Kunst-Highlights mit Kühleffekt im Berliner Sommer

Sommer in der Stadt. Der heißeste Juni seit Beginn der Wetteraufzeichnung ist zu Ende. Schlange stehen an den Schwimmbädern oder nahezu ewig an Berlins Seen nach einem freien Plätzchen suchen – nur weil hier Ferien sind? Abkühlungs-Alternativen bieten diese Ausstellungen in Museen oder Galerien.

written by Gastautorin Juliane Rohr 4. Juli 2019
  1. Food for the Eyes bei C/O Berlin
  2. Biester der Zeit – Lynn Chadwick
  • Georg Kolbe Museum
  • Haus am Waldsee
  1. Galerien-Rundgang mit feinen Sommerausstellungen
  2. Summer of Love im Palais Populaire
  3. Beyond im me collectors room
  4. Mischpoche im Hamburger Bahnhof
  5. Lotte Laserstein in der Berlinischen Galerie

1. Food for your Eyes bei C/O

Ein wahrer Kunst-Augenschmaus

Food-Fotos – naja mag jetzt mancher denken. Die begegnen einem zuhauf, erwünscht oder nicht und tagtäglich auf Instagram & Co. Falsch! Diese Ausstellung bei C/O Berlin macht wirklich Appetit und selbst weniger Kunstinteressierte finden sie

anregend appetitlich.

Um was geht es? Die Geschichte des Essens in der Fotografie. Ein wunderbarer Querschnitt.  Wie hat sich Essen und die Präsentation auf dem Teller verändert? Nahrung ist ein Teil unserer Kultur und unseres Lifestyles. Jenseits der Tatsache, dass Essen ein Grundbedürfnis ist.

Appetitlich arrangierte Essens-Fotos

Im ersten Raum geht es ums Stillleben. Künstler+innen sind auch im Bereich Food-Fotografie diesem so traditionellen Genre aus der Malerei gefolgt. Sharon Core beispielsweise hat ihre Foto-Stillleben peinlich genau arrangiert  – immer basierend auf Gemälden von Raphaelle Peale (1774 -1825). Wobei sie selbst die Gemüse- und Obstsorten züchtet. Die Zeit, die sie hierfür aufbringt, kommt dann ungefähr dem Zeitraum gleich, in dem die gemalte Vorlage entstanden ist. Bei Irving Penn hingegen sind Gemüse und Beeren frisch aus der Tiefkühlpackung aufs Fotopapier gebannt. Mit frostigem Schleier und quadratisch, praktisch, gut.

Irving Penn – Frozen Foods, 1977

Opulente Tischdekoration & Kochbuchseiten

Das nächste Kapitel heißt Around the table. Hier finden sich Martin Parrs gesellschaftskritische Studien zu britischem Fastfood ebenso wie aufwändige Tafeln mit zu viel Tischdekoration. Sie stammen von Nickolas Muray und sind aus den 30er Jahren. Food-Styling in den Kinderschuhen: Der verführerische Glanz wurde ganz einfach mit Haarspray aufgetragen. Mit dem praktischen Nebeneffekt, dass das Essen so Form und Farbe behielt.

Ich studiere Kochbuchseiten und absurde Weight-Watchers-Karten aus den 70ern. In dem Kapitel How to play with your food ist die Fashionshow von Peter Fischli und David Weiss dabei: Verkleidete Würstchen im Schaufenster posierend. Wunderbar. Humorvoll. Absurd. Da geht direkt das Kopfkino los und zwar nicht nur beim Foodie- und Fashion-Fan.

Fischli und Weiss – von li. nach re. Der Unfall, Modenschau und Im Teppichgeschäft

Es ist angerichtet.

Eine herrliche Menüabfolge, die mit Stars wie Wolfgang Tilmans, Martin Parr und Cindy Sherman sehr gehaltvoll ist. Gleich mal nachgucken, welches letzte Food-Foto sich auf dem eigenen Smartphone befindet. Bei mir sind es nahezu perfekt geglückte poached eggs. Ich wollte sie der Tochter einer Freundin schicken, die für mich die Prinzessin dieser Zubereitungsart ist…

2. Biester der Zeit

Zwei Museen & Lynn Chadwick

Wenn sich zwei Museumsdirektorinnen zusammentun, weil sie die gleiche Idee hatten, kann nur etwas Gutes dabei herauskommen. 2015 hatten Dr. Julia Wallner vom Georg Kolbe Museum und Dr. Katja Blomberg vom Haus am Waldsee eine Ausstellung von Lynn Chadwick in der Galerie Blain Southern gesehen. Beide wollten draufhin den britischen Bildhauer in ihren Häusern präsentieren. Wie schön, dass daraus eine Doppelschau geworden ist. Chadwicks Skulpturen faszinieren den Betrachter nachhaltig. Was sind das für Wesen?  Kantig, abstrakt, silbrig glänzend aus poliertem Stahl oder Bronze – Tier, Mensch oder etwa einem Star Wars-Film entsprungen?

Teil I im Georg-Kolbe-Museum

Erstmals wird nun ein Doppel-Retrospektive von Lynn Chadwicks Werk in Deutschland gezeigt. Im Georg-Kolbe-Museum kann ich die Entwicklung des 2003 verstorbenen Künstlers anhand von 60 Werken nachempfinden. Er war technischer Zeichner, entwickelte zunächst Messestände. Entschied sich als 30jähriger für die Bildhauerei. Seine Mobiles aus der Zeit erinnern an Alexander Calder. Er war auf der documenta dabei und hat 1956 in Venedig im britischen Pavillon den Internationalen Preis für Skulptur gewonnen. Das war – quasi über Nacht – sein künstlerischer Durchbruch.

Zeichnungen von Lynn Chadwick

Perfekt ausbalanciert

Neben Gipsmodellen werden auch Zeichnungen Chadwicks gezeigt. Sie stecken voller Humor und lassen seine architektonische Seite aufblitzen. Fotos zeigen den Künstler beim Schweißen, wie er seine geometrisch-bizarren Figuren von Innen heraus aufbaut. Beeindruckend diese staksigen Beinchen auf denen die eher dicken Körper stehen. Sie wirken fast schwerelos. Die Kleinen ebenso wie die Großen. Wie können sie nur die Balance halten?  Im Untergeschoß des Museums begegnen mir lauter Bronze-Paare. Auch sie wirken wie aus einer anderen Welt und doch sind sie sehr vertraut, fast intim miteinander.

Stranger III, 1959

Teil II im Haus am Waldsee

Im Haus am Waldsee dann der Dialog Chadwicks mit Hans Uhlmann und Katja Strunz. Interessanterweise streben Uhlmanns Skulpturen ähnlich wie Chadwicks Werke immer nach oben –  öffnen sich. Bei Katja Strunz hingegen wird eher etwas in den Boden gerammt. Männliche und weibliche Sicht?  Immer geht es um Oberflächen und ihre Faltungen. Chadwick ist heute so aktuell, da er mit seinen dystopisch, futuristischen Wesen zukunftsweisend war. Um Faltung und Prisma geht es bei Hans Uhlmann (1900 -1977), einem ausgebildeten Ingenieur. Seine Skulpturen erinnern an Zeichnungen, haben etwas Filigranes und sind eher wie Collagen zusammengesetzt. In Berlin an der Bismarckstraße vor der Oper ist Uhlmann mit einer Skulptur dauerpräsent. Dort sieht man, wie eng er sein bildhauerisches Können in den Kontext zur vorhandenen Architektur gesetzt hat.

Splitter im Kopf

Die 1970 geborene, in Berlin arbeitende Künstlerin kam über die Philosophie zur Bildhauerei. Die Arbeiten von Katja Strunz sind sehr reduziert, der an Körper erinnernde Moment verschwindet. Sie hat ein eigenes Formen-Repertroire. entwickelt. Es geht um Einfalten, Ausfalten, Erinnerung, Traumata – der menschliche Kosmos in seinen Abgründen als die Arbeit bestimmendes Thema. Es sind Splitter, die in den Boden fallen und es gibt Nichts, was nach oben strebt. Ein eindrücklicher Dialog unter Bildhauern entsteht dank ihrer Unterschiedlichkeit und den Gemeinsamkeiten. Strunz Skulpturen sind zudem mit Papierarbeiten ergänzt.

Picknick mit Kunst am Waldsee

Ganz britisch wird es am 13. Juli im Skulpturenpark mit Blick auf den Waldsee. Unter dem Motto Picknick für alle lädt das Haus am Waldsee zum Kunst-Nachmittag ab 16 Uhr ein. Also den Picknick-Korb packen und Decken nicht vergessen. Kaffee und Tee gibt es gratis ebenso wie den Blick auf die Skulpturen von Lynn Chadwick, Hans Uhlmann und Katja Strunz.

Seeblick inklusive – Lynn Chadwick Beast Alerted, 1990

3. Galerien-Rundgang in Charlottenburg & Schöneberg

Wunderbare Sommer-Leichtigkeit

Ich starte meinen Streifzug in Charlottenburg bei Wentrup mit „Copines – Copaines – Berlin“. Maximal einmal ein Meter große Arbeiten und in Berlin lebend, so die Vorgaben. Und raus kommt eine wunderbar leichte Sommerschau. Jeder der 17 Künstler+innen der Galerie hat jeweils eine/n Künstler+in eingeladen. Gregor Hildebrandt lädt mit schwarz-weiß reduzierten Palmenbildern zum Träumen, Nevin Aladag zeigt filigrane Zöpfe im Licht-Schattenspiel und David Renggli setzt einen orangenen Punkt. Einfach auf die von Designer Sebastian Herkner ovale Bank in der ehemaligen Postschalterhalle niederlassen und die Kunst rundum an den Wänden genießen.

Copines – Copaines

Sweet Summer

verspricht Galerie Friedmann-Hahn mit Kunstessenzen XXII. Und schon die unterschiedlich gestrichenen Wände der schönen Galerieräume lösen das Versprechen ein. Der New Yorker Maler Donald Vaccino wird auf knallblauem Untergrund präsentiert. So kommen seine schwarz-weiß gemalten Bilder, die er mit geometrischen Farbfeldern versieht, noch besser zur Geltung. Mit den zauberhaft kleinen Interiorbilder von Luisa Albert träume ich mich nach Italien. Sommerfeeling pur sind die Unterwasserbilder von Anne Leone. Die Szenen, die sich direkt unter den Wasseroberfläche abspielen, stecken voller Licht und Sonne. Wassersehnsucht – am liebsten würde ich direkt in einen der Berliner Seen tauchen.

Anne Leone erzeugt mit ihrer Malerei Wassersehnsucht pur

Pack den Badeanzug ein

– mehr Sommer geht kaum. Schon das Motto bei Kornfeld in der Fasanenstraße macht Laune. Was kann die Kunst im 21. Jahrhundert? Wo steht die Kunst in dieser hyper-digitalisierten Welt? Knallbunte Antworten geben 21 Künstler wie Erik Hanson, Monica Kim Garza, Kat Lyons oder Elvira Bach. Hier tauche ich in die farbenfrohe Sommerfrische ein.

Pack den Badeanzug ein – Kornfeld-Galerie Sommerausstellung

Come together

heißt bei  Meyer Riegger  die Sommerausstellung. Künstler aus zwanzig Jahren Galeriearbeit werden auf zwei Etagen gezeigt. Jonathan Monk hat beispielsweise einen kleinen Altar mit Matchbox-Autos gebaut. Die Zahl 45 verweist nicht nur auf die Startnummer der Spielzeuge, sondern auch auf ihre Anzahl und das Alter des Künstlers. Die Schweizer Künstlerin Miriam Cahn ist mit einem kleinen, knalligen Porträt dabei, während Ulla von Brandenburg selbst gefärbte Stoffbänder zu einem Vorhang oder eine Maske drapiert hat – da kommen Theater, Malerei und Illusion zusammen.

Come together

Installationskunst & Arbeiten auf Leinwand

Weiter zur Potsdamerstraße. Dort geht es bei Esther Schipper um Themen wie Identität, Zugehörigkeit und Migration. Christoph Keller zeigt in seiner Installation den Wurzelstumpf einer umgefallenen Pinie und ist mit ihr von Rom aus auf Reisen gegangen. Eine Reihe von Fotos zeigen die Transportpausen. Zudem gibt es Collagen und die sehenswerte Video-Installation „The Tower“ von Hito Steyerl und zwei Installationen von Tao Hui, wie „Screen as Display Body“. Ein paar Häuser weiter bei loock bekommen sechs junge Künstler+innen mit

„forms ain‘t formats“

eine Plattform. Alle arbeiten auf Leinwand und trotzdem unterschiedlich – es gibt Collagen, Reliefs sogar Skulpturen zusehen.  Auch Meisterschüler der Münchner Akademie der Künste sind dabei: Frank Moll und Irina Ojovan haben bei Gregor Hildebrandt studiert. Beide arbeiten sehr reduziert und mit geometrischen Bildflächen. Die Auseinandersetzung  mit dem Material ist auch bestimmend bei Laura Sachs, Felix Becker, Yannick Riemer und Fabian Hub. Eine kleine feine artists-to-watch-Schau.

forms ain’t no format’s -Arbeiten u.a. von Frank Moll und Irina Ojovan

4. Summer of love im Palais Populaire

Freiheit pur im endlosen Sommer

Oh! Ein knallbunter VW-Bus mit Blümchen, Halbmonden und Che Guevaras Porträt parkt frech mitten auf dem Bürgersteig schräg hinter der Staatsoper Unter den Linden. Strafzettel? Fehlanzeige! Das Gefährt aus längst vergangenen Zeiten gehört zu den 150 Exponaten der Ausstellung Summer of Love im Palais Populaire. Kunst trifft hier auf Mode und Rock and Roll. Das Gefühl von lässigem Flower-Power, Freiheit pur und diesem nicht enden wollenden Sommer – eine Ausstellung über Höhepunkte der Hippie-Bewegung. 1967 strömten Hunderttausende nach San Francisco, um monatelang in der Stadt den Summer of Love zu feiern. Daher der Name der poppig-bunten Schau.

Plakate – Installation

Kritische happy Hippies

Es geht nicht nur um das total-relax-Gefühl dieser Zeit. Auch die Friedensbewegung „Love & Peace“ im Zeichen des Vietnamkrieges, die anhaltende Rassendiskriminierung in den USA, das Auflehnen gegen spießiges Bürgertum, die Ökobewegung und der Schrei nach Gleichberechtigung werden thematisiert. Im Prinzessinnenpalais steht diese Kritik beispielsweise mit Filmaufnahmen von Martin Luther Kings Reden gekonnt neben selbstgeschneiderter Hippiemode.  Da hängen jede Menge

knallbunte Plakate, die auch heute noch hip sind.

Psychodelisch-coole Plattencover-Entwürfe gibt es von von Wes Wilson, Victor Moscono oder Rick Griffin. Einem LSD-Trip ähnlich ist die Lichtinstallation von Bill Ham in den Kellerräumen. Seine abstrakte Malerei trug der Künstler direkt auf Overheadfolien auf. Dort flossen die Farben Pfützen gleich ineinander und er warf sie dank der Technik an die Wand. Damals der Anfang der Lichtkunst und brandneu – heute total normal oder veralten, weil von anderen visuellen Tricksereien überholt. Ach, was wäre es schön, wenn die Welt von heute doch endlich den Idealen der Welt von 1967 entsprechen würde: Gleichstellung, Rassenhass und Kriege wären kein Thema mehr.

Bill Ham Installation

5. Beyond im me collectors room

Buntes aus dem Jenseits

Auch bunt aber eher mit jenseitiger Thematik beschäftigt sich Beyond im me collectors room. Ein düsteres und rätselhaftes Thema in der Leichtigkeit des Sommer, aber in dem privaten Kunstraum sind sieben tolle, sehenswerte Künstler versammelt: Jonas Burgert, Kris Martin, George Condo und das Künstlerkollektiv Fort sowie die Duos Chapman und Djurberg/Berg stehen im Dialog zu einer vielschichtigen Arbeit von Goya. Es ist das Jenseits, das sich über Alles hinweg setzt. Aber ist das wirklich so? Darum dreht sich Beyond  – wenn auch nur im Ansatz.

Moderne trifft auf Alten Meister

Francisco José de Goya macht gleich neben dem Eingang den Auftakt mit 82 kleine Radierungen. „Die Schrecken des Krieges“ sind von 1810 bis 1820 entstanden. Sie zeigen jedes nur erdenkliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu Kriegszeiten, dokumentieren Hungersnot und Drangsalierung. Die Radierungen wurden übrigens erst 35 Jahre nach Goyas Tod (1828) der Öffentlichkeit erstmals gezeigt.  Jake und Dinos Chapman nehmen in ihren ausgestellten Werken Bezug auf Goyas Grausamkeiten und treiben sie noch auf die Spitze. Sie füllen ihre skulpturalen Landschaften mit Körperteilen, Skeletten, Nazisymbolik und allerlei Mutanten. Das mag nicht jedermanns Kunstästhetik gefallen, aber beachtenswert sind sie und genaues Betrachten ist ein Muss. Auch wenn es weh tut.

Knallbunte Phantasien

Im zweiten Raum wacht die meterhohe Riesin, eine bemalte Bronzeskulptur von Jonas Burgert, über einige seiner phantastischen Gemälde. Diese sind theaterhaft inszeniert und ziehen mich schon lange in den Bann. Phantasie pur oder alptraumhafte Alpträume? In jedem Fall voller Farbenpracht und endloser wirrer Welten sind seine großformatigen Arbeiten voller rätselhafter Andeutungen. Der Amerikaner George Condo ist mit gewohnt abstrakten, amorph verdrehten Porträts vertreten.

Maximal reduziert

hingegen sind die Arbeiten des Belgiers Kris Martin: Eine Spiegelarbeit mit Coca-Cola-Schriftzug fällt mir sofort ins Auge – allerdings steht da schwungvoll The end. Oder die simple Aufforderung Forget me not – ganz puristisch Schwarz auf Weiß  und mit der Asche von Vergissmeinnicht aufs Papier gebracht. 51 moderne Positionen bei denen die Frage bleibt, wie illusorisch das Leben nach dem Tod ist und was es wirklich bedeutet. Die Ausstellung macht neugierig auf Mehr.

Kris Martin

7. Mischpoche im Hamburger Bahnhof

Bilder im Kopf

Weiter geht es im Hamburger Bahnhof. Dort zeigt Andreas Mühe seine Mischpoche. Der in Berlin lebende Fotograf reflektiert seit Jahren mit seinen Arbeiten nationale Mythen. Sei es in Szenen vom Obersalzberg oder auf Reisen mit einem Angela Merkel Double. Dabei entstehen Bilder, die unser Denken auf den Kopf drehen und zum genauen Hinschauen zwingen. Zuletzt 2018 in einer Schau in der St. Agnes Kirche (König-Galerie) in prächtiger Petersburger Hängung.

Installationsansicht

Familienbande mit den Toten

Nun also die eigene Familie. Schauspieler Ulrich Mühe (1953 – 2007) war sein Vater. Ihn und andere, bereits verstorbene Familienmitglieder hat er bei Spezialisten in London als Wachsfiguren nachbilden lassen. Madame Tussauds lässt grüßen. Natürlich hat es damit nichts zu tun, wenn man auf die großformatigen Familienporträts schaut. Sie irritieren besonders, da hier die Lebenden auf die Toten treffen. Fotografie, die zur perfekten Illusion wird, und versucht die Zeit einzufrieren. Bestechend erinnern diese Bilder auch an Porträts großer Dynastien – ganz gleich, ob gemalt oder auf Fotopapier. Sie haben ihre eigenen Codes. Sofort erkennt der Betrachter den Stammesnachfolger, die Geliebte, die Eingeheirateten an Körperhaltung oder Kleidung. Aufschlussreich – kontrovers, da die Toten im Bild erscheinen. Nicht verpassen.

8. Lotte Laserstein in der Berlinischen Galerie

Nah am Zeitgeist vergangener Zeiten

In eine andere Welt tauche ich in der Berlinischen Galerie, wo eine lange vergessene Künstlerin gezeigt wird. Lotte Laserstein gilt plötzlich als eine der großen Malerinnen der Weimarer Republik. Vor den Nazis nach Stockholm ins Exil geflüchtet war sie aus dem Blickfeld geraten. Und wird nun als eine der großen Frauen in der Malerei neu in den Fokus gerückt. Laserseins großes Thema sind Figurenbilder und die moderne Frau im Alltag. So inszenierte sie sich in ihrer Selbstporträts und auch ihre Freundin Traute Rose, die oft in ihren Doppel-Porträts auftaucht. Neu ist, dass Malerin und Modell hier gleichberechtigt dargestellt werden. Diese Bilder sind besonders. Sie nehmen den Zeitgeist auf und kommen doch altmodisch gemalt daher. Ganz ohne Spott, wie ihre Kollegen Otto Dix oder George Grosz zu dieser Zeit die Weimarer Republik darstellten.

Zauberhafte Zeitreise

Allerlei modernen Typen aus dieser Zeit treffen auf den Ausstellungsbesucher: der junge Motorradfahrer, das russische Mädchen mit Puderdose, die starke Tennisspielerin, oder die Frau im Café. Das bekannteste Bild ist Abend über Potsdam, das 1930 entstanden ist. Laserstein hat den Abend in Potsdam auf einem Bild gemalt und später im Atelier die einzelnen Porträts von Freunden dazu montiert. In dem großformatigen Gemälde sind einige kunsthistorische Zitate zu finden, so etwa Vermeers Mädchen, das die Milch verschüttet.  Die Berlinische Galerie kombiniert die Bilder mit vielen spannenden Zeitdokumenten aus Lasersteins Nachlass – unter anderem ihre Malerpalette. Wer sich also noch nicht auf diese zauberhafte Zeitreise begeben hat – nichts wie los!

Noch ein Hinweis: Die Berlinische Galerie war zwischenzeitlich über Wochen wegen Statikproblemen geschlossen. Jetzt scheint alles wieder im Lot. Zur Sicherheit vor dem Museumsbesuch auf der Webseite vorbeischauen.

INFOS

C/O Berlin

Food for the Eyes

Bis 7. September 2019

  • Mo – So 11 – 20 Uhr

Hardenbergstraße 22-24, 10623  Berlin

Georg Kolbe Museum

Biester der Zeit -Lynn Chadwick

Bis 25. August 2019

  • Mo – So 10 – 18 Uhr

Sensburger Allee 25, 14055 Berlin

 Haus am Waldsee

Biester der Zeit – Lynn Chadwick, Katja Strunz, Hans Uhlmann

Bis 25. August 2019

  • Di bis Mi 11 – 18 Uhr
  • Montag geschlossen

 Argentinische Allee 30, 14163 Berlin

 Alle Galerien des Rundgangs durch die Sommer-Ausstellungen sind im Text verlinkt.

Palais Populaire

Summer of Love

Bis zum 28. Oktober 2019

  • Mi – Mo von 11 – 18 Uhr, Do bis 21 Uhr
  • Dienstags geschlossen

Unter den Linden 5, 10117 Berlin

me collectors room

BEYOND

 Bis zum 18. August 2019

  • Mi – Mo 12 bis 18 Uhr
  • Dienstags geschlossen

Augustraße 68, 10117 Berlin

Hamburger Bahnhof

Andreas Mühe – Mischpoche

Bis zum 11. August 2019

  • So und Sa 11 bis 18 Uhr
  • Di, Mi und Fr 10 – 18 Uhr
  • Do 10 – 20 Uhr
  • Montags geschlossen

Invalidenstraße 50-51, 10557 Berlin

Berlinische Galerie

Lotte Laserstein – Von Angesicht zu Angesicht

Bis 12. August 2019

  • Mi bis Mo 10 – 18 Uhr
  • Di geschlossen

Alte Jakobstraße 124 -128, 10969 Berlin

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