Julian Rosefeldt – Manifesto : Cate Blanchett in zwölf Rollen …

… und was hat das mit Kochen zu tun? Schon mal was von Tomato Art gehört? Nein … dann aber los!

written by Natali Borsi 10. Februar 2016

Manifesto – Julian Rosefeldt und Cate Blanchett

Julian Rosefeldt im Hamburger Bahnhof

Ich komme gerade aus dem Berliner Museum Hamburger Bahnhof und habe dort einen Entschluss gefasst. Der Titel dieses Blog-Magazins ist Kochen, Kunst & Ketchup, aber die Kunst kommt seit langem zu kurz. Warum? Weil ich irgendwie vom Weg abgekommen bin und an manchen Tagen mich Kunst genauso langweilt wie schlechtes Essen, denn Beides gibt es leider viel zu oft. Aber gerade komme ich aus einer Ausstellungseröffnung, die wie der Duft von reifen Tomaten Lust und Appetit macht auf mehr – in diesem Fall nicht auf das Kochen von Tomatensugo, sondern Lust macht auf mehr Kunst. Cate Blanchett spielt dabei eine – nein genauer gesagt 12 Hauptrollen – und in einer dieser Rolle sinniert sie als „konservative Mutter mit Familie“ über Kunst und dabei fällt auch der Satz „I am for an tomato art ….“ Tomato Art? Cate Blanchett? Ja ist das jetzt Kunst hier?

 

Ich bin Kunst! Künstlermanifeste  – alte Manifeste modern inszeniert

Künstlermanifeste gibt es kaum noch. Sich ihrer anzunehmen und neu zu präsentieren ist eine spannende Idee. Umgesetzt hat sie der 1965 geborene und in Berlin lebende und international durch aufwendig inszenierte Videoinstallationen bekannt gewordeneKünstler Julian Rosefeldt. Er hat historische Originaltexte aus zahlreichen Manifesten von Künstlern, Architekten, Choreografen und Filmemachern collagiert – darunter Texte von Filippo Tommaso Marinetti, Tristan Tzara, Kazimir Malevich, André Breton, Claes Oldenburg, Yvonne Reiner, Sturtevant, Sol LeWitt oder Jim Jarmusch. Aus diesen Texten sind so durch Kürzungen und Kombinationen 12 Monologe entstanden, die die Schauspielerin Cate Blanchett in 12 Filmen in unterschiedlichen Rollen und Szenerien vorträgt. Cate Blanchett verwandelt sich in eine Puppenspielerin, eine Trauerrednerin, eine Brokerin, eine Obdachlose, eine Arbeiterin, eine Punkerin, eine Choreografin, eine Nachrichtensprecherin, eine Wissenschaftlerin …. und ist in jeder Rolle einzigartig!

 

Eine wunderbare Cate Blanchett in zwölf Rollen

Jede Rolle zeigt eine unglaublich wandlungsfähige Cate Blanchett, man glaubt kaum ein und dieselbe Person zu sehen. Allein das ist schon beeindruckend genug, aber auch jeder Film für sich fasziniert auch unabhängig von Frau Blanchett. Die Szenerie, die Drehorte, die Kulissen und Kostüme sind ästhetisch, schockierend, skurril, verrückt und im Zusammenspiel der Filme eine beeindruckende Erfahrung. So sind die Filme so geschnitten, dass Szenen komplett parallel zuzulaufen scheinen und auf einmal rezitiert Frau Blanchett verschiedene Kunstmanifeste in Großformat als 12 verschiedene Personen und schaut einem dabei auf 12 Bildschirmen im Großformat an. Ja – da kann man als Frau Blanchett wirklich sagen ICH BIN KUNST! Und als Zuschauer in der Beobachterperspektive fühlt man sich auch ein wenig wie ein Kunstobjekt. Denn irgendwie wird man beim Betrachten und Zuhören auch zum Teilnehmer.

Julian Rosefeldt hat Manifeste ausgewählt, die zwischen 1900 und der Jahrtausendwende entstanden sind. In einem Interview für das Kunst Magazin Monopol sagt Rosefeldt:

„Von den ganzen ausgewählten Manifest-Autoren habe ich sehr subjektiv ausgewählt, deren Manifeste ich am faszinierendsten, aber auch ganz einfach am sprechbarsten fand. Beim genaueren Lesen wurde mir dann aber bewusst, dass bestimmte Manifest Leitideen wiederkehren und hervorragend zueinander passen. So vertragen sich zum Beispiel Äußerungen von Wassily Kandinsky und Franz Marc bestens mit Gedanken von Barnett Neumann. Und auch Texte von André Breton und Lucio Fontana ließen sich verknüpfen. In anderen künstlerischen Bewegungen, wie beispielsweise DADA oder FLUXUS, äußerten sich gleich so viele Manifest-Autoren, dass es nahelag, daraus ein Kondensat, also zum Beispiel eine Art Super-DADA-Manifest, neu zu arrangieren. Durch Kürzungen und die Kombination von Originaltexten aus mehreren Manifesten sind so schließlich zwölf Manifest-Collagen entstanden. Und die lasen sich so stimmig, dass man die Grenzlinien zwischen den Fragmenten gar nicht mehr herauslesen konnte. „Manifesto“ ist also insgesamt auch wieder eine Art Gesamtmanifest – ein Manifest der Manifeste.“

 

Spannend ist, wie Julian Rosefeldt die Manifeste filmisch umgesetzt hat und welche Manifeste zu welchen Szenen und Charakteren zugeordnet hat. So entscheidet er sich z.B. das POP ART Manifest von Claes Oldenburg von 1961 nicht poppig sondern sehr konservativ zu inszenieren. Cate Blanchett schlüpft in die Rolle einer erzkonservativen Südstaaten Mutter und spricht den Text als Tischgebet vor dem Sonntagsmittagessen der Familie. Er zeigt damit auf eine sehr skurrile Weise die gesellschaftliche Enge und Beklemmung gegen die POP ART antrat. Und mir hat besonders gut gefallen, wie Frau Blanchett mit wunderbarerer Hingabe die Sauce über das Sonntagsgeflügel schüttet nachdem sie ihr Pop Art Tischgebet gesprochen hat. Danach schwenkt die Kamera ins Wohnzimmer, das von sehr skurrilen Objekten bewohnt wird, aber mehr verrate ich jetzt hier nicht. Wer die Gelegenheit hat, der sollte unbedingt selbst dieses Manifest der Manifeste anschauen. Die Ausstellung ist noch bis zum 10. Juli 2016 im Hamburger Bahnhof in Berlin zu sehen und danach nach Aussagen des Künstlers als lineare Filmfassung auf Filmfestivals und in einem neuen Kunst-im-TV-Format im Bayrischen Rundfunk hoffentlich weiterhin zu sehen.

Aber ich kann jedem, der die Chance hat die Filme parallel als 12-Kanal-Filminstallation zu sehen nur raten diese wahrzunehmen. Synchron auf 12 Leinwänden von Frau Blanchett in 12 verschiedenen Rollen geradezu umtanzt zu werden ist mehr als nur beeindruckend. Vor allem in dem Moment, wenn auf einmal alle gesprochenen Manifeste verschmelzen und dies auch im Sound zusammenfließt. Am schönsten wäre es, wenn man die Ausstellung ganz alleine besuchen könnte, denn eigentlich muss man sie an verschiedenen Stellen im Raum auf sich wirken lassen und die zeit haben danach die einzelnen Filme in Ruhe zu betrachten. Also etwas Zeit mitbringen, wer die Ausstellung besucht.

 

Und wer ist eigentlich Julian Rosefeldt?

Julian Rosefeldt hat Architektur studiert und arbeitet als Künstler mit komplexen Filminstallationen. Seine Arbeiten sind in renommierten Sammlungen zu finden, darunter dem Museum of Modern Art in New York.

Und zum Schluss passt dann doch auch alles wieder zum Kochen und einem Blog der Kochen, Kunst & Ketchup heißt. Mich begleitet hat meine liebe Freundin und Künstlerin und wunderbare Köchin Nargis. Sie hat schon für mich und meinen Küchenhocker gekocht und so schließt sich der Kreis. Den Artikel dazu gibt es hier:

KOCHEN IST KUNST UND WENN EINE KÜNSTLERIN KOCHT, DANN ERST RECHT – DER KÜCHENHOCKER ZU GAST BEI DER KÜNSTLERIN NARGIS RAKHMANOVA

Vielleicht liest das ja jetzt Herr Rosefeldt und hat auch Lust für meinen Küchenhocker und mich zu kochen – ich wäre sehr gespannt was dann auf den Teller kommt 😉 Sollte es dazu kommen, werde ich natürlich darüber berichten.

Mein Fazit zur Ausstellung – unbedingt anschauen!

Was: Julian Rosefeldt. Manifesto
Wann: 10. Februar bis 10. Juli 2016
Wo:Hamburger Bahnhof
Öffnungszeiten: Dienstag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag von 10 20 Uhr sowie Samstag und Sonntag von 11 bis 18 Uhr
Eintritt: 14 Euro, ermäßigt 4 Euro (Hausticket inkl. Ausstellung)

Ein Gespräch mit dem Künstler Julian Rosefeldt und der Ausstellungskuratorin Anna-Catharina Gebbers findet am Sonntag den 14. Februar 2016 um 12 Uhr im Hamburger Bahnhof statt. Siehe auch dazu die FB-Seite.

 

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