Kunst-Biennale in Venedig – die Highlights

Der Sehnsuchtsort Venedig wird alle zwei Jahre zur Megausstellung. In Adelspalästen, Kirchen, Industriebauten, Museen, den Giardini, dem Arsenale und den nationalen Pavillons gibt es im Sommer Kunst rund um die 58. Biennale.

written by Gastautorin Juliane Rohr 30. Mai 2019

Kunst auf zwei Inseln:

1. Glasstress in Murano als perfekte Venedig-Einstimmung

2. Auf der Isola San Giorgio di Maggiore ist Sean Scully zu Gast

Die 58. Biennale in Venedig

3. Die Giardini

4. Das Arsenale

5. Zur Geschichte der Mutter aller Biennalen

6. Alle Infos und unsere drei Tages-Tour

Biennale – planen oder nicht?

First things first! 90 nationale Pavillons, 79 Künstler für die Hauptausstellung, 21 sogenannte kollaterale Events und 16 Museen ergeben zusammen die Kunst-Biennale. Dazu öffnen unzählige weitere Kunstorte. Eine endlose Liste. Wir arbeiten die Kunst ab – oder arbeitet sich die Kunst an uns ab? Von einem tollen Palazzo in den nächsten, noch tolleren springen und dabei immer der Kunst hinterher. Bloß nichts verpassen!? Mut zur Lücke ist bei diesem Kunstmarathon gefragt.

Die Biennale ist in ganz Venedig – Planung ist alles

Biennale-Tour jenseits der Touristenpfade

Klar, sich einfach treiben lassen, das geht in Venedig wunderbar. Ich persönlich bin bei der Biennale für Struktur und finde es sinnvoll, mir einen Plan mit entsprechenden Touren zu machen. Das hat auch praktische Gründe: Öffnungszeiten ändern sich gerne spontan und die ein oder andere Performance, findet nach den Eröffnungstagen nur an bestimmten Tagen statt.

Manche Kunstorte sind im Wirrwarr der Gassen schwer zu finden. Denn in Venedig versagt selbst die schlaueste Map-App gerne unverhofft. Sich auf einzelne Viertel zu konzentrieren, lässt Spielraum für ein zwischendurch dolce-vita-feeling bei Cappuccino, Cicchetti oder Pasta mit Vongole auf einer pittoresken Piazza.

Apero im Florian auf dem Markusplatz

Arty Disneyworld

Kunst-Biennale in Venedig, das heißt auch, noch mehr Menschen an diesem einzigartigen Ort. Wer hier gezeigt wird, gehört zu den wichtigen Gegenwartskünstlern. Der Biennale-Besuch ist perfekt, um sich eine Übersicht zu verschaffen. Kunst gilt momentan als

sehr sexy und als lohnende Wertanlage.

Dekoratives, wie der aufgeblasene, silberfarbene „Rabbit“ von Jeff Koons erzielt auf Auktionen Höchstpreise. Seit in England die Eintrittspreise für Museen abgeschafft wurden, zählen die Kunsträume dort mehr Besucher, als die Fußballstadien.

Apropos Fußball: Mit rund 3000 angemeldeten Journalisten aus aller Welt, erinnert die Biennale eher an ein sportliches Großereignis. Ganz Venedig lässt die Muskeln spielen. Es protzt mit starker Kunst und wird zugleich zum Disneyland für Kunstliebhaber.

Jan Fabre – Der Mann der die Wolken misst

1. GLASSTRESS

Glaskunst jenseits von Kitsch

Mein erster Ah-Oh!-Moment findet nicht mal eine Stunde nach unserer Ankunft statt. Mit dem Boot geht’s vom Flughafen Marco Polo direkt nach Murano, dort ist in der Fondazione Beregno Art Space bis zum 24. November Glasstress zu sehen. In der Ausstellung geht die zeitgenössische Kunst die gewagte Fusion mit Glas ein. Internationale Künstler wie Mat Collishaw zeigen, was mit dem Werkstoff alles möglich ist und, dass Glaskunst nicht kitschig sein muss.

Glasstress 2019 Fondazione Berengo Art Space

Schau genau in Murano

Wer Kunst anschaut, lernt Dinge anders zu betrachten. Der üppige Murano-Spiegel von Erwin Wurm ist sehr, sehr schmal und zieht den Betrachter geschickt in die Länge. Er erinnert an Wurms ein Meter enge Elternhaus-Skulptur, in dem sich der Besucher kaum drehen konnte, ohne die Wände zu berühren. Was dort beklemmend war, verleitet hier eher zum Lächeln: was für ein Fake-Mirror-Selfie.

Ein vier Meter hoher weißer Kristall-Leuchter hängt in dem rauen Industriegebäude der Fondazione Beregno und ist von Ai Weiwei. Blüten und Vögel sitzen in dem Lüster, doch statt Kerzen entdecke ich den bei ihm zur Kunst verwandelten Mittelfinger.

Der Belgier Hans Op de Beek zeigt einen Vanitas Tisch komplett aus mattiertem Glas und nicht in gewohntem Betongrau. Valeska Soares setzt sich in ihrer Installation gekonnt mit dem venezianischen Hochwasser auseinander – ganz ohne Zeigefinger. Die Klimakatastrophe ist ein allgegenwärtiges Thema dieser Biennale.

Glasstress 2019 – Valeska Soares

Die perfekte Illusion

Von Monica Bonvincini ragt eine Skulptur aus der Wand: Hände, die kraftvoll und bedrohlich einen Gürtel halten, obwohl sie aus zerbrechlichem Glas sind. Die Kuratoren von Glasstress Vik Muniz und Koen Vanmechelen sind selber Künstler.

Von Muniz stammen zwei Porträts, die wie ein Mosaik aus Murrinen zusammengesetzt wurden. Pixel an Pixel ergeben von Weitem betrachtet den Kopf des Künstlers. Murrinen, sind die Glasstäbchen, die auf der Insel zu Schmuck verarbeitet werden. Der wird überall in Venedig verkauft – aber eben nicht nur original Murano, sondern auch made in China. Was ist echt, was nicht?

Glasstress 2019 – Monica Bonvincini

Alternative Fakten – echt oder nicht?

Diese Frage nimmt auch der diesjährige Kurator der Kunst-Biennale Ralph Rugoff mit seinem Motto „May you live in interesting times“auf. Angeblich, aber nur angeblich, stammt dieser Satz aus China.  Gerade jetzt, wo fake news oder alternative Fakten von Wahrheit und echten Nachrichten schwer zu unterscheiden sind,  verspricht dieser Titel eine politische Biennale. Ist es auch, aber die Botschaften werden so ganz nebenbei platziert.

 „Kunst lehrt uns Dinge anders zu betrachten“,

sagt Rugoff. Der alle zwei Jahre neu eingesetzte Biennale-Kurator muss in Venedig nicht nur Kunst und die Auseinandersetzung mit ihr verbinden, sondern auch die glamouröse Festival-Stimmung berücksichtigen.

Politische Kunst muss irgendwie auch gefallen. Oder gefällig sein? Sonst läuft man einfach daran vorbei. So wie viele der Premierenbesucher an Banksys Venice in Oil. Der britische Künstler übte mit seiner Aktion gleichermaßen Kritik am überhitzen Kunstbetrieb wie am globalen Massentourismus, einem der großen Thema der Biennale-Pavillons. Aber bevor wir am folgenden Tag zur Biennale gehen, haben wir noch Zeit für einen anderen Kollateral-Event mit hochkarätiger Kunst.

Human – Sean Scully Eingang

2. Human von Sean Scully

Wunderbare Sogwirkung

Per Vaporetto geht es zu Insel San Giorgio di Maggiore. Human von Sean Scully ist in der Abbazia di San Giorgio di Maggiore zu Gast. Erstmals sehe ich figurative Malerei von dem sonst abstrakt arbeitenden irischen Künstler. Madonna heißt das Triptychon. Wer an der Kirche aus dem 16. Jahrhundert vorbeiläuft und den hinteren – oder wirklichen – Eingang nimmt, sieht diese Arbeiten zuerst.

Von hier aus steigert sich der Blick auf Scullys kraftvolle Kunst. Typisch sind seine Bilder mit strengen Farbfeldern, gerne in erdigen Tönen, die durch die vielen Schichten eine faszinierende Sogwirkung haben. Zwei seiner Skulpturen mit aufeinander gestapelten, quadratischen Quadern aus rostigem Stahl oder Holz stehen im Klostergarten und in einem Durchgang. Besonders sind zwei farbige Fenster, die einen Raum in der Abtei magisch beleuchten.

Sean Scully Fenster in der Abtei San Giorgio di Maggiore

Bunt leuchtende Riesenskulptur

In der Sakristei dann Skizzen zur Haupt-Skulptur. Teils philosophisch, teils witzig – ursprünglich stammen sie in Teilen von den Mönchen des Klosters und Scully hat sie bearbeitet. Im Kirchenschiff – von Andrea Palladio gebaut – erhebt sich Scullys bisher größte Skulptur.

Kunstvoll aufeinander gestapelte Quader, wie überdimensionierte Duplosteine, die mit bunt leuchtendem Filz bezogen sind. 10 Meter hoch mit dem Namen Opulent Ascension und noch dazu begehbar. Im Innern der Skulptur wird für kurze Zeit der Reset-Knopf im Kopf gedrückt. Unbedingt erleben.

Opulent Acension

3. Biennale: Giardini versus Arsenale

Endlos Kunst in den Giardini

Für die klassischen Biennaleorte Giardini und Arsenale plane ich einen kompletten Tag ein. Besser wären zwei. Für einige der nationalen Pavillons ist mehr Zeit nötig. Es macht mir Spaß in ein Werk intensiver einzutauchen, dafür lasse ich den ein oder anderen Pavillon weg. Weniger ist mehr.

Für mich war es spannend, Natali dabei zu haben, weil es auch meinen Blick veränderte. Sie war schon oft in Venedig, aber ist zum ersten Mal auf der Biennale.

Ich glaube, sie war zunächst etwas enttäuscht, als sie merkte, dass auf der Biennale ALLES einfach nicht drin ist.

Diese Pavillons lohnen sich unbedingt:

Frankreich von Laure Prouvost

mit Deep See Blue Surrounding You. Die Künstlerin zaubert türkises Meer auf den Boden des Gebäudes. Doch das herrliche Blau aus Gussharz ist verschmutzt: Handys, Kabel, Turnschuhe, Essensreste. Dazwischen Quallen, Fische und allerlei Getier – alle tot (und aus Glas hergestellt, Prouvost ist auch an Glasstress beteiligt). Danach nimmt uns ein Film mit auf einen heiteren Roadtrip durch ein perfektes Frankreich bis zum Pavillon in Venedig. Welche Utopie!

Diese Welt ist angesichts verdreckter Meere, Massentourismus und Klimakatastrophe eben nicht perfekt. Ein gelungener Denkanstoß und der heimliche Biennale Favorit. Wer früh kommt, muss nicht Schlange stehen. Es lohnt sich, als erstes in den Giardini in diesen Pavillon zu gehen. Der Eingang ist dieses Mal auf der Rückseite des Gebäudes, man muss sich auf einem schlammigen Pfad durchs Gebüsch schlagen.

Deep See Blue Surrounding You – Installation

Deutschland von Natascha Süder Happelmann

mit Ankersentrum kommt sperriger und weniger poetisch daher. Die Künstlerin hat eine Staumauer mitten durch den Hauptraum gezogen. Auf der einen Seite Lautsprecher, Gerüste, eine irgendwie schöne Musikcollage gemischt mit Warnpfiffen für Flüchtlinge, die gleich abgeschoben werden sollen. Im nächsten Raum: Gestapelte Tomatenkisten, die an einen Unfall in Apulien erinnern, bei dem Erntehelfer, allesamt Flüchtlinge, ums Leben kamen. Die genmanipulierten Tomaten hingegen waren in ihren Kisten bestens geschützt.

Vor der Staumauer stehend schaue ich auf ein Rinnsal mit dreckigem Wasser, das aus der Mauer auf einsam verstreute Felsbrocken zuläuft. Eine stille, beklemmende Welt.  Ist es das, worauf Europa durch seine Abschottung zusteuert? Diese Installation mitsamt dem dritten großen Biennale-Thema, der Flüchtingskrise, hallt nach.

Ankersentrum

Schweiz von Pauline Boudry & Renate Lorenz

mit Moving Backwards. Das Künstlerduo zeigt eine gute Laune machende Video-Performance.  Genauer einen Tanz, der rückwärts aufgeführt wird. Vor die Leinwand schiebt sich ein glitzernder Vorhang und verändert laufend die Sichtachsen. Man fühlt sich wie in einem queeren Nachtclub. Eigentlich ist Mittanzen oder Mitwippen gewünscht. Alles Absicht.

Moving Backwards will aufmerksam machen, auf zunehmend rückwärts gewandte Politik, mit der gewonnene Freiheiten wieder zum No-Do werden.

Eingang zum Schweizer Pavillon

Russland von Alexander Sokurov

mit Lc. 15:11-32. Mir hat er gefallen. Ganz in schwarz und im Keller in blutrot getaucht, opulent und üppig, und doch kommt der Pavillon mit einfachen Mitteln aus. Wirkt wie aus der Zeit gefallen. In der Installation verpackt ist die Kritik, dass berühmte, altehrwürdige Kunstwerke quer durch die Welt transportiert werden, statt an einem Ort zu bleiben. Die Frage des Filmemachers Sokurov ist, inwieweit das wirklich sein muss?

Flämische Zeichenschule im russischen Pavillon

Grenzenlose Biennale Hauptausstellung

Ralph Rugoff kuratiert die sogenannte Hauptausstellung. Er hat 79 lebende Künstler+innen eingeladen. Es gibt kein vorgegebenes Thema und damit freien Raum für Kunst. Jeder Künstler oder jede Künstlerin darf sowohl in den Giardini, als auch in den Arsenale Malerei,  Videoarbeiten, Fotografie oder Skulpturen ausstellen.

Doppelter Kunstgenuss.

Wie schön, dass bei dieser Biennale genauso viele Frauen wie Männer ausstellen – das gab es noch bei einer Biennale. Die Hauptausstellung in den Giardini hat mich nicht gepackt. Kurator Ralph Rugoffs Idee, jeden Künstler mit je einem Kunstwerk an zwei Orten zu zeigen, finde ich spannend.

Aber gerade in den Giardini wird das zum wilden Kunst-Durcheinander. Zu klein, zu eng, zu nah aufeinander. Hier werden zwar Grenzen aufgehoben, ganz im Sinne von Rugoff, aber die Idee geht nicht auf.

Roboter als Kunstobjekt von Sun Yuan und Peng Yu

Roboter im Kunstkampf

Die Kunst steht hier irgendwie im seltsamen Konkurrenzkampf miteinander.  Da ist der schwerfällig malende und putzende Roboter des Pekinger Duos Sun Yuan und Peng Yu. Das surrende Monster fasziniert scheinbar alle Zuschauer und animiert zum Dauerfilmen.

Im Nebenraum, dann ein kleines, ewig wirbelndes Max-Ernst-Hologram von Cyprien Gaillard, ebenso oft gefilmt. Das Werk kämpft regelrecht mit den beeindruckend ruhigen Arbeiten von Danh Vo und Yu Ji.

Cyprien Gaillard

Bilder, die im Kopf bleiben

Shilpa Guptas Installation eines Tores, dass wieder und wieder an eine Wand schlägt, teilt sich mit zwei anderen Künstlern den Raum und verpufft im Nichts. Selten entsteht ein Dialog, so wie bei Njideka Akunyili Crosbys vielschichtigen Bildern und Carol Boves Skulpturen. Auch toll, der etwas oberhalb liegende Giardini-Mittelraum, den sich die Malerei von Henry Taylor und George Condo mit einer Skulptur von Nairy Baghramian teilen. Da ist sie, die Kunst, die tief drinnen bleibt im Kopf.

4. Arsenale

Kunst-Memory

Der zweite George Condo begrüßt uns am Eingang des 320 Meter langen Arsenale als erstes. Dieses Mal der doppelte Elvis – eine Hommage des amerikanischen Künstlers an Andy Warhol. Zugleich der Hinweis, dass man den Künstler+innen hier ein zweites Mal begegnet? Wer weiß?!

Nun also das Kunst-Memory wieder zusammensetzen. Zugegeben, es ist nicht so einfach, da es keine Querverweise auf die Giardini gibt. Macht aber Spaß. Sich vorher den Biennale-Kurzführer zu besorgen und in den Arsenale dabei zu haben, erhöht die Trefferquote.

George Condo am Arsenal-Eingang

Einprägsam – auch ohne Foto

Über diese riesigen ockerfarbenen Sperrholzwände im ersten Teil der Halle lässt sich streiten. Aber egal. Auch im Arsenale beeindrucken mich die collageartigen, einprägsamen Bilder von Njideka Akunyili Crosby. Sie hat übrigens auch in Victoria Miro’s Galerie  in Venedig eine kleine Ausstellung. In der riesigen Halle bleiben meine Blicke wieder an Carol Boves faltig-abstrakten Skulpturen hängen. Unübersehbar sind auch die riesigen schwarz-weiß Fotos der Südafrikanerin Zanele Muholi, die im ganzen Arsenale verstreut hängen.

Ähnlich der kleinen Aquarellspinnen von Ed Atkins, die im Giardini-Gebäude immer wieder auftauchen. Im Arsenale ist übrigens eine Videoinstallation des englischen Künstlers zu sehen. Im Stile der Ausstellung Ye olde food. Lange bleibe ich bei einer Installation der Inderin Shilpa Gupta – For, in your tongue, I cannot fit. Hier hat sie einen eigenen Raum. 100 Mikrofone hängen von der Decke eines schwarz ausgekleideten Raumes. Sie hören jedoch nicht – aus ihnen erklingen die Stimmen von internationalen Dichtern. Sie wurden für ihr Werk oder politischen Standpunkte verhaftet. Nun werden ihre revolutionären Worte zu einer berührenden Symphonie verdichtet.

Zanele Muholi

Gefundene Materialien & künstliche  Intelligenz

Der silberne Löwe für die aus Zypern stammende und in Berlin lebende Künstlerin Haris Epaminonda freut mich besonders. Sie arbeitet mit gefundenen Materialien wie Bücherseiten, Skulpturen oder Keramiken, bearbeitet sie, setzt sie neu mit einer für sie sehr charakteristischen Bildsprache zusammen. Sie ist Teil der Ausstellung And Berlin will always need you im Berliner Gropiusbau (hier unser Artikel).

Installation von Haris Epaminonda

Noch ein Must-See

ist für mich die Arbeit This is the Future von Hito Steyerl. Die Videokünstlerin lässt uns wie auf venezianischen Hochwasser-Stegen durch die Installation laufen. Vorbei an herrlichen digitalen Pflanzen, die in der Zukunft blühen. Zauberhaft berauschend, aber existieren sie wirklich?

Schließlich wurde der futuristische Garten von künstlicher Intelligenz geschaffen. Steyerl stellt die Frage, ob künstliche Intelligenz diese Pflanzenarten vorhersehen kann. Nein! Die Pflanzen gibt es nicht und der Garten ist schon verloren, bevor er existiert…

Installation von Hito Steyerl

Nationale Pavillons, die Zweite

Die nationalen Pavillons stehen im Arsenal anders als in den Giardini im Schatten der Hauptausstellung, aber es lohnt sich auf Entdeckungsreise zu gehen. Hier kann ich mich mit aktueller indischer Kunst auseinandersetzen. Our time for a future caring ist der Titel.  In dem Pavillon werden Vergangenes wie Mahatma Gandhis Brief an Adolf Hitler und Gegenwärtiges wie das indische Frauenbild zu eindrücklicher Kunst verarbeitet. Zum ersten Mal dabei ist

Ghana mit Freedom.

Der Pavillon wurde noch von Okwui Enwezor, der vor wenigen Wochen starb, künstlerisch begleitet. Und sein Vermächtnis bleibt mit wunderbarer Kunst von El Anatsui, Lynette Yiadom-Boakye oder Felicia Abban in Erinnerung.

Ghana Pavillon – Malerei von Lynette Yiadom-Boakye

Kunst über Kunst in ganz Venedig

Wo muss ich denn nun unbedingt hin? Island, auf Giudecca, lockt Künstlerin Hrafnhildur Arnandottir alias Shoplifter mit einer kunterbunten Welt aus Kunsthaaren. Wer war bei Aserbeidschan, wer bei Armenien? Wo ist welche Performance, wo laufen welche Videos, für die extra Zeit nötig sind. Diese Qual der Wahl bleibt und jeder sollte sich ein eigenes Bild machen.

Sun and Sea (Marina) ist ein unbedingtes Muss

und der Gewinner des diesjährigen goldenen Löwen. Der Indoor-Strand mitsamt Oper war schon vor der Verleihung des Preises eine Instragram-Sensation. Und warum es sich so lohnt lest ihr bei NataliHier greifen Musik, Performance und Kunst ineinander und das funktioniert ganz wunderbar, auch wenn die Performance, wie bei unserem Besuch, gerade nicht läuft.

Litauischer Pavillon – auch ohne Performance lohnenswert

Immer wieder samstags…

Ich war später noch einmal in Venedig und habe es morgens ohne lange Schlangen in den Pavillon geschafft. Immer Samstags von 10 bis 18 Uhr läuft die Performance sozusagen im Dauerloop. Was soll ich sagen? Ja, es war wirklich großartig: Gesang und Musik mischen sich wunderbar mit dieser Strand-Performance. Da spielen Kinder laut lachend und rufend Federball, eine älteres Paar erholt sich lesend auf Klappstühlen oder junge Leuten liegen auf Handtüchern und checken ihre Smartphone-Inhalte. Man guckt von oben auf die Performance und ist sofort verzaubert – mein Mann wollte gar nicht gehen!

Performance Sun & Sea (Marina) im Litauischen Pavillon

Eine fotogene Biennale

Diese Biennale hat irrsinnig fotogenes Potential. Ein Kollege schrieb sogar von der instagram-ablen Biennale. In Venedig hatte ich immer wieder das Gefühl, das ein oder andere Werk genau zu kennen. Zu oft geisterte es vor meinem Besuch bereits durch die sozialen Netzwerke.

Nicht alles gefällt mir. Manches ist sperrig, störrisch, erschließt sich nicht. Oder es ist auf den ersten Blick irgendwie albern und die Zeit zu knapp sich mit dem Werk auseinander zusetzen. Manches ist purer Kitsch, wieder anderes berührt den einen, den anderen Besucher nicht.

Anicka Yi mit Biologizing the Machine

Kunst oder Ketchup?

Anders gefragt: Ist das Kunst oder nicht? Der Kunst-Biennale und ihrem Kurator Ralph Rugoff glückt das interessante Gespräch der Kunst mit der Zeit. Für den Besucher des Kunst-Marathons ist es die Gelegenheit, einen Crashkurs in aktueller Welt- und Gesellschaftspolitik mitzunehmen und sich den Überblick über aktuelle Kunst zu verschaffen. Das mag jetzt spröde klingen und unseren grandiosen Tagen in der Lagunenstadt nicht gerecht werden. Heißt aber,

dass es sich unbedingt lohnt zur Kunst-Biennale zu reisen.

Die Welt, in die man abtauchen, eintauchen oder gar versinken möchte, kann sich jeder selber bauen.

Der indonesische Pavillon im Arsenale

5. Zur Geschichte der Mutter aller Biennalen

Die erste Biennale

Ach, Venedig! Es inspirierte Maler zu Meisterwerken. Hier wurde Kunst erfunden und auch die Biennale. Inzwischen folgen ihrem Modell über 300 Biennalen auf der ganzen Welt. Sie sollte im Jahr 1894-1895 den unaufhaltsamen Abstieg Venedigs verhindern. Die Stadt für Touristen interessant machen und den Ruf als Kunstort festigen. Bereits die erste Biennale in den Giardini wurde ein Großereignis. Sie zog Massen an, provozierte und polarisierte.

Seit 1907 wurden sogenannte Länderpavillons eingerichtet. In ihnen zeigen von den entsprechenden Ländern ernannte Kuratoren eine Auswahl an Werken. Nach und nach wurde aus der Kunstmesse – ja, die Biennale war als Verkaufsschau angelegt – eine der wichtigsten Ausstellungen der Welt. Die Nationen finanzieren die künstlerischen Auftritte. In Deutschland ist der Auftraggeber das Auswärtige Amt.

Biennale überall – selbst die Vaporetto-Busse sind im Kunstfieber

Goldener Löwe als Gewinn

Bis zum ersten Weltkrieg hatten nur Belgien, Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Ungarn und Russland ihre festen Gebäude. Über die Jahre wurden es immer mehr Länderpavillons. Inzwischen sind die Giardini und die 1999 dazugekommene militärische Sperrzone und Schiffswerft das Arsenale zu eng geworden.

Die olympische Leistungsschau der Länder passiert an verschiedensten Orten der Lagunenstadt. Sie ist die Möglichkeit für ein Land eine neue Identität zu finden oder sich mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen. Mit ihren Kunstpräsentationen kämpfen sie zudem um den Goldenen Löwen.

6. INFOS

Die Biennale beinhaltet neben Giardini und Arsenale viele Nebenschauplätze- die kolleteralen Events – oftmals in alten Adelspalästen und Kirchen (die meistens keinen Eintritt verlangen) und überall sind sehenswerte Ausstellungen in den Museen zu sehen.

Hier die Infos und links und zu unserer

Drei-Tages-Tour

falls jemand nicht auf den zweiten Blogpost warten möchte:

  • Tour Tag 1

Glasstress in Murano

Human – Sean Scully auf der Isola di San Giorgio Maggiore

Bezaubernde Glasflakons und Gefäße von Maurice Marinot sind daneben in der Fondazione Giorgio Cini ausgestellt.

The Death of James Lee Byars in der Chiesa di Santa Maria della Visitazione / Dorsoduro

Parasol Unit – The Spark is you – Iranische Kunst im Conversatorio di Musica Benedetto Marcello di Venezia an der Akademiebrücke

Punta della Dognana in Dorsoduro mit Luogo e Segni mit zeitgenössischer Kunst und den Highlights aus der Francois Pinault Sammlung

  • Tour Tag 2

Giardini

Arsenale

und Pavillon: Litauen

  • Tour Tag 3

In der Fondazione Prada ist die Ausstellung von Jannis Kounellis  unbedingt sehenswert.

Gegenüber in der Galleria Giorgio Franchetti alla Ca‘d‘Oro trifft zeitgenössisches Design auf Architektur und Kunst aus dem 15. Jahrhundert  Dysfunctional

Der Palazzo Grassi zeigt Pelle – eine große und gute Einzelausstellung von Luc Tuymans

Förg in Venice im Palazzo Contarini Polignac ist ein Highlight und nahe der wunderbaren

Peggy Guggenheim Collection, dort gibt es  Jean Arp

3 comments

Susanne Nunn 3. Juni 2019 - 15:15

Da kriegt man wirklich Lust auf Biennale!
Danke für den Überblick

Reply
Juliane Rohr 3. Juni 2019 - 16:12

Sehr gerne, danke & viel Spaß beim Sammeln
eigener Eindrücke in Venedig!

Reply
Juliane Rohr 3. Juni 2019 - 16:11

Danke sehr @ Susanne Nunn! Gerne doch & viel Spaß in Venedig!
Und beim Sammeln der eigenen Eindrücke 😉

Reply

Leave a Comment