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It’s not about the money
von Manuela Alexejew / Thomas Kausch
Die Geschichte geht so: Trifft ein Nachrichtenjournalist auf eine Kunstsammlerin und ist von ihrer Welt fasziniert. Daraus ist das Buch It‘s not about the Money entstanden. Der Nachrichtenmann Thomas Kausch hat die Geschichten aus der Kunst, die ihm Manuela Alexejew im ersten Jahr der Pandemie bei gemeinsamen Treffen erzählt hat, aufgeschrieben.
Anhand verschiedener Kunstwerke erzählt die Sammlerin kurzweilig, wie die Bilder zu ihr kamen. Und ganz nebenbei wird ihr aufregendes und glamouröses Leben beleuchtet. Dabei hat sie nie die Bodenhaftung verloren und
ist immer authentisch geblieben.
Die gebürtige Berlinerin studierte Design, bevor sie in den 70er Jahren als Stewardess bei der damals sehr mondänen Fluglinie Pan Am anheuerte. 1978 traf sie auf ihren Mann Carlos Brandl, der ihre Leidenschaft zur Kunst teilte. Gemeinsam flogen sie zu Versteigerungen rund um die Welt, tauchten in die Kunst-Upperclass ein.
Prächtige Sammlung
In ihrem großzügigen Loft mischen sich wild Möbel der Wiener Session, schöne Dinge und allerlei Krimskrams mit tollster Kunst: Da hängen ein geheimnisvoller Otto Dix, ebenso wie monumentale Werke von Jonathan Meese oder Yayoi Kusama, oder eine Goldbarren-Skulptur von Alicja Kwade. Alles ist von musealer Qualität, nur hier wird damit gelebt. Ab und zu werden die Werke ausgeliehen, gehen auf Reisen und werden Teil hochkarätiger Ausstellungen.
It’s not about the Money nimmt mich mit auf eine faszinierende Zeitreise und ist wunderbar bebildert. Der eklektische Wohn-Kunst-Mix verschönert triste Wintertage und die Geschichten entwirren die verworrene Kunstwelt. Zeigt einen wunderbar unprätentiösen Umgang mit Kunst.
- Manuela Alexejew / Thomas Kausch, It‘s bot about the money, Steidl Verlag, € 35.
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1000 Jahre Freud und Leid
von Ai Weiwei
Überleben ist die einzige Aufgabe, wenn es keine soziale Gerechtigkeit gibt. Schon Ai Weiweis Vater, der Dichter Ai Qing wurde verfolgt. Darüber erzählt der chinesische Künstler Weiwei in seinen Erinnerungen 1000 Jahre Freud und Leid. Es sind seine Memoiren und die des Vaters, aufgeschrieben für den eigenen Sohn. Immer wieder finden sich im Buch verstreut die Gedichte des Vaters.
Ai Weiwei schlägt den Bogen zur chinesischen Geschichte, schließlich wurde er 1957 geboren – im Jahr der Kulturrevolution. Sein Vater wurde verbannt, als er selbst zehn war, danach lebten sie in einem Erdloch, womit er heute seine Liebe zu Höhlen erklärt. Gemeint ist damit sein Berliner Atelier, das im Keller einer ehemaligen Brauerei liegt und ohne Tageslicht auskommt.
Er erzählt von seiner Zeit in New York, wo er nach 30 Jahren im Kommunismus auf Andy Warhol und eine ziemlich chice Kunstwelt traf. In dem Buch geht es auch um seine Isolationshaft in China und wie er die überlebt hat. Immer wieder blitzt ein privater Ai Weiwei durch und er teilt tiefe Gedanken. Dabei geht es dem Regimekritiker nicht nur ums Politische.
Versöhnliche Lektüre
Was für ein gutes Buch, so flüssig aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt von Elke Link und Norbert Juraschitz. 1000 Jahre Freud und Leid hilft, den Künstler Ai Weiwei besser zu verstehen. Aus dem Gefühl jahrzehntelang ein Außenseiter gewesen zu sein, zieht er viel Energie, die er in künstlerische Arbeit umsetzt.
In den vergangenen Jahren habe ich selber zunehmend mit dem Werk des Künstlers gehadert. Es schien so repetitiv und das laute Geschrei des Menschenrechtsaktivisten Ai Weiwei war irgendwie anstrengend. Dann war da noch diese harsche Kritik an Berlin bevor er nach London zog. Obendrein verkauft er seine Kunst im Baumarkt und zuletzt hat er Espresso-Tässchen kreiert. Kunst für alle – ok! Ai Weiwei weiß, dass
die Welt brüchig ist und nicht beständig.
Und mit der Lektüre des Buches wird klar, dass sein Einsatz für Flüchtlinge eines in ihm verwurzeltes Anliegen und nicht aufgesetzt ist.
- Ai Weiwei, 1000 Jahre Freud und Leid, Penguin Verlag und in der Buchhandlung ihres Vertrauens für € 38.-
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Bilderreise
mit Tim Berresheim
Fantasie- und spannungsreich sind die Welten von Tim Berresheim. Seit 20 Jahre arbeitet er mit computergenerierter Kunst, bannt sie auf Papier oder andere Materialien. Damit hat er international Erfolg, auch, weil das Publikum sieht, dass es sich bei seinen Werken nicht um bessere, überdimensionierte Bildschirmschoner handelt. Da steckt einfach mehr drin.
Für seine Heimat, den Kreis Heinsberg hat er im Sommer eine Radtour mit seiner Kunst geschaffen. Über 90 Kilometer kann jeder an 17 Stationen
per Bilderreise-App Augmented Reality erleben
und so endgültig verstehen, wie sie funktioniert. Die Kunstwerke schweben im Handy vor ehrwürdigen Kirchen, romantischen Schlössern und idyllischen Weihern. Was für ein herrlicher Bilderreigen sich da auftut.
Kluge Texte
Jetzt im Winter ist es mir zum Radfahren etwas zu frostig. Da fehlt nicht nur die richtige Ausrüstung, sondern auch die Motivation. Die Gelegenheit also mich total gemütlich zu Hause in die Bilderreise als Buch zu versenken. Die knalligen Landschafts-Kunstwerk-Abbildungen steigern die Vorfreude auf den Frühling. Dann wird nämlich die To-Do-Liste abgearbeitet und die Radtour quer durchs Heinsberger Land steht an.
Bis dahin erweitern intelligente Texte von Hans-Jürgen Hafner über „krass reale Gegenwarten“ mein Denken, ohne dass ich in die Pedale treten muss. Der Kopf bleibt immer in Bewegung, denn das Hirn will Arbeit.
- Tim Berresheims Bilderreise, Salon Verlag, € 25 – gibt es im gut sortierten Museumshop, in der Buchhandlung König und hier
- Noch mehr Tim Berresheim bietet der 464 Seiten starke Katalog Aus alter Wurzel neue Kraft. Für € 40,- bekommt man einen super Einblick in seine letzten Projekte und Arbeiten im digitalen Raum. Bestellung bitte hier entlang.
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Autistic Disco
von Lars Eidinger
Kondensstreifen der Flugzeuge am Himmel bilden ein A wie das für Anarchie. Ein Strandkorb steht einsam auf einem Balkon mitten im unwirklichen Neubaugebiet. Komisches, mal schrill und mal dezent, Allgegenwärtiges, was wir in unserer täglichen Hektik allzu gerne übersehen. Lars Eidinger nimmt solche zarten Momente der Entrückung wahr.
„Ich fotografiere mit dem Telefon“,
wie er selbst sagt. Lange Zeit hat er diese Bilder auf seinem Instagram-Kanal veröffentlicht. Der Schauspieler ist nicht nur dort mit 178 Tsd. Followern ein Star. Aber die sehen seine spontanen Fotografien zuerst und liken sie sehr, sehr gerne.
Seine Bilder aus unserer Gegenwart haben es inzwischen aus dem sozialen Netzwerk ins Museum geschafft. Derzeit sind sie in der Hamburger Kunsthalle in der Schau Klasse Gesellschaft im Dialog mit Alten Meistern und niederländischen Malern zu sehen.
Herrliche Absurditäten
Zudem ist das Buch Autistic Disco entstanden. Und das macht einfach Spaß. Nachdem ich Eidingers Bilder im Sommer ganz real bei Sommer. Frische. Kunst in Bad Gastein in einer Ausstellung gesehen habe, liegt das Büchlein samt persönlicher Widmung in meinem Wohnzimmer. Immer wieder blättere ich darin und jedes Mal fliegt mir kurz ein Lächeln übers Gesicht. Herrlich durch Eidingers gesammelte Absurditäten zu mäandern und seiner Perspektive analog nach zu spüren.
- Lars Eidinger, Autistic Disco, € 30, Hatje Cantz Verlag
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Infinity Net – Meine Autobiografie
von Yayoi Kusama
Sie findet ihre Heilung in der Kunst: die großartige Yayoi Kusama. Ihr Leben ist nicht so bunt wie ihre Bilder, die Millionen in aller Welt faszinieren, aber gerade deshalb lohnt es ihre Autobiografie zu lesen.
„Ich bin eine moderne Alice im Wunderland“,
sagt sie selbst. Eher nüchtern als märchenhaft erzählt die japanische Künstlerin ihr Leben.
Dabei nimmt sie die Leser zunächst nach New York mit, wo sie als Avantgarde-Künstlerin mit ihren Polkadots erstes Aufsehen erregt. Spannend ihre Erinnerungen an Künstler-Kolleg:innen wie Georgia O’Keefe oder Andy Warhol.
Bald folgen ihre berühmten Infinity-Mirror-Rooms, aber auch ihre Depressionen holen sie im Land ihrer Träume ein. Schon als Zehnjährige hatte sie das erste Mal Halluzinationen, unter denen sie ihr Leben lang leidet. Seit 1973 kehrte sie nach Japan zurück, begab sich in den 90er Jahren schließlich freiwillig in eine Klinik, wo sie immer noch lebt. Von hier aus geht sie täglich in ihr Atelier und schafft beglückende Kunst.
Das Kusama-Erlebnis
Mit 90 Jahren ist sie immer noch höchst produktiv. Für die fantastische Ausstellung A Bouqet of Love I saw in the Universe im Gropius Bau hat sie bis kurz vor der Eröffnung in ihrem Atelier Bilder gemalt. Zur Ausstellungsbesprechung bitte hier entlang. Und zum Gropius Bau gibt es auch eine Folge von Kunst kocht.
- Yayoi Kusama, Infiinity Net – Meine Autobiografie, Piet Meyer Verlag. Das Buch gibt es im Gropius Bau Museumsshop oder antiquarisch. Als Geschenk-Alternativ ist auch der Katalog zur Ausstellung wunderschön gemacht und zu empfehlen.
Alle Kunstbücher unterm Weihnachtsbaum einfach hier bequem bestellen:
Leider gibt es weder die deutsche Ausgabe der Autobiographie von Yayoi Kusama noch das schöne Buch „Bilderreise“ von Tim Berresheim derzeit bei Amazon online. Aber sicher im gut sortierten Buchhandel und da ist das Einkaufen von Büchern analog ohnehin schöner. In diesem Sinne, viel Spaß beim Einkaufen, Verschenken oder selber behalten.
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