mitmachen. Diese noch weißen Flächen erzählen zum Ende der Ausstellung nach sechs Wochen von der Zeit, die über sie hinweg gegangen ist. Vergänglichkeit und Zeit werden so sichtbar gemacht.

Erste Spuren auf den Gebrauchsbildern
Frisch renoviert
Im Inneren geht es ausschließlich um die Architektur des Hauses. Die Wände strahlen weiß. Lediglich kleine Hinweisschilder betiteln die Kunst außen. Da ist vom Musik- und Speisezimmer, dem Billardzimmer, der Ankleide und dem Badezimmer die Rede. Ich sehe ihn plötzlich vor mir; den Flügel, den Ess- und Billardtisch, elegante Kleider in Schränken und die Badewanne…

Beschriftung der Bilder im Innern des Gebäudes
Kaffee und mehr in der ehemaligen Garage
Die Kunst von Karin Sander lässt dem Besucher und dem Haus viel Raum. Raum, die renovierten Wände, Böden, Türen genauer zu betrachten. Zudem wurde die Beleuchtung erneuert und der im Krieg zerstörte Ostflügel rekonstruiert. Da wo einst die hauseigene Tankstelle und Garage waren, kann ich nun Kaffee trinken – und künftig an Künstlergesprächen teilhaben. Und das alles vor einem extra für das Haus am Waldsee angefertigten Vorhang von Künstler Tobias Rehberger, der hier auch demnächst ausstellen wird.

Der Anbau mit Café und Veranstaltungsraum
Yoga unter einem Dach mit der Kunst
Übrigens hatte sich ein Regenmantel-Fabrikant 1922 das Haus am Waldsee bauen lassen. Hell und heiter sollte es sein. Doch schon vier Jahre nach seinem Einzug konnte er sich seinen Traum nicht mehr leisten. Danach wechselten die Besitzer häufig. Direkt nach dem zweiten Weltkrieg wurde das Gelände zu einem der ersten Orte Berlins, an dem Kunst die Hauptrolle spielt. 73 Jahre später ist das Ensemble wieder in seinem ursprünglichen Zustand und um 400 Quadratmeter größer. Mitsamt einem Dachboden, in dem immer Mittwochs Yoga stattfindet und einer kleinen Gastwohnung für Künstler. Nichts wie hin also, es lohnt sich diesen Ort neu zu entdecken – besonders Karin Sanders Kunstwerke, die gerade erst beginnen Kunst zu werden.

Karin Sander Installation von Innen
2. Das Kunsthaus Dahlem
Ein sehr versteckter Kunstort in Berlin Dahlem
Eine echte Neuentdeckung ist für mich das Kunsthaus Dahlem. Es wurde schon 2015 eröffnet, aber erst jetzt war ich endlich da und es lohnt sich sehr. Moderne Nachkriegskunst und Skulpturen des Berliner Bildhauers Bernhard Heiliger mischen sich auf dem Areal mit schwieriger Vergangenheit.

Großer Phönix III,
Skulptur von Bernhard Heiliger
Schwierige Geschichte – Kunsthaus Dahlem
Das Museum ist in dem ehemaligen Atelierhaus von Arno Breker beheimatet. Adolf Hitler hat das Gebäude 1942 für seinen Lieblingsbildhauer bauen lassen. Nach dem Krieg besetzten zunächst sowjetische Soldaten, dann die Information Control Divison der Amerikaner das Haus. Schließlich wurde es wieder zu einem Atelier und beherbergte jahrzehntelang den Bildhauer Bernhard Heiliger. Für Arno Breker war es mehr Vorführatelier als Produktionsstätte, dennoch ertappe ich mich während meines Besuches in den drei Atelierhallen bei dem Gedanken, ob ich diese sehr klare, modern wirkende Architektur gut finden kann.

Außenansicht Kunsthaus Dahlem
Wunderbare Wunderwelten
Aber das ist ein anderes Thema und ich beschließe, die Kunst in den Räumen auf mich wirken zu lassen. Im Moment gibt es drei kleine, feine Ausstellungen: im ersten Raum die in Berlin lebende Künstlerin Tatjana Schülke. „ Inside Out“ zeigt aktuelle Keramikarbeiten, Skulpturen und Collagen aus unterschiedlichsten Materialien. Herrlich in diese geometrischen Wunderwelten einzutauchen und nach dem Geheimnis zu forschen, aus welchem Stoff die Arbeiten wohl gemacht sind.
Im Skulpturenhimmel
Ganz klar aus Bronze sind die im Hauptraum versammelten Skulpturen von Größen wie Ernst Barlach, Anton Hiller, Wilhelm Lehmbruck, Bernhard Heiliger und anderen. Die Schau „Was war Europa?“ bezieht sich auf eine Ausstellung im Münchner Haus der Kunst von 1950. Fünf Jahre nach dem Ende der Nationalsozialisten, wurden dort deutsche Bildhauer erstmals mit westeuropäischen Arbeiten von etwa Henry Moore oder Aristide Malliol gemeinsam präsentiert. Im Kunsthaus Dahlem werden nun nochmals die deutschen Positionen aus der Münchner Ausstellung gezeigt. Spannend – zumal auch das Haus der Kunst mit seiner Vergangenheit im Dritten Reich zu kämpfen hat.
Farbenfrohe Würfel, Quader, Kugeln und Nägel
Fröhlich bunt sind die Arbeiten der Künstlerin Hal Busse. „Zero plus Eine“ zeigt pinkschillernde Collagen, rote Nagelbilder, regenbogenfarbene Sperrholzarbeiten kurz: immer alles mit Farbe. Busse stand der Zero-Gruppe um Otto Piene und Heinz Mack nahe. Das merkt man an ihren frühen Arbeiten, die die Grenze zwischen Malerei und Skulptur aufheben. Klötzchen gestapelt verschieben sich mit der Position des Betrachters gekonnt und spielen dabei mit ihren Farbmustern. Gute Laune garantiert. Im Kunsthaus Dahlem wird die Heilbronner Künstlerin gewürdigt, die einige Jahre im Zentrum der Kunstavantgarde stand.

Hal Busse
3. Immer einen Besuch wert – Das Brücke-Museum, Berlin Dahlem
Lila Kühe und grüne Gesichter
Direkt durch den Skulpturengarten des Kunsthauses gelange ich in das Brücke-Museum. Das von Werner Düttmann 1967 gebaute Museum hat die weltweit größte zusammenhängende Sammlung von Werken der Brücke-Künstler. Die Brückemaler wie Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Ernst Ludwig Kirchner oder Emil Nolde gelten als Wegbereiter für den Expressionismus. Sie vereinfachten ihre Motive auf das Wesentliche, malten impulsiv und mit dynamischem Strich. Damals unerhört – bei Kirchner wurde eine Kuh schon mal lila, Gesichter grün und der Schnee rot-orange. Unerhört cool.

In der Mitte: Stafelalp, Rückkehr der Tiere (von 1919)
Sehenswerte Zauberberg-Welten
Schon seit Schulzeiten faszinieren mich die intensiven Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner. Wie wunderbar ist es aus grauen Februartagen in seine bunten Zauberberg-Welten einzutauchen. Der Baseler Kunsthändler Eberhard W. Kornfeld hat den Künstler zwar nie persönlich getroffen, aber hat eine der bedeutendsten Sammlungen von Werken aus Kirchners Privatbesitz. Gemälde, Aquarelle, Zeichnungen, Möbel, Teppiche, Schmuckstücke, Kissen und sogar eine geschnitzte Kaffeemühle werden erstmals gezeigt.

Kaffeemühle, Kissen aus dem Haus von Kirchner
Kirchners Kosmos
Tiefer sehen und weiter eindringen…“
das war es, was sich der deutsche Künstler ersehnt, als er 1917 in die Schweizer Alpen zog. Er lebt sehr einsam, oberhalb von Davos und weit weg vom Luxus moderner Großstädte. In der kargen Bergwelt ist er bis zu seinem Selbstmord 1938 produktiv. Auf seinen Reisen setzte er sich mit anderen Künstlern auseinander, besonders mit Pablo Picasso, den er für „eigenartig, aber auch für den besten“ hielt. Kirchner bewohnte zwei Häuser – beide Gesamtkunstwerke an sich. Eine must-see Ausstellung, die tiefere Einblicke in den Kosmos Kirchner gewährt.

Selbstporträt Ernst Ludwig Kirchner (1925/26)
Info-Teil
Karin Sander
- Bis zum 3. März
- Di bis So 11 bis 18 Uhr
Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
Tatjana Schülke- Inside Out
Hal Busse – ZERO plus Eine
- Beide Ausstellungen bis zum 8. April
- Mi bis Mo 11 bis 17 Uhr
Was war Europa?
- bis zum 2. Juni 2019
Käuzchensteig 8, 14195 Berlin
Ernst Ludwig Kirchner – Die Schweizer Jahre
Meisterwerke aus der Sammlung E.W. Kornfeld
- Bis 31. März
- Mi bis Mo. 11 bis 17 Uhr
Bussardsteig 9, 14195 Berlin