Art Week Berlin 2021 – die Highlights

Die Art Week Berlin geht in die zehnte Runde. Kunst an besonderen Orten, eine Messe, private Sammlungen, die Museen der Stadt und viele Galerien im Mix sind einfach mitreißend. Wie immer ist vieles länger zu sehen, manches hingegen nur kurz. Eine Besonderheit: Dieses Mal geht es schon am ersten September-Wochenende los. Also Turnschuhe an und mit unseren Highlights auf in die Kunst!

written by Gastautorin Juliane Rohr 4. September 2021

Berlin Art Week an besonderen Orten

Los geht es mit einigen Vorab-Openings und damit direkt in eine wunderbar entschleunigte Art Week. Auf Hygienekonzepte, Maske und Abstand sowie die GGG-Regel, wird nach wie vor geachtet.

1. Wilhelm Hallen

Schon am ersten Sonntag im September starte ich in den Wilhelm Hallen. Unter dem Motto YES TO ALL – dem Titel eines Kunstwerkes von Sylvie Fleury – werden verschiedene Galerien aus Berlin Malerei, Installationen und Skulpturen zeigen. Mit dabei ist die Galerie von Mehdi Chouakri, der die bereits erwähnte französische Künstlerin Fleury in seinem Galerie-Programm hat. Die anderen teilnehmenden Galerien HUA Internatioal, Alexander Levy, ChertLüdde, Klemm‘s, Kraupa-Tuscany Zeidler, Plan B, KOW und PSM stellen in den Hallen B und C der ehemaligen Eisengießerei spannende Künstler:innen aus.

Im hinteren Teil des denkmalgeschützen Industriegeländes präsentieren sich die Finalisten der Berlin Masters. Der private Kunstpreis wird zum 9. Mal vergeben. Das Sammlerpaar Monique und Max Burger haben den Preis zum Andenken an ihren Sohn Yves ins Leben gerufen. Der Preis ist Teil des TOY (Thinking of Yves) CAP Projects – do something that matters in memory of a loved one“. Mit dabei sind die Malerin Johanna Dumet und die Bildhauerin Hannah Sophie Dunkelberg, deren Arbeiten ich sehr mag. Eine gute Gelegenheit zum wieder Betrachten ihrer Kunst.

Dunkelberg hat übrigens im Kunstraum Potsdam ab dem 11. September (bis 10. Oktober) ihre erste Soloschau. Spannend!

Sweet little lies von Hannah Sophie Dunkelberg

  • Die Ausstellungen sind zudem am 10.-12. und 15.- 19. September  von 12 bis 19 Uhr geöffnet. Die Adresse ist Kopenhagener Straße 60 -72, 13407 Berlin. Unbedingt hingehen, der Ort ist toll und schon so sehr im Wandel.

2. Flughafen Tempelhof – Positions

Mt Beginn der Messe am 9. September wird der offizielle Startschuss für die Art Week 2021 gegeben. Dieses Mal findet die Positions, die einzige noch in Berlin stattfinden Messe für zeitgenössische Kunst, eine Woche vor der eigentlichen Art Week statt. Das hat terminliche Gründe – auch weil die Messemacher Berlins auf die Art Basel Rücksicht nehmen mussten, die am 20. September nach einem Jahr pause wieder stattfindet. Ja, der Kunsttrubel ist nach einem Jahr pandemiebedingter Pause wieder in vollem Gange.

Kunst en masse also in der großen Flugzeuggarage. Der Ort, an dem die Positions stattfindet, ist schon den Besuch wert. In den historischen Hangars 5 und 6 am Tempelhofer Feld zeigen 110 internationale Galerien neue und etablierte Kunst – in angenehm großen Kojen und in luftigen Hallen. Zudem kann ich wunderbar Rand des Flugfelds einen Kaffee, Drink oder Imbiss geniessen und mich über Gesehenes austauschen. Mit der live.Positions kann sich das Publikum, das den Messe-Besuch scheut, digital einschalten und dennoch Einblicke in die aktuelle Kunstwelt bekommen.

  • Flughafen Tempelhof, Tempelhofer Damm 45, 12101 Berlin. Bitte auf der Webseite der Positions über das Ticketing und die Hygienekonzepte infomieren. ACHTUNG: es ist nicht in den gleichen Hangars wie im Jahr zuvor!!
  • Und wer es noch nicht zur Diversity United Ausstellung in den Hangars 1 und 2 geschafft hat, dem sei verraten, dass es einen kleinen Shuttle von der Messe dorthin geben soll… zur Ausstellungsbesprechung geht es hier.

3. Kantstraße 139

Auf meiner To-Do-Liste ganz oben steht der Schönheitssalon Omm von Rudolf Stingel, den die Galerie Max Hetzler in einem neuen Galerieraum in der Kantstraße 139  zeigt. Stingel hatte im Frühjahr 2019 eine phantastische Ausstellung in der Baseler Fondation Beyeler. Der Konzeptkünstler lebt und arbeitet in New York, stammt aus Südtirol. In seinen Bildern beschäftigt er sich beständig und radikal mit grundlegenden Fragen zur Malerei. Seine temporären Installationen sind von schlichter Schönheit. So kleidet er schon mal ganze Räume mit Teppichen aus. Bevor ich aber zu viel verspreche: Im Schönheitssalon Omm hängt nur ein einziges Bild.  Das aber lohnt ein Innehalten und die genau Betrachtung.

 

  • Ab dem 8. September bis zum 11. Dezember. Öffnungszeiten bitte auf der Webseite der Galerie nachschauen.

4. Kunstwerke – happy birthday!

Die Kunstwerke in der Auguststraße sind einer der aufregendsten  Kunststationen in Berlin und sie feiern am 18. und 19. September ihren 30. Geburtstag. In der ehemaligen Margarinefabrik wird an dem Wochenende zur Art Week sehr viel geboten. Entlang der Auguststraße und im Scheunenviertel werden 37 Räume mit Kunst befüllt, so wie in einer vielbeachteten Ausstellung 1992.

Drei Auftragsarbeiten im urchgang und im Hof von Katharina Sieverding, Susan Philippsz und Sissal Tolass können gesehen, gehört und gerochen werden. Vorbeischauen und eintauchen in die Geschichte der KW ist an diesem Kunst-Wochenende Pflicht! Herrlich auch einfach in dem von Dan Graham entworfenen Bravo zu sitzen und das Treiben im Hof des KW Institute of Contemporary Art zu beoabachten. Und vielleicht kommt ja nochmal Kayne West vorbei in einem KW-Hoodie, wie vor zwei Wochen.

Der Glaskubus von Dan Graham im Hof der KW ist immer einen Besuch wert

  • Auguststraße 39, 10117 Berlin. Am 18. September von 11 bis 21 Uhr und am 19. September 11 bis 19 Uhr. Das genaue, sehr umfangreiche und absolut lohenswerte Programm findet sich hier.

5. Kunst im Brauereigewölbe

Immersive Kunstwerke installiert Djeff in den Gemäuern der ehemals Böhmischen Brauerei im Prenzlauer Berg. Der französische Künstler arbeitet dabei mit Licht. Er lädt auf 3000 Quadratmetern dazu ein, in seiner Kunst nachzudenken. Über was? Darüber, was unser Leben und unsere Erde so einzigartig macht. Und in diesem alten Gemäuer mit guten Installationen fällt das leicht. Djeff war schon in Institutionen wie dem Centre Pompidou und der Foundation Louis Vuitton in Paris zu Gast. Das ist eine interessante Entdeckung und sehr empfehlenswert.

  • Vault, Friedenstraße 92, 10249 Berlin, 13.- bis 19. September, 16 bis 21 Uhr

Berlin Art Week im Museum

Zur Art Week eröffnen viele Berliner Museen neue Ausstellungen. Der Einfachheit halber sind sie hier dem Alphabet nach sortiert. In den kommenden Wochen werde ich die Ausstellungen im Blog ausführlicher besprechen, versprochen!

1. Akademie der Künste

Nothingtoseeness. Ob der Titel wirklich zum Programm wird, wage ich zu bezweifeln. Die Gruppenausstellung mit dem Untertitel leere/weiße/stille verspricht eines der Highlights bei der Art Week zu werden. Künstler:innen wie Farbmalerin Katharina Grosse, Konzeptkünstlerin Rosa Barba, Lichtexperte James Turrell oder Videokunst-Pionier Nam June Paik werden Momente der Stille und Leere kreiern.

  • Start ist am 15. September von 11 bis 24 Uhr. Nothingtoseeness läuft bis zum 12. Dezember.

2. Berlinische Galerie

Das Museum zeigt In Abwesenheit von Alicja Kwade. Die Berliner Künstlerin bespielt das Museum mit ihren poetischen Skulpturen, die berühren und beeindrucken zugleich. Kwade setzt unterschiedlichste Materialien überraschend zusammen. Tonnenschwere Steinkugeln scheinen bei ihr wie Planeten zu schweben und die nicht zu fassende Zeit macht sie sicht- und fühlbar. Dieses Mal aber geht es um sie selber. Sie steht als Geist schon vor dem Museum. Ihren Herzschlag höre ich live während ich ihren menschlichen DNA-Code an der Wand betrachte. Ob ich Alicja Kwade trotz dieser Entblössung kenne? Diese Frage bleibt offen. Nicht verpassen!

Sneak Peek mit Alicja Kwade

  • Die Eröffnung ist am 18. September (bis zum 4. April 2022).

3. Brücke Museum

Der Ars Viva Preis wird vom Kulturkreis der deutschen Wirtschaft seit 1953 an drei bis vier Künstler:innen zu einem Themenschwerpunkt vergeben. 2021 kombinieren die Gewinner:innen Tamina Amadyar, Lewis Hammond und Mooni Perry ihre Werke mit denen aus der Sammlung des Brücke Museums in Dahlem.

  • Vom 19. September bis zum 28. November

4. Haus am Waldsee

Tony Cragg ist einer der wichtigsten lebenden Bildhauer. Das Haus am Waldsee hat eine seiner Skulpturen – kreisrund, knallorange und irgendwie surreal –  bei sich im Vorgarten stehen. Mit der Ausstellung Drawing as Continuum kann ich mich jetzt in sein zeichnerisches Werk von den 80er Jahren bis in die Jetztzeit begeben. Zu 200 Zeichnungen, Druckgrafiken und Aquarellen werden sich in den Räumen auch Plastiken gesellen. Sicher ein schönes Zusammenspiel.

  • Vom 17. September bis zum 9. Januar 2022.

5. Gropius Bau

Mit einem Jahr Verspätung und direkt nach der wunderbaren Welt von Yayoi Kusama wird es im Gropius Bau  etwas sperriger zugehen wie schon der Titel The Cool and the Cold War ankündigt. Kunstwerke aus der Sammlung des Museum Ludwigs kommen aus Köln nach Berlin. Malerei aus den USA und der UdSSR werden dabei gegenübergestellt. Eine Woche nach der Art Week am 24. September beginnt diese hochspannende, sicher auch kritische Ausstellung. Bis zum 9. Januar 2022 sind dann 100 Künstler:innen wie Helen Frankenthaler, Andy Warhol und Viktor Pivovarov im amerikanisch-russischen Dialog zu betrachten. Die ein oder andere Diskussion nach dem Museumsbesuch ist garantiert.

Immer spanend – ein Besuch im Gropius Bau.

  • Für unseren kulinarischen Kunstführer Kunst kocht waren Natali und ich im Gropius Bau. Lust auf mehr, dann bitte hier klicken.

6. Kindl – Zentrum für Zeitgenössische Kunst

Der Körper ist das bildhauerische Material von Alexandra Bircken. Bevor sie in die Kunst wechselte, war sie als Modedesignerin unterwegs, studierte das Fach in London. Im Münchner Brandhort Museum ist gerade ihre Soloausstellung A – Z zu bestaunen und jetzt kommt sie erstmals nach Berlin. Die Bildhauerin, die in Berlin und München lebt und arbeitet, wird das Kesselhaus des Kindl – Zentrum für Zeitgenössische Kunst mit einer raumgreifenden Installation bespielen. Maschinenteile, Holz, Latex und textile Materialien spiegeln das Verhältnis von Körper und Hülle. In dem riesigen Raum steht man mitten in der Installation, wird Teil von ihr.

  • Fair Game, ab 19. September bis 15. Mai 2022. 

7. n.b.k.

Wie werden Informationen übertragen? Wie speichern wir sie in unserem Gehirn ab? Diese Frage beschägftigen die indische Künstlerin Shilpa Gupta. Das n.b.k. zeigt ihre erste Einzelaustellung Untitled. A spoken poem in a bottle steht auf meiner to-do-Liste ganz oben. Eindrucksvoll ausserdem: Die amerikanische Künstlerin Barbara Kruger, deren Fragestellung sich um den Moment in dem wir leben dreht,  wird die Fassade des Kunstvereins in der Chausseestraße128/129  bespielen.

  • Shilpa Gupta vom 15. September bis zum 21. Januar. Barbara Kruger nur bis zum 31. August

8. Palais Populaire

Und noch ein Kunstpreis: Zum 10. Mal vergibt die Deutsche Bank den Artist of the Year Award. Gleich drei Künstler haben gewonnen: Maxwell Alexandre aus Brasilien, Conny Maier aus Deutschland und Zhang Xu Zhan aus Taiwan bespielen mit unterschiedlichsten Arbeiten das Palais Populaire. Sicher gut!

  • Start am 15. September bis zum 7. Februar 2022

Die Berlin Art Week ganz privat

Zehn Privatsammlungen öffnen zur Art Week ihre Türen. Die Sammler:innen wollen teilhaben lassen und anregen. Es lohnt sehr sich auf die unterschiedlichsten Kunstpositionen einzulassen und einen Blick in die teilweise doch sehr privaten Räume zu werfen.

Besonders freue ich mich, dass die Haubrok Foundation in ihren Lichtenberger Ausstellungsräumen nach zwei Jahren Zwangspause wieder bei der Art Week dabei ist. In der Fahrbereitschaft wird die Berliner Bildhauerin Judith Hopf gezeigt. Sie hat auf dem historischen Gelände auch ihr Atelier. Los geht es hier ab dem 12. September (16 bis 19 Uhr).

Die EAM Collection ist ebenfalls wieder mit von der Partie. Letztes Mal hatten die Sammler einen extra Raum angemietet, jetzt gibt es die Bilder wieder in den privaten Räumen in der Sybelstraße 62. Seit den 60er Jahren haben Elke und Arno Morenz Kunst des Lettrismus gesammelt haben. Sehr sehenswert.

„Kunst muss man zeigen“

ist das Motto des Berliner Sammlers Ulrich Seibert und bereitet dem Besucher großen Spaß. Also unbedingt auch bei ihm und seiner opulent verwirrenden und doch sehr stringenten Kunst-Ansammlung vorbei hoppen.

Sammlung Seibert

  • Die Sammlung Seibert ist in der Oranienburger Straße 32 beheimatet. Achtung: nur am 18. September von 15 – 22 Uhr geöffnet. Weitere Sammlungen: Fluentum, Miettinen Collection/Salon Dahlmann, Sammlung Ivo Wessel, The Feuerle Collection. 

Und die Galerien?

Unter dem neuen Dach Gallery Weekend Discoveries findet sich alles. Erstmals gibt es ein Gallery Weekend auch im September. Normalerweise zieht das ja die Kunst-Enthusiasten Ende April nach Berlin. Also nicht wundern, wenn der ein oder andere plötzlich vom Gallery Weekend spricht,  obwohl doch eigentlich die Art Week den Kunstherbst einläutet.

Den Fokus legen die 50 teilnehmenden Galerien auf Entdeckungen und Newcomer. Sie wollen Künstler:innen zeigen, die einem breiten Publikum nicht so bekannt sind. Ich freue mich auch auf viele anregende Begegnungen und inspirierende Neuentdeckungen.

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